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Für den Technologiepark Adlershof sollte digitale Technik in der Gebietsentwicklung eine Rolle spielen und Wohnungen gebaut werden.

© Jens Kalaene/ZB

Keine Fördermillionen für die Hauptstadt: Ist Berlin nicht smart genug?

750 Millionen Euro hat der Bund für Smart-City-Projekte ausgeschrieben. Doch die deutsche Hauptstadt ging leer aus.

Der erwartete Geldregen ist ausgeblieben. Seit das Bundesinnenministerium am Mittwoch bekannt gegeben hat, welche Kommunen die ersten Millionen des bisher größten deutschen Förderprogramms für Smart Cities bekommen, ist die Enttäuschung in den Senatsbüros groß. Denn Berlin konnte sich beim Wettbewerb nicht durchsetzen.

Knapp 150 Projekte sind von Städten, Kreisen und Gemeinden eingereicht worden – das Ergebnis lässt allerdings nicht nur Beteiligte aus Berlin verwundert zurück: Keine einzige Stadt mit mehr als 200.000 Einwohnern zählt zu den Gewinnern, obwohl sich so gut wie alle deutschen Großstädte beworben hatten, wie Insider erzählen. Was steckt dahinter? Welche Pläne hatte Berlin eingereicht? Und was wird nun aus diesen Projekten?

Mit Smart City ist die vernetzte Stadt gemeint, in der künftig über das Internet alles mit jedem kommuniziert und zusammenhängt. Intelligente Stromnetze können etwa in Zukunft den Energieverbrauch senken, flächendeckend angebrachte Sensoren in der Stadt die Luftverschmutzung messen und automatisch den Verkehr über vernetzte Ampelsysteme steuern.

Bis dahin ist es ein weiter Weg, international hinken deutsche Städte sowieso hinterher. Insgesamt 750 Millionen Euro will der Bund deshalb für 50 ausgewählte Projekte in den nächsten zehn Jahren und in drei weiteren Staffeln ausschütten, um Deutschlands Städte und Kommunen zu digitalisieren.

Für die erste Staffel sollten zehn Projekte ausgezeichnet und belohnt werden, nun sind es überraschenderweise 13 geworden. Doch die Jury um Staatssekretärin Anne Katrin Bohle ignorierte die Bewerbung Berlins in allen Kategorien. In der Hauptstadt, aber auch in anderen Großstädten ist der Ärger deshalb nun groß. Beteiligte vermuten nämlich ein politisches Kalkül hinter dem Ergebnis – und ärgern sich über die bisher investierten personellen wie zeitlichen Ressourcen.

„Diese Ausschreibung des Ministeriums verlief rumpelig, ging viel zu spät online und war unprofessionell“, sagt ein Fachbeamter einer anderen größeren Stadt, die ebenfalls am Wettbewerb teilnahm. Beteiligte beklagen, dass anscheinend „regionalpolitische Überlegungen“ über die „Qualität der Anträge“ gestellt wurden.

BMI verteidigt sich gegen die Kritik der großen Städte

„Wir können das Ergebnis nicht wirklich nachvollziehen. Wir wollen aber nicht die Gewinnerprojekte kritisieren, sondern den Ausschreibungsprozess insgesamt“, erklärt auch Frank Nägele (SPD). Der Berliner Staatssekretär für Verwaltungs- und Infrastrukturmodernisierung würde etwa gerne wissen, was überhaupt ausschlaggebend war, um ausgewählt zu werden. Das wurde nämlich weder vor noch nach der Ausschreibung klar kommuniziert. Auch über Feedback auf die geplanten Projekte würde sich Nägele freuen. „Sonst haben wir einfach nur Zeit und Ressourcen verbraucht, ohne genau zu wissen, was aus unserer Bewerbung wurde.“

Modellprojekte für Smart Cities in Berlin.
Modellprojekte für Smart Cities in Berlin.

© Senatskanzlei / Bearbeitung: Tsp/PM

Das BMI verteidigt sich gegen die Kritik der großen Städte. Deutsche Kommunen hätten unterschiedliche Ausgangssituationen, Möglichkeiten und Herausforderungen, erklärt ein Sprecher auf Anfrage. „Das ausgewählte Bündel von Modellprojekten zeigt genau diese Unterschiedlichkeit und spiegelt auch die Bevölkerungsverteilung zwischen den Stadttypen wider.“

Berlins Smart-City-Pläne, die dem Tagesspiegel vorliegen, sahen jedenfalls sechs Projekte und einige strukturelle Änderungen wie ein „Strategieboard Smart City“ und einen „Chief Smart City Officer“ vor. Der Flughafen Tegel sollte nach der Schließung gemeinsam mit dem geplanten Siemens-Campus und der Insel Gartenfeld den „wirkmächtigen Entwicklungsraum West“ bilden. Im Entwicklungsgebiet Schöneberger Linse sollte ein „lebendiges Quartier“ in unmittelbarer Nähe zum Euref-Campus, dem „Reallabor der Energiewende“, entstehen.

Stadtverwaltung muss selbst Geld in die Hand nehmen

Auch für den Technologiepark Adlershof sollte digitale Technik in der Gebietsentwicklung eine Rolle spielen und Wohnungen gebaut werden. In Neu-Hohenschönhausen, wo 60.000 Menschen in den Plattenbauten der 1980er Jahren wohnen, war ein „Reallabor“ in Bezug auf demografische Änderungen geplant. Für die Umsetzung allein der sechs Entwicklungsgebiete wurden ungefähr sechs Millionen Euro im Finanzplan der Bewerbung vermerkt. Den Großteil der 17,5 Millionen Euro machen Personal- und Sachkosten aus.

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Da die Millionen des Bundes ausblieben, muss die Stadtverwaltung nun selbst Geld in die Hand nehmen, will sie zumindest Teile der Strategie umsetzen. „Auch ich finde es sehr schade, dass das nicht funktioniert hat“, sagt Franziska Becker (SPD). Sie ist Vorsitzende des Hauptausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses, in dem nach der Sommerpause der Senatsvorschlag für den Berliner Doppelhaushalt für die nächsten beiden Jahre diskutiert wird.

Beckers Meinung ist klar: „Ich bin dafür, dass wir jetzt erst recht dranbleiben und weitermachen.“ Um noch Geld aufzustellen, gibt es jedenfalls zwei Hebel. Zum einen können die Abgeordneten den Senat bitten, noch Änderungen vorzunehmen und Mittel umzuschichten – die dann allerdings woanders fehlen. Zum anderen haben alle Fraktionen eigene Mittel aus dem Haushalt, um Schwerpunkte setzen zu können – oftmals „Spielgeld“ genannt.

Die drei Koalitionsfraktionen könnten so gemeinsam noch einige Millionen aufstellen. Ob das passiert und die Abgeordneten dafür auf andere eigene Prestigeprojekte verzichten, ist allerdings unklar. Mitte Dezember wird das Budget dann endgültig beschlossen. „Bis dahin ist noch genügend Zeit, ich bin optimistisch“, sagt Becker.

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