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Die St.-Hedwigs-Kathedrale des Erzbistums Berlin soll stark verändert werden. Nur das Dach soll bleiben, wie es ist.

© Maurizio Gambarini/dpa

Kirche am Bebelplatz: Streit um den Umbau der Hedwigskathedrale vor Gericht

Der Innenraum von St. Hedwig soll stark verändert werden. Ab heute verhandelt darüber das Berliner Verwaltungsgericht.

Von Fatina Keilani

Dem Reichskonkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich, geschlossen am 20. Juli 1933, verdankt die römisch-katholische Kirche in Deutschland ihre innere Autonomie und den Schutz ihres Eigentums. Auch wenn sich das Deutsche Reich schon bald nicht mehr an den Vertrag hielt – der Kirchenstaatsvertrag ist bis heute gültig. Im Grunde ist er es, auf den sich das Erzbistum Berlin stützen kann, wenn es nun plant, das Innere der Hedwigskathedrale völlig neu zu gestalten.

Der Innenraum wurde geschaffen von Hans Schwippert, einem bekannten Architekten, der in den Fünfzigern und Sechzigern sowohl in der DDR als auch in Westdeutschland baute. Er schuf unter anderem das Bonner Bundeshaus und einen der Türme im Hansaviertel. Ein gesamtdeutscher Baumeister also.

Der Innenraum der Hedwigskathedrale steht unter Denkmalschutz und soll stark verändert werden. „Zerstört!“, nennt es Peter Raue, der Anwalt des Bistums. Eine halbe Zerstörung wäre nämlich nicht rechtmäßig, wohl aber eine ganze.

Der Plan ist weiter umstritten, und der Konflikt wird nun auch vor Gericht ausgetragen. Erste Etappe ist an diesem Mittwoch eine Anfechtungsklage des Schwippert- Neffen Horst Peter als Erben, gerichtet gegen das Land Berlin, sowie von vier an der Innenraumgestaltung beteiligten Künstlern oder deren Rechtsnachfolgern.

Streitpunkt ist die Bodenöffnung

Ziel ist es, die denkmalrechtliche Genehmigung aufheben zu lassen, die der Kirche den Umbau gestattet. Ein besonderer Dorn im Auge ist den Klägern das Vorhaben, die zentrale Bodenöffnung mit der Treppe zur Unterkirche zu schließen und den Altar ins Zentrum zu rücken, um Gottesdienste besser feiern zu können.

Die Klage wird wahrscheinlich schon bei der Zulässigkeitsprüfung abgewiesen. Damit rechnet jedenfalls Klägeranwalt Lothar C. Poll. „Mangels unmittelbarer Betroffenheit wird hier die Aktivlegitimation verneint“, sagt Poll. Sein Mandant ist demnach gar nicht klagebefugt. Das Gericht hat auch schon durchblicken lassen, dass es zur Rücknahme der Klage rät. Poll zieht die Sache trotzdem durch, zweigleisig. „Der wichtigere Teil spielt sich am Landgericht ab. Dort haben wir für den Erben von Hans Schwippert Klage auf Unterlassung des Umbaus wegen Eingriffs in seine Urheberrechte erhoben“, erklärt Poll. Dafür gibt es laut Gericht noch keinen Termin.

Auf der Seite des Erzbistums steht dann Rechtsanwalt Peter Raue. Hier treten zwei sehr bekannte und erfahrene Rechtsanwälte einander gegenüber, die voller Leidenschaft für die Künste sind, jeder auf seine Art. Raue ist überzeugt, dass der Plan der Kirche rechtens ist. „Grundsätzlich ist es so, dass der Urheber eines Werkes sich gegen dessen Entstellung wehren kann“, sagt Raue, aber: „Gegen die Zerstörung seines Werkes kann sich der Urheber nicht wehren.“

„Nichts von dem Gesamtkunstwerk wird erhalten bleiben.“

Außerdem kollidiert bei Bauwerken stets das Urheberrecht mit dem Eigentumsrecht. Weil die Kirche für ihre Baupläne vernünftige Gründe nennen kann, ist hier, so Raue, das Eigentumsrecht stärker. Weil der Sakralraum der Kirche – und damit Schwipperts Werk – durch den Umbau zerstört werde, wird das Urheberrecht nicht verletzt. Hinzu komme die Freiheit der Kirche: „Was die Kirche für liturgisch geboten hält, ist allein ihre Sache und der Entscheidung der Gerichte entzogen“, sagt Raue.

