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Kinderrettungsstelle: Kinderärzte protestieren gegen Schließung

Zum 1. Juli soll die Kinderrettungsstelle am Klinikum Benjamin Franklin schließen. Ein Arzt befürchtet Lebensgefahr für schwer Kranke

Von Fatina Keilani

Eine Kinderstation gibt es hier schon lange nicht mehr, ab Juli gibt es auch keine Rettungsstelle für Kinder mehr.
Eine Kinderstation gibt es hier schon lange nicht mehr, ab Juli gibt es auch keine Rettungsstelle für Kinder mehr.

© imago/Schöning

Nachdem bekannt wurde, dass die Rettungsstelle für Kinder im Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz schließt, schlagen Kinderärzte Alarm. „Das wird uns hart treffen“, schrieb der Kinderarzt Peter Hauber an den Tagesspiegel. Er arbeitet in einer großen Kinderarztpraxis in der Flotowstraße, die auch wochenends und feiertags geöffnet hat. „Das Benjamin-Franklin war für uns immer der sichere Rückhalt, wenn wir Säuglinge oder Kinder mit lebensbedrohlichen Erkrankungen auf dem schnellstmöglichen Weg zur intensivmedizinischen Versorgung weiterleiten mussten“, so Hauber. Das sei zwar nicht sehr häufig der Fall, doch komme es in einigen Fällen auf Minuten an. „Die Nähe zum Klinikum war in den letzten 23 Jahren wiederholt lebensrettend“, schreibt Hauber.

Mit dem Abzug der Kinderärzte aus dem Benjamin-Franklin blieben für derartige Fälle als nächsterreichbare Kinderkliniken mit intensivmedizinischer Versorgungsmöglichkeit nur die im St. Joseph Krankenhaus in Tempelhof oder die im DRK-Westend in Charlottenburg: „Für dringende Fälle ein zeitraubender, zu weiter Weg!“ Zudem sind beide Kliniken stark ausgelastet. Die Bezirksverordnetenversammlung von Steglitz-Zehlendorf hatte sich einstimmig für den Erhalt der Kinderrettungsstelle eingesetzt - ohne Erfolg.

Der Tagesspiegel hatte Ende April über die geplante Schließung berichtet. Die Senatswissenschaftsverwaltung und der Charité-Vorstand hatten sich im Rahmen des Schwerpunktkonzepts der Charité darauf geeinigt. Zuvor hatten im Dezember vergangenen Jahres 100 Charité-Mediziner in einem Brief an die Senatskanzlei gefordert, die Kinderrettungsstelle in Steglitz zu schließen. Sie verwiesen auf den Bedarf an Fachkräften für so wenig Behandlungsfälle. Das Personal fehlte auf anderen Stationen – beispielsweise im Weddinger Virchow-Klinikum, wo 100 Kinder pro Tag in der Rettungsstelle behandelt würden.

Das Thema war auch im Parlament diskutiert worden. In der Plenarsitzung am 8. März schilderte der Regierende Bürgermeister selbst die Situation. Danach hat Steglitz die berlinweit höchste Dichte an Kinderärzten, während in Gegenden wie Wedding eine viel höhere Nachfrage herrscht.

Den Protest des Steglitzer Arztes kann man in der Wissenschaftsverwaltung nicht nachvollziehen: "Man muss hier auch mit den Realitäten umgehen", sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. "Es waren hier drei bis vier Kinder täglich in der Notfallambulanz, und für eine stationäre Aufnahme mussten sie auch bisher schon in andere Krankenhäuser, da es seit Jahren keine allgemeine pädiatrische Abteilung mehr dort gibt."

Haubers Kollegin Andrea Werner, die gemeinsam mit einer Kollegin die Praxis von Hauber übernommen hat und nun in Eigenregie betreibt, sieht die Schließung der Rettungsstelle nicht als das Hauptproblem an. "Der ganze Südwesten ist mit kinderintensivmedizinischen Betten nicht versorgt. Das ist das Problem", sagt Werner. "Ich könnte ad hoc zehn Fälle nennen, in denen wir schwer kranke Kinder nach Potsdam, Ludwigsfelde oder sogar Eberswalde bringen lassen mussten, weil es in ganz Berlin kein Bett gab."

Das bestätigt Sigrid Schründer, ebenfalls Kinderärztin in Steglitz-Zehlendorf. Auch sie schicke Kinder manchmal nach Ludwigsfelde, wenn in Berlin kein Platz zu bekommen sei. Manches gehe dort auch einfach schneller. Der Südwesten Berlins, von der Einwohnerzahl her vergleichbar mit einer Stadt wie Münster, sei tatsächlich nur noch durch das Emil von Behring-Krankenhaus kinder- und jugendmedizinisch versorgt, welches aber relativ klein sei und keine Intensivmedizin habe. Laut Senat liegt die Auslastung der Kindermedizinbetten in Berlin bei durchschnittlich 76 Prozent.

Die Charité bestätigte den Schließungsplan und teilte mit: "Es gibt ausreichende Alternativen im unmittelbaren Umfeld des Campus Benjamin Franklin: So wird die kinderärztliche Notfallversorgung durch das Helios Klinikum Emil von Behring und das St. Joseph-Krankenhaus sowie durch das auf pädiatrische Akutversorgung spezialisierte Medizinische Versorgungszentrum gewährleistet." Mit letzterem ist die Praxis von Hauber und seinen Nachfolgerinnen gemeint.

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