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Kiezblume. Thelma Buabeng vor Blumen Dilek – den Laden gibt es seit mehr als 30 Jahren, Buabeng zog 2005 nach Berlin

© Kai-Uwe Heinrich

Kiezspaziergang mit Schauspielerin Thelma Buabeng: Alles so schön bunt hier

Schauspielerin Thelma Buabeng hat genug vom Rassismus, der ihr in der Filmbranche und im Alltag begegnet. Klischees verarbeitet sie in ihrem Youtube-Projekt. Ein Treffen in Kreuzberg.

Von Laura Hofmann

Sie ist fünf Minuten zu spät. Nur fünf Minuten! „African time“, sagt sie, als sie um die Ecke biegt. Schon ist sie voll da, strahlt, umarmt, Präsenz ist ihr Beruf: Thelma Buabeng ist Schauspielerin. Treffpunkt Heinrichplatz, der eigentlich kein Platz ist, weil durch ihn eine Kreuzung verläuft. Hier trifft die Oranienstraße auf die Mariannenstraße, auf halber Strecke zwischen den Bahnhöfen Görlitzer Bahnhof und Kottbusser Tor. Thelma Buabeng hat diesen Ort ausgewählt, weil sie ihn für seine Kreuzberger Mischung liebt.

Ein Soziotop aus Alt-68er-Lebenskünstlern, spanischen Touristen und hippen Neu-Berlinern. Ein paar türkische Familien sieht man auch. Die Mieten steigen rasant, Normalverdiener und Kleingewerbebetreibende haben es im Kiez um die Oranienstraße schwer. Auch Thelma Buabeng wollte gern hier leben, wie die meisten ihrer Freunde. Eine Wohnung gefunden hat sie nicht. Deswegen wohnt die 37-Jährige in Pankow, dort, wo Weißensee auf Prenzlauer Berg trifft. Auch okay. „In Pankow sieht man wenigstens noch normale Berliner“, sagt sie. Auch alte Leute, die in anderen Kiezen eher beim Flaschensammeln auffielen.

In der Naunynstraße spielte sie in einer rein schwarzen Produktion

Der Himmel über Kreuzberg ist an diesem Sommertag grau, Buabeng wünscht sich schon die Sonne zurück. Sie läuft die Oranienstraße rauf, bei Blumen Dilek – seit über 30 Jahren eine Institution im Kiez und 24 Stunden am Tag geöffnet – biegt sie rechts in die Adalbertstraße ab, dann wieder rechts in die Naunynstraße. Hier, im Ballhaus, hat sie in zwei Produktionen mitgespielt. Das Stück „Schwarz tragen“ von Elizabeth Blonzen im Rahmen des „Black History Month“ 2013 war eine rein schwarze Produktion, erinnert sich Buabeng. Schwarze Autorin, schwarzer Regisseur, schwarze Schauspieler. So etwas gibt es im deutschen Theater nie, nur wenige Häuser haben feste schwarze Schauspieler.

Wenn Buabeng über Menschen spricht, die nicht weiß sind, benutzt sie den Begriff People of Color – einen begriff, den viele Menschen nutzen, die sich aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert fühlen. „Auch im deutschen Fernsehen sind People of Color immer mit Problemen verbunden“, sagt Buabeng. „Die Wirklichkeit, in der ich als normale Deutsche in Deutschland lebe, kommt im deutschen Film nicht vor.“ Stattdessen spielte sie jahrelang fast ausschließlich Prostituierte oder geflüchtete Frauen. Ihr Fernsehdebüt hatte sie 2003 in der „Lindenstraße“. Ihre Rolle: eine aidskranke, nach Deutschland geflohene Nigerianerin. Buabengs Familie kommt aus Ghana.

Es gibt Gegenden, die sie meidet

Doch die Zeiten ändern sich, zumindest für sie: 2017 spielte sie in der ZDF-Produktion „Am Ruder“ die erste schwarze Staatsanwältin im deutschen Fernsehen. Als ihre Agentin sie damals für die Rolle anrief, konnte sie es nicht fassen. Eine Anwältin?! Ganz ohne Bezug zu Afrika?! Ihre Erfahrungen mit Rassismus in der Filmbranche und im Alltag verarbeitet Buabeng in ihrem Comedy-Projekt „Tell me nothing from the horse“, eine humorvolle Übersetzung der Redewendung „Erzähl’ mir nichts vom Pferd“. In dem Youtube-Format spielt sie fünf Frauen, die unterschiedlicher kaum sein könnten: von der Hippiebraut Mary Jo bis zu Annemie, die kein Nazi ist, aber Köln langsam zu bunt findet. Gerade hat Buabeng wieder gedreht, auch Jürgen Vogel wird in den Folgen, die Anfang August erscheinen, dabei sein.

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Von der Naunynstraße geht es weiter Richtung Paul-Lincke-Ufer, Buabeng erzählt von ihrem Leben in Berlin, wo sie seit 2005 wohnt. So gerne sie auch hier ist – es gibt Gegenden, die sie meidet, weil sie sich als schwarze Frau dort unsicher fühlt: Kieze in Pankow, Weißensee, Lichtenberg, Hellersdorf oder Marzahn. Einmal, es war der 2. Mai 2009, ist sie tatsächlich körperlich angegriffen worden, am Bahnhof Ostkreuz. Da wurde umgebaut, sie wusste nicht wohin und bat einen Mann, der auf dem Bahnsteig stand, um Hilfe. Er wurde aggressiv, beschimpfte sie rassistisch, es kamen vier Kumpels von ihm hinzu, die schlugen und traten auf Buabeng ein. Dann fuhren sie in der nächsten Bahn davon. „Es klingt ein bisschen wie ein Klischee, aber das Schlimmste war, dass niemand etwas gesagt hat“, erinnert sich Thelma Buabeng. Der Bahnhof war voller Menschen.

"Hier ist Berlin noch okay"

Sie kann noch viele andere Geschichten erzählen, die auch von Rassismus handeln: Von der deutschen Theaterbesucherin, die ihr, nachdem sie sieben Stunden in Frank Castorfs „Faust“ auf der Bühne performt hat („meine schönste Theatererfahrung!“), auf Englisch gratuliert, oder von der Frau, die vor dem Prinzenbad auf die Sonne zeigt und sagt, bei den Temperaturen müsse sie sich ja wie zu Hause fühlen. Ihr reicht es. „Die Zeiten von ‚Ich hab’s nicht so gemeint‘ sind vorbei“, sagt sie entschlossen. Dass es in Berlin immer noch Straßen gibt, die nach Kolonialisten benannt sind, findet sie absurd.

Sie hat aber auch Feste zu feiern: Bald kommt sie in ihrer ersten Hauptrolle auf die Leinwand: In „Wenn Fliegen träumen“ von Katharina Wackernagel spielt sie eine einsame Psychotherapeutin, die sich mit ihrer Schwester (die übrigens weiß ist) auf die Spur ihres verstorbenen Vaters begibt. Vom Kanal ist Buabeng inzwischen zum Heinrichplatz zurückgelaufen, der Hunger zieht sie in eines ihrer Lieblingsbistros: Im „Angry Chicken“ steht frittiertes koreanisches Hühnchen auf der Karte. Neulich saß sie hier mit einem Freund. Da hat sie sich umgeschaut, auf die Oranienstraße geblickt und gesagt: „Hier ist Berlin noch okay.“

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