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Schlagabtausch zwischen Tilman Kuban (r) und Kevin Kühnert (l).

© Carsten Koall/dpa

Kevin Kühnert und Tilman Kuban im Gespräch: „Groko ist wie eine Spielgemeinschaft aus Dortmund und Schalke“

Juso-Vorsitzender trifft auf den Chef der Jungen Union: Kevin Kühnert und Tilman Kuban diskutierten am Montagabend in Berlin zur Zukunft der Volksparteien.

Von Ronja Ringelstein

Es wäre ein Klischee, anzunehmen, nur weil sich zwei junge Männer treffen, ginge es um Fußball. Das Klischee wurde dann aber doch bestätigt, im „Berlin Salon“, einem Gesprächsformat der Berliner CDU. Die jungen Männer waren Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union und Kevin Kühnert, Chef der SPD-Jugendorganisation Jusos.

Der eine 32, der andere 30 Jahre alt, und beide Hoffnungsträger der „Volksparteien“, denen sie angehören, mit dem ungeschriebenen Auftrag, die Jugend für Politik zu begeistern. Auf Einladung des Landesverbands der CDU diskutierten sie beide nun dort in deren Geschäftsstelle am Wittenbergplatz vor rund hundert Zuschauern die „Zukunft der Volksparteien“, es moderierte Stefan Evers, Generalsekretär der Berliner CDU.

Fußball also: Kevin Kühnert, schwarzer Kapuzenpulli und dunkelblaue Segelschuhe, sagt, eine Partei sei wie ein Sportverein. Das habe mit Identität zu tun, man leide mit, wie mit seinem Fußballklub. „Die große Koalition ist da wie eine Spielgemeinschaft aus Borussia Dortmund und Schalke 04“, sagt der gebürtige Berliner.

„Die einen findet man super, die andern sind eigentlich der große Gegenspieler.“ Und wenn die zusammen ein Tor schießen, das Gute-Kita-Gesetz zum Beispiel, sei das ja eigentlich toll, aber die Freude eben eingetrübt.  Kuban pflichtete Kühnert in dem Punkt bei, dass natürlich die Groko auch damit zu tun habe, dass beide Parteien, SPD und Union, in der Vergangenheit Stimmen eingebüßt haben.

„Lachhaft“ sei es, sich bei 15 Prozent Volkspartei zu nennen

Kuban, seit März 2019 an der Spitze der konservativen Jugendorganisation, sagte gleich zu Beginn der Diskussion, der Anspruch der Union „Volkspartei“ zu sein, heiße, „wir sind diejenigen, die das Land zusammenhalten und für Ausgleich sorgen.“ Kühnert befand mit Blick auf die Umfragewerte der SPD, dass es auf Dauer „lachhaft“ sei, sich Volkspartei zu nennen, wenn man es nicht schaffe, mehr als zehn, 15 Prozent der Menschen zu erreichen. Aber es gehe auch um den inhaltlichen Anspruch, vielfältige Interessen vertreten zu wollen. Die Parteien müssten sich aber verjüngen und „nicht nur die untergehende Welt verwalten“.

So sehr sich beide für mehr Unterscheidbarkeit der SPD von der Union aussprachen, so sehr waren sie sich in den meisten Punkten einig. Kuban befand aber: Besonders wenn man eine kontroverse Diskussion gesehen habe, wisse man wieder, wo der „eigene Kompass“ sei, wo man stehe. „Es muss eine Unterscheidbarkeit, eine Abgrenzung geben. Kevin sagt, wir müssen mehr Karl Marx wagen und ich sage, wir müssen mehr Ludwig Erhard wagen.“

Kontrovers wurde es bei den Inhalten

Kontrovers wurde es tatsächlich bei den Inhalten, die beide lieber stärker von ihren Parteien beackert sehen wollten. Kevin Kühnerts „Herzensthema“, wie er es nannte, sei es, dass die SPD beim Thema Daseinsvorsorge und Gemeinwohl „erkennbar“ werde. „Dass wir Risiken wieder gemeinsam absichern müssen.“ Außerdem wünsche er sich eine große Debatte über Bildungspolitik, darüber werde durch den Föderalismus zu wenig gesprochen. Auch möchte Kühnert, dass sich Europa, die EU, eine eigene Verfassung „gieße“, die die EU handlungsfähiger auf internationaler Ebene mache.

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Kuban warb hingegen für einen Klimaschutz, der auf Innovationen beruhe, damit man auch China überzeugen könne, das Klima zu schützen, weil es sich rentiere. Außerdem solle eine Verwaltungsreform Deutschland effizienter machen, er forderte mehr Digitalisierung vor allem im Bürgerservice-Bereich sowie steuerliche Entlastung für junge Leute, etwa die Abschaffung der Grunderwerbssteuer.

Sebastian Kurz: Sieger oder Tabubrecher?

Am meisten trennte die beiden aber wohl ihre Ansicht über Sebastian Kurz, österreichischer Bundeskanzler und Chef der konservativen ÖVP. Hier wurde wieder der Fußball als Metapher bemüht: „Es gibt einen Unterschied zwischen Fußball und Politik, es ist mir im Fußball egal, wie meine Mannschaft das Tor schießt“, sagte Kevin Kühnert. An eine Partei aber habe er „ästhetische“ Haltungsansprüche.

„Ich finde es schwer vertretbar, auch wenn es im Ergebnis erfolgreich ist, eine Partei wie die FPÖ in die Regierung zu holen, mit einem Vize-Kanzler Strache, den ich in dieses Amt gelassen habe, damit der später als Koks-Nase durch die Welt reist und sich irgendwelchen vermeintlichen Oligarchen andient“, sagte Kühnert. Dass Kurz das nicht auf die Füße gefallen sei und ein Wechsel zum jetzigen Bündnis mit den Grünen geklappt habe, sei erstaunlich. Kühnert glaubt, die FPÖ in die Regierung zu holen, sei ein Dammbruch gewesen, der Kurz „in den Geschichtsbüchern anhaften“ werde.

Abpfiff nach 90 Minuten

Tilman Kuban hätte das nicht gegenteiliger sehen können – am Ende habe Sebastian Kurz eine „sehr erfolgreiche Regierung“ geführt, sagte Kuban. Dass Kurz es geschafft habe, die österreichische Volkspartei von 18 auf 37 Prozent zu bringen sei ein „großartiger Erfolg“, der ihm im Politikstil recht gebe. Auch für Deutschland wünsche er sich eine ähnlich charismatische Führungsfigur für die CDU im nächsten Wahlkampf.

Abpfiff war dann nach 90 Minuten. Zum wirklichen Gerangel war es nicht gekommen, doch wie Moderator Stefan Evers noch sagte: „Bitte keine falsche Scheu vorm Auswärtsspiel!“ Es war Kevin Kühnerts erster Besuch in der CDU-Zentrale. Tilman Kuban sei auch noch nie bei der SPD eingeladen worden. Doch, sagte Kühnert: „Es gibt ja auch immer ein Rückspiel“.

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