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© W. Grubitzsch / picture alliance / dpa

Update

Kinderbetreuung: Berliner Kitas dürfen von Eltern höchstens 90 Euro verlangen

Lange wurde gerungen, jetzt steht der Kompromiss fest: Die Berliner Jugendverwaltung und Kitaverbände haben sich auf Höchstgrenzen für Kitabeiträge geeinigt.

Vieles lassen sich Kitaträger einfallen, um attraktiv für Familien zu sein, aber auch Eltern stellen zum Teil hohe Ansprüche: Frühenglisch, Bioessen, Ballett, Sauna – lang ist die Liste der besonderen Angebote. Allerdings ist „Angebot“ unter Umständen das falsche Wort, weil es Eltern schwer gemacht wird abzulehnen. Sie müssen zahlen – oder auf den Platz verzichten. Dies aber verschärft die soziale Segregation, die Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) eindämmen will.

Nach langen Verhandlungen zwischen Jugendverwaltung und Kitaverbänden wurde am Mittwoch ein Kompromiss präsentiert: Für die Extraleistungen dürfen Betreiber höchstens 90 Euro im Monat verlangen – sofern auch Frühstück und Vesper angeboten werden. Diese Neuregelung soll zum 1. September in Kraft treten und „die Eltern vor unangemessenen finanziellen Forderungen schützen“, wie Scheeres formulierte.

Maximal 30 Euro für Vesper und Frühstück

Wer nur Vesper und Frühstück zusätzlich anbieten will, kann von den Eltern bis zu 30 Euro verlangen – zehn Euro für Vesper und 20 Euro für Frühstück. Bis zu einem Gesamtbetrag von 60 Euro – inklusive Frühstück und Vesper – können Leistungen als „Paket“ angeboten werden. Wenn der Gesamtbetrag der Zuzahlungen 60 Euro überschreitet, „müssen alle besonderen Leistungen für die Eltern einzeln auswählbar sein“. „Transparenz ist uns wichtig“, betonte Scheeres. „Die Frage, ob ein Kind einen Kitaplatz bekommt, darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Deshalb ist diese Neuregelung ein großer Erfolg im Sinne der Eltern“, betonte Scheeres.

Martin Hoyer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband lobte die „Klarheit“, die jetzt hergestellt werde. Zudem betonte auch er, dass „Segregation in den Kitas ein Thema ist“. Eine weitere Botschaft Hoyers an die Eltern lautete: „Eine Kita, die keine Zusatzbeiträge nimmt, kann dennoch eine gute Kita sein.“ Auch jetzt schon hätten Eltern jederzeit die Möglichkeit, die Zusatzleistungen zu kündigen, ohne den Kitaplatz zu verlieren, betonte Roland Kern vom Dachverband der Kinder- und Schülerläden. Dennoch sei die zusätzliche Transparenz zu begrüßen.

Eltern demonstrierten gegen Erziehermangel

Viele Eltern sind zurzeit allerdings stärker vom Kitamangel als durch Zuzahlungen unter Druck: Am Mittwoch gab es deshalb – als Vorgeschmack auf die geplante große Demo am 27. Mai – vor Scheeres’ Amtssitz eine kleine Kundgebung von Eltern der „Kita Drachenreiter“ aus Mitte: Sie protestierten gegen den Erziehermangel, denn ihre Kita schließt zurzeit schon um 14 Uhr, weil Personal fehlt. Die Jugendverwaltung bezeichnete die Lage der Eltern als "sehr belastend". Scheeres habe zugesichert hat, "dass die Kita-Aufsicht den Träger intensiv unterstützen wird".

Elisa Hanrahan leidet unter den kurzen Öffnungszeiten ihrer Kita. Am Mittwoch protestierte sie mit anderen Eltern vor der Jugendverwaltung. Hanrahan initiierte auch die Großdemo gegen den Kitamangel, die am 27. Mai geplant ist.
Elisa Hanrahan leidet unter den kurzen Öffnungszeiten ihrer Kita. Am Mittwoch protestierte sie mit anderen Eltern vor der Jugendverwaltung. Hanrahan initiierte auch die Großdemo gegen den Kitamangel, die am 27. Mai geplant ist.

© privat

Angesichts des Platzmangels sei es umso wichtiger, die Eltern vor überhöhten Zuzahlungen zu schützen: Sie hätten wegen der Mangelsituation ja weniger Möglichkeiten auszuweichen, hieß es aus der Jugendverwaltung.

Fördervereine zur Umgehung der strengen Regelung?

