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Bald nach ihrer Rückkehr aus dem kriegszerstörten Europa spielte Marlene Dietrich im Hitchcook-Film „Stage Fright“ mit – der deutsche Titel hieß sinnigerweise „die rote Lola“, offenbar eine - durch den Film nicht gedeckte - Anspielung auf ihren Erfolg "Der blaue Engel", in dem sie "Ich bin die fesche Lola" singt.

© Imago

Kinolegenden: Marlene Dietrich und der Magier

Der Auftritt des Stars 1960 im Titania-Palast ist legendär: Erstmals seit dem Krieg singt sie vor Berlinern. Ein wiederentdecktes Plakat erinnert an ein fast vergessenes Gastspiel gut 15 Jahre zuvor – am selben Ort vor US-Soldaten.

„Mindestens eine Hundertschaft Polizei musste die An- und Abfahrt Marlene Dietrichs schützen. Noch fast eine Stunde nach Schluss der Vorstellung schwenkten propre Mädchen und sehr aufrechte Jünglinge unverdrossen ihre Pappkartons mit dem aufgemalten ,Marlene, go home’. Ein Team der Allertapfersten schnaubte vor sich hin, dass sie ,sich doch nur raustrauen solle – man werde es der Verräterin schon zeigen’.“

Die vom Tagesspiegel geschilderten Umstände des ersten Auftritts der Dietrich vor Berliner Publikum nach dem Krieg, am 3. Mai 1960 im Steglitzer Titania-Palast, waren alles andere als erfreulich für die gebürtige Berlinerin. Nach dem Erfolg des „Blauen Engels“ 1930 hatte sie in den USA ihr Glück gesucht und gefunden, hatte Goebbels’ Versuche, sie zurückzulocken, widerstanden. Während des Krieges war sie zudem zu einer erklärten Hitler-Gegnerin geworden, samt unentwegtem Fronteinsatz zur Aufmunterung der kämpfenden US-Truppe.

"Das ist Hassliebe, ja?"

„War ja scheußlich. Die haben mir da Bomben reingetan ins Theater, die wollten ja nichts von mir, die waren mir doch beese. Das ist Hassliebe, ja? Die haben gesagt, die ist von uns weggegangen, die wollte uns nicht. Die liebten mich und hassten mich. Alles zur selben Zeit.“ – so resümierte Marlene Dietrich fast 25 Jahre später, in dem berühmten Gespräch mit Maximilian Schell, ihre Wiederbegegnung mit dem Berliner Publikum. Mit dem Titania-Palast muss sie aber auch ältere und weitaus schönere Erinnerungen verbunden haben, woran seit Freitag ein neues Objekt in der Dauerausstellung des Museums für Film und Fernsehen in der Potsdamer Straße 2 erinnert: die alte Fotografie eines Plakats, das ein offenbar englischsprachiges Publikum zum Besuch eines Abends im Titania-Palast mit der Dietrich, dem „Magician Marno“ und dem Melody-Trio einlädt.

Das Foto entstammt dem Familienalbum des 1917 geborenen und 1967 gestorbenen Erwin Kasch – Sportler, Filmproduzent, Darsteller, Regisseur, Drehbuchautor, Reporter und unter dem Künstlernamen „Marno“ eben auch Zauberer. In den 30er Jahren war er dem Magischen Zirkel in Berlin beigetreten, hatte wie Marlene Dietrich als Truppenbetreuer, wenngleich auf der anderen Seite der Front, gearbeitet. Sein Sohn Frank-Michael Stienz, in der Eifel lebend, hatte das Foto dem Museum geschenkt.

Bereits 1946 soll die Dietrich im Titania-Palast vor US-Soldaten aufgetreten sein, woran dieses alte Plakat erinnert.
Bereits 1946 soll die Dietrich im Titania-Palast vor US-Soldaten aufgetreten sein, woran dieses alte Plakat erinnert.

© Stiftung Deutsche Kinemathek

Genauere Angaben über den auf dem Plakat beworbenen und wenig bekannten Auftritt enthält das Album leider nicht, so ist man auf indirekte Hinweise verwiesen. Sicher ist jedenfalls, dass die Zuschauer US-Soldaten waren. Von 1945 bis Herbst 1951 hatte die US-Militärregierung den Titania-Palast beschlagnahmt, die ihn aber auch für deutsche Veranstaltungen freigab, so für Konzerte der Philharmoniker oder die erste Berlinale 1951. Werner Sudendorf, Leiter der Sammlungen des Filmmuseums, berichtet in seiner Dietrich-Biografie von einem Auftritt 1945 im Titania-Palast. Die Soldaten hätten vor Vergnügen getrampelt, doch sei in den USA auch Kritik laut geworden, da sie zu oft ihre Beine zeige, dazu vorgebe, die Gedanken der Soldaten zu lesen, und dann kommentiere: ,Oh, denken Sie an etwas anderes, das kann ich nicht vor allen Leuten sagen.‘“

Die Soldaten vergötterten ihre Marlene

Einen direkterer Hinweis auf das Plakat findet sich in dem Buch „Der Ghetto- Swinger“ von Coco Schumann, den die Nazis wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner Vorliebe für Jazz und Swing ins KZ gesteckt hatten und der nun, kurz nach dem Krieg, Mitglied des Melody-Trios war. Nach seinen Erinnerungen fand der Auftritt „Anfang 1946 für den amerikanischen Special Service“ statt. „Die Atmosphäre im Saal war aufgeladen und begeistert: Die Soldaten vergötterten ihre Marlene nicht weniger als das gesamte Amerika (...) Als sie die Bühne betrat, verstand ich schlagartig den Grund für ihren Ruf. Hocherhobenen Hauptes schritt sie in ihrem kurzen Uniformrock nach vorn an den Bühnenrand, setzte langsam eines ihrer berühmten Beine vor das andere, der Saal verstummte und dann sang sie jene Lieder von Friedrich Hollaender, die sie aus dieser Stadt nach Amerika mitgenommen und mit denen sie ihren Weltruhm begründet hatte.“

Marlene, die ihm vollkommen schien, habe ihre Gefühle nicht verbergen können, berichtet Schumann weiter, den Berlinern aber sei die kleine Sensation fast verborgen geblieben, sie habe auch kaum jemanden interessiert. 14 Jahre später sah das ganz anders aus.

Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Potsdamer Straße 2, Tiergarten, Telefon 30 09 03-0, www.deutsche-kinemathek.de

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