Das geht auch aus der Presseerklärung von Kultursenator Klaus Lederer hervor, in der er im Februar 2018 auf anderthalb Seiten die Erteilung der denkmalrechtlichen Genehmigung des Umbaus erklärte.

Landesdenkmalamt und Bezirksamt Mitte hatten sich nämlich nicht einigen können, und so musste die oberste Denkmalschutzbehörde den Dissens entscheiden. „Die geplante Um- und Neugestaltung des Innenraums der St. Hedwigs-Kathedrale ist denkmalrechtlich weitgehend zulässig, weil das denkmalrechtliche Erhaltungsinteresse gegenüber dem kirchlichen Selbstorganisationsrecht zurücktreten muss“, heißt es in der Erklärung. Und an anderer Stelle, dies sei „bedauerlich“, und „tragisch“, aber nicht zu ändern.

Gegen Raue tritt, neben Poll, außerdem der bekannte Urheberrechtler Paul Hertin an. „Ich spreche in der Klage von einer Teilvernichtung, und gegen die kann man sich wehren“, sagte Hertin. „Denn zumindest Teile der Schwippert-Architektur werden bleiben, zum Beispiel die Kuppel. Damit ist das Werk entstellt. Denn, dass man die Unteröffnung zumacht, hat sich Schwippert so ganz bestimmt nicht vorgestellt und auch nicht, dass man seine Kuppelarchitektur gänzlich der prägenden Elemente entkleidet, die von den anderen Mitgestaltern des Kircheninnenraums symbiotisch eingebracht worden sind.“

Raue hingegen trägt für das Bistum vor: „Nichts von dem Gesamtkunstwerk wird erhalten bleiben.“

Die Kirche war nach dem zweiten vatikanischen Konzil umgebaut worden

Im Grunde ist es dann so, dass nichts erhalten bleiben darf.

Die Kirche hatte den geplanten Umbau mit liturgischen Erfordernissen begründet. Das zweite vatikanische Konzil von 1962 bis 1965 hatte für den Kirchenbau große Veränderungen zur Folge – der Altar rückte mehr in die Mitte, die Gemeinde versammelte sich um ihn; auch in bestehenden Kirchen entstanden neue Ordnungen. Eine Rundkirche, die musterhaft den Vorgaben des zweiten Vatikanums entspricht, ist St. Dominicus in der Gropiusstadt, gebaut in den Siebzigern. Als das Konzil beendet war, war in St. Hedwig allerdings der Schwippertsche Entwurf gerade vollendet. Der mit dem „Loch“, über das jetzt alle streiten.

Genau dieses muss aus liturgischen Gründen weg, sagt die Kirche, auch wenn das die Frage aufwirft, wie denn in den vergangenen Jahrzehnten der Gottesdienst möglich war. Der Umbau wird zurzeit vorbereitet. „Wir haben die Bänke und das Geländer entfernt und die Öffnung geschlossen, alles provisorisch und reversibel“, betont Bistumssprecher Stefan Förner. Bald folgen Ausschreibungen.

Drei Gelegenheiten gab es, sich einen Raumeindruck mit geschlossenem Boden zu verschaffen, zum Beispiel im November bei der Kunstinstallation „Glowing Core“ von Rebecca Horn. Nun ist die Kathedrale erst mal zu, der Vorraum jedoch geöffnet. Die Glastür ist verhängt, um Gläubigen den Anblick einer Baustelle zu ersparen. Einige hatten schon das Kunstwerk als Profanierung des Sakralbaus empfunden.

Der anfängliche Verweis auf das Reichskonkordat greift zu kurz und könnte missverstanden werden: Bereits in der Weimarer Verfassung von 1919 wurde das Verhältnis zwischen Staat und Kirchen geregelt. So heißt es etwa in Artikel 138: "Das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften und religiösen Vereine an ihren für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und sonstigen Vermögen werden gewährleistet." Im Grundgesetz (Artikel 140) wurden die entsprechenden Passagen aus der Weimarer Verfassung (Artikel 136 bis 139 und 141) unverändert übernommen. (Anmerkung der Redaktion)

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