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Grünphase. Für zehn Jahre sollen die Kleingärten laut Senatsbeschluss nicht angetastet werden. Der Entwicklungsplan ist ein Kompromiss, der weder die Laubenpieper noch die Bauwirtschaft wirklich glücklich stimmt.

© Kitty Kleist-Heinrich

„Keiner traut sich an die Gärten ran“: Wie Kleingärtenschutz und Wohnungsbau in Berlin zusammenpassen sollen

Senat beschließt Kleingartenentwicklungsplan 2030. Trotz weitreichenden Schutzes murren die Nutzer, Neubaubefürworter kritisieren den Kompromiss ebenfalls.

Grüne Parzellen in jedem Bezirk, mit kunterbunten Holzbuden, hier ein Karpfenteich, dort ein Pool, aber auch mal solide gezimmerte Häuser gebaut wie für die Ewigkeit – zehn weitere Jahre werden sie nicht angetastet.

Der Senat hat seinen Kompromiss am Montag beschlossen und schob den Begehrlichkeiten öffentlicher, Gemeinwohl-orientierter oder privaten Bauherren einen Riegel vor. Auch den Rat der Bürgermeister erhörte Rot-Rot-Grün nicht. Sonst drohe die Schutzfrist für die als Bauflächen ausgewiesenen Parzellen zu fallen.

Ende des Jahres fällt die Schutzfrist, sagt der Sprecher von Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne). Und Jan Thomsen weiter: „Vorher muss der Beschluss noch durch das Abgeordnetenhaus, mit der Einarbeitung von Nachbesserungen wäre es zu knapp geworden“. Mit dem Senatsbeschluss sei auch noch Zeit genug, die Kritik der Bezirkschefs einzuarbeiten. Diese fordern klare und bessere Regelungen für Kompensationen der wenigen Flächen, die für Sozialeinrichtungen oder wichtige Verkehrsbauten fallen.

Genau darüber empört sich auch der Verband deutscher Grundstücksnutzer. Präsident Jochen Brückmann beklagt, der Kleingartenentwicklungsplan 2030 sei „gegen den Protest vieler Akteure der Stadtgesellschaft“ beschlossen worden. Das Machwerk sei „reine Augenwischerei“. Nicht 82 Prozent aller Kleingärten seien gesichert, wie der Senat erklärt. „Nur gerade einmal 15 Prozent aller Kleingärten sind als Dauerkleingartenanlage in Bebauungsplänen festgeschrieben“.

Dazu müsste der Bund das Kleingartengesetz ändern – und eine entsprechende Bundesratsinitiative fordert der Verbandschef und frühere IHK-Stadtentwicklungsexperte von der Umweltsenatorin. Obendrauf will er die „Ausweisung neuer Kleingartenflächen auch für mehr Ökologie und Stadtgrün in einer wachsenden Stadt“. Und natürlich „neue Ausgleichsflächen“, wo Parzellen unausweichlich der Konkurrenz sozialer oder verkehrlicher Infrastruktur weichen müssten.

Neubaubefürworter kritisieren das Gesetz scharf

Ein solches Beispiel, das laut Umweltverwaltung stellvertretend für die meisten der notgedrungen Baggern zum Opfer fallenden Parzellen steht, sind jene an der Rudolf-Wissel-Brücke. Diese muss dringend erneuert werden und die Kleingärten schon wegen der Baustellen-Einrichtung weichen. Und nach dem Neubau der Brücke ist hier kein Platz mehr.

Dafür gibt es Ausgleich andernorts: „Vielleicht nicht so schön, nicht so groß und nicht so gut“, so Thomsen, was auch auf die maximale Größe von 250 Quadratmeter in der neuen Gesetzesfassung anspielt. Auch das bringt den Verband auf.

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Doch das neue Gesetz spaltet weniger die Nutzer und die Umweltverwaltung als beispielsweise die Befürworter einer Neubauinitiative. Neben neuen Verkehrswegen könnte ein Teil der Kleingartenflächen als Bauland für die fehlenden Wohnungen in dem seit Jahren um Hunderttausende Bewohner gewachsenen Berlin.

Doch jene, die sich dafür einsetzen, wie Stadtplanungsexperte Volker Härtig, haben wenig Hoffnung, dass sich hier politisch noch etwas bewegt: „Da traut sich keiner mehr ran“, sagt er. Die Kleingärtner könnten mächtig Wähler mobilisieren und seit die Ära der Volksparteien vorbei sei, könnten einige Prozentpunkte den knappen Wettstreit um die stärkste Partei entscheiden.

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CDU-Generalsekretär Stefan Evers hatte bereits bei der Vorlage des Entwurfs die „dauerhafte, unbefristete Sicherung der Berliner Kleingärten – über das Jahr 2030 hinaus“ gefordert. Dies entspreche aber auch der Beschlusslage des Berliner Abgeordnetenhauses. Die CDU hatte in dieser Legislaturperiode mehrere „Kleingartenkonferenzen“ veranstaltet und folgt im Großen und Ganzen der Linie der Schrebergärtner.

Die Grünen und ihre Umweltsenatorin wiederum arbeiten seit Jahren an einer Aufwertung der Grünflächen, und der neue Kleingartenentwicklungsplan passt gut in die „Charta Stadtgrün“ zur Verbesserung des Klimas in der Stadt. Die Charta wurde im Frühling vom Senat angenommen und vom Rat der Bürgermeister gebilligt.

Gesetz hat einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung

Vorgesehen ist neben der Vernetzung bestehender Grünflächen und der Entwicklung zusätzlicher neuer Naturräume auch die Aufwertung des „Stadtblaus“, also von Seen und Flüssen. Durch die zweijährige Beteiligung der Berliner hat das Konzept einen breiten Rückhalt und dürfte in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.

Wenig Resonanz in der Politik finden dagegen die Forderungen aus der Bau- und Immobilienwirtschaft, die knappen innerstädtischen Flächen verstärkt als Bauland zu nutzen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hatte in der Ära von Katrin Lompscher (Linke) daraus ihre Konsequenz gezogen: Bauen könne man Wohnungen auch in Brandenburg, war wiederholt zu hören.

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