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Das Lageso soll kein Geld für Essen ausgezahlt haben.

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Update

Kein Geld für Flüchtlinge: Czaja gibt erneute Pannen beim Lageso zu

Mehrere hundert Flüchtlinge in Berlin bekommen derzeit kein Geld, um Lebensmittel zu kaufen. Sozialsenator Czaja gibt zwar Pannen zu, sieht aber keine dramatische Situation.

Der Berliner Sozialsenator