Es gibt aber auch Eltern, die gern einen hohen dreistelligen Betrag für ihre Kita zahlen, weil sie etwa ein anspruchsvolles bilinguales Konzept wünschen. Die entsprechenden Träger suchen nach Wegen, die strengen Höchstbeträge zu umgehen. Von Fördervereinen ist die Rede, über die sich die Finanzierung teurer Angebote abwickeln ließe. Aber auch dagegen trifft Scheeres Vorkehrungen: Die neue Vereinbarung regelt daher, dass Mitgliedschaften im Förderverein nicht an den Betreuungsvertrag gekoppelt werden dürfen. Zudem sollen die Mitglieder über die Verwendung von Geldern des Fördervereins entscheiden und nicht der Träger: „Also kommen hier die Wünsche der Eltern zum Ausdruck, die Mitglieder sind, und das Extra-Geld fließt nicht einfach in die Träger-Kasse“, erläuterte Scheeres’ Sprecherin.

Im Einzelnen gab die Verwaltung folgende Regelung bekannt:

1. Recht auf einen zuzahlungsfreien Platz und Wahlfreiheit der Eltern

-          Jeder Träger ist verpflichtet, auf Wunsch der Eltern einen Platz anzubieten, für den keine Zuzahlungen entstehen. Der Abschluss eines Betreuungsvertrags darf nicht von Zuzahlungen abhängig gemacht werden.

-          Eine Zuzahlungsvereinbarung muss jederzeit mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende gekündigt werden können. Die Kündigung durch die Eltern darf nicht zu einer Kündigung des Betreuungsvertrags durch den Träger führen.

-          Zuzahlungen sind regelmäßige (meist monatliche) Zahlungen für zusätzliche Leistungen. Zahlungen für einmalige Veranstaltungen im Rahmen des Kita-Alltags fallen nicht darunter.

-          Ausnahme Eltern-Initiativ-Kindertagesstätten (EKT): In einer EKT haben Eltern keinen Anspruch auf einen zuzahlungsfreien Platz. Vereinbarte Zuzahlungen können nicht einseitig gekündigt werden, grundsätzlich gilt hier die Mehrheitsentscheidung im Trägerverein. Die Obergrenze von 90 Euro gilt aber auch für diese Einrichtungen.

 2. Keine Doppelfinanzierung von Leistungen

-          Zuzahlungen dürfen nicht die bereits vom Land Berlin finanzierten Leistungen betreffen. Unzulässig sind insbesondere Zuzahlungen für rechtlich vorgegebene Personal- und Raumstandards, Aufnahmegebühren, Kautionen oder Freihaltegelder.

3. Begrenzung von Zuzahlungen

-          Zuzahlungen müssen angemessen sein.

-          Der maximal zulässige monatliche Höchstbetrag für Zuzahlungen inklusive Frühstück und Vesper beträgt insgesamt 90 Euro pro Kind.

-          Für Frühstück und Vesper gelten 30 Euro pro Kind und Monat als grundsätzlich angemessen (20 Euro Frühstück, 10 Euro Vesper). Im Einvernehmen zwischen Träger und Eltern kann in diesen Fällen auf einen Nachweis über die Verwendung verzichtet werden.

-          Bis zu einem Gesamtbetrag von 60 Euro (inkl. Frühstück und Vesper) können Trägerleistungen gebündelt als „Paket“ angeboten werden.

-          Überschreitet der Gesamtbetrag der Zuzahlungen 60 Euro pro Kind und Monat, müssen alle besonderen Leistungen für die Eltern einzeln auswählbar sein.

 4. Melde-/Nachweispflicht

-          Der Träger ist verpflichtet, der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie spätestens einen Monat vor Beginn der Umsetzung eine Zuzahlungsregelung zu melden. Werden keine Zuzahlungen erhoben, ist eine einmalige Fehlanzeige erforderlich.

-          Zuzahlungsvereinbarungen sind schriftlich abzuschließen.

-          Die Verwendung der Zuzahlungen muss den Eltern einmal jährlich nachvollziehbar aufgeschlüsselt werden.

5. Pflichtverletzungen/Sanktionen

-          Bei Hinweisen auf Pflichtverletzungen ist ein einheitliches, transparentes Verfahren vorgesehen, mit vorgegebene Fristen für Stellungnahmen und dem Recht der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Unterlagen des Trägers einzusehen. Zur möglichst einvernehmlichen Beilegung von Konflikten wird eine Schiedsstelle eingerichtet.

-          Bei Pflichtverletzungen bestehen abgestufte Sanktionsmöglichkeiten, z. B. Kürzung, Einbehaltung und Rückforderung von Geldern bis hin zur Kündigung des Trägers bei schwerwiegenden Vertragsverletzungen.

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