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13 Jahre lang hat der Rapper, Schauspieler, Komiker, Moderator und Tänzer Bürger Lars Dietrich in Schöneberg gelebt.

© Doris Spiekermann-Klaas

Kiezspaziergang durch Schöneberg: Zum Frühstück eine Tafel Schokolade

Schon oft ist Bürger Lars Dietrich in Berlin umgezogen. In den Kiez um den Schöneberger Winterfeldtplatz kehrt er sehr gern zurück.

Der Duft ist verführerisch. Eine Mischung aus frisch gebackenem Brot, Schnittblumen, würzigen Lakritz-Klümpchen und geräuchertem Fisch vom Holzkohlegrill. Bei den Erdbeeren kann Bürger Lars Dietrich dann nicht mehr widerstehen. Nicht um davon zu naschen. Vielmehr stellt sich der 46-Jährige flugs hinter den Obst- und Gemüsestand und mimt den charmanten Marktverkäufer. Die echte Verkäuferin lacht. „Ach Lars, schön, dass du mal wieder da bist!“

So mancher auf dem Wochenmarkt am Schöneberger Winterfeldtplatz hat Dietrich vermisst. Und auch wer ihn hier noch nicht kennt, ist rasch von seiner offenen Art eingenommen. 13 Jahre hat der Rapper, Schauspieler, Komiker, Moderator und Tänzer hier gelebt, bevor er nach Zehlendorf umgezogen ist. Der Kinder wegen.

„Ich bin durch Zufall genau zu dem Zeitpunkt hier weggezogen, als der Kiez anfing, sich spürbar zu verändern“, sagt der gebürtige Potsdamer. Früher liebte er es, in den umliegenden Second-Hand-Läden nach Vinyl-Schätzen zu stöbern. Eine dieser Institutionen, der Plattenladen „Mr. Dead & Mrs. Free“ am Nollendorfplatz, hatte 2017 nach 35 Jahren seine Türen geschlossen. Er sei auch gern ins „Tim’s“ gegangen, das es längst nicht mehr gibt, erzählt Dietrich, und habe sich dort schon morgens einen gigantischen Burger bestellt.

Eine seiner kulinarischen Lieblingsadressen existiert aber nach wie vor: das Ladencafé „Winterfeldt Schokoladen“ an der Ecke Goltz-/Pallasstraße. Ein großes Hallo – was auch sonst –, als Dietrich in die ehemalige Apotheke mit ihren dunklen Holzschränken und Ornamenttapeten kommt. Hier hat er früher beinah täglich eine Tafel Schokolade gegessen. Als zweites Frühstück, serviert auf einem Teller mit Besteck. Dazu eine eiskalte Cola. Geschäftsführerin Natascha Kespy erinnert sich gern an ihren ehemaligen Stammgast. Auch sie spürt die Veränderungen im Kiez. Alteingesessene Cafés oder Antiquariate verschwinden, die Zahl der alten Menschen, die noch von früher erzählen können, wird kleiner. „Lange Zeit schienen sie uns hier vergessen zu haben“, sagt Kespy. Nun sei die Gentrifizierung auch hier angekommen.

Seltene Chance zum Durchatmen

Eine Tafel Schokolade nimmt Dietrich an diesem Vormittag nicht, für ein Stück Walnusskuchen soll aber Zeit sein. Er muss die Pausen zum Durchatmen nehmen, wie sie kommen. Denn Dietrich hat wie fast immer in seinem Künstlerleben jede Menge zu tun. An diesem sonnigen Vormittag ist er ganz in Schwarz gekleidet, weil er im Anschluss noch einen Drehtermin für ein Video gegen Mobbing an Schulen hat. Den ganzen Sommer hat Dietrich die zehn Folgen für die neue Comedy-Show „Leider laut“ gedreht, die er im KiKA, dem Kinderkanal von ARD und ZDF, mit YouTuber Marti Fischer präsentiert. Dietrichs neue Single „Le Le Le“ ist gerade erschienen, das neue Album folgt im Winter. „Wieder mit familientauglichem Hip-Hop“, kündigt Dietrich an, der mit Stefan Raab den Rap-Song „Hier kommt die Maus“ veröffentlicht hat. Und die Vorarbeiten für die zwölfte Staffel des KiKA-Songwriting-Wettbewerbs „Dein Song“ mit Dietrich als Moderator haben ebenfalls kürzlich begonnen.

Außerdem steht das Entertainer-Multitalent derzeit fast an jedem Abend auf der Bühne, in der Komödie am Kurfürstendamm im Schiller-Theater. In dem Stück „Zuhause bin ich Darling“ über ein Paar, das seine Leidenschaft für die 1950er Jahre teilt und dessen pastellfarbene Welt langsam Risse bekommt, spielt Dietrich an der Seite von Judith Richter und Beatrice Richter einen Hausfreund, dem sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Das Nierentisch-Ambiente kommt seinem Faible für die damalige Zeit entgegen. Im Stück darf er bei den Rock’n’Roll-Einlagen auch zeigen, dass er über eine klassische Tanzausbildung verfügt. Auch Stuntman war er mal in den Defa-Studios. „Da musste ich auf einem schmalen Balken hoch über den Kulissen einer Piratenstadt fechten – die Bezahlung war zum Glück sehr gut“, erzählt er.

In vielen Kiezen vertraut

In Dietrichs früherer Schöneberger Heimat, der Habsburgerstraße mit den schönen, teils von bunt bewachsenen Vorgärten geschmückten Altbauten, wird gerade eine leere Erdgeschosswohnung auf Vordermann gebracht. Dietrich ist innerhalb Berlins schon oft umgezogen. Aus der Florastraße in Pankow beispielsweise, weil die Jugendlichen der benachbarten Schule nach seinem Sommerhit „Sexy Eis“ 1996 seine Wohnung belagerten. Als weitere Stationen folgten Lichtenrade und Tempelhof, bis die Jahre in Schöneberg kamen, wo Dietrichs mittlerer Sohn mit Begeisterung beim Kinder- und Jugendzirkus „Juxirkus“ mitgemacht hat. „Manchmal gab es auch etwas knifflige Momente mit den Kids hier in Schöneberg, wo ich in Erklärungsnot kam“, erinnert sich Dietrich lachend. „Zum Beispiel, als ich mit ihnen durch die Motzstraße ging und uns ein Fetisch-Anhänger mit Gasmaske aus der generell sehr netten schwulen Community entgegenkam.“

An seinem neuen Zuhause in Zehlendorf schätzt Dietrich vor allem die Ruhe. Am liebsten chillt er mit seinen Kindern vor der Leinwand seines Heimkinos mit alten Streifen. Doris Day, Jerry Lewis, Heinz Erhardt, Stan und Ollie – seine Kinder kennen und lieben sie alle, und Dietrich ist in Sachen Komik sowieso ihr großes Vorbild. Nur eins finden die beiden Jüngsten nicht so cool: Wenn Papa Lars auf dem Weg zur Schule den Hip-Hop im Auto voll aufdreht. Dann kommt schon mal der leicht peinlich berührte Kommentar: „Mensch, Papa, mach’ doch mal leiser!"

„Zuhause bin ich Darling“, Komödie am Kurfürstendamm im Schiller Theater, diesen Sonntag, 20 Uhr. Weitere Termine und Tickets auf www.komoedie-berlin.de oder unter Tel. 88 59 11 88

Eva Steiner

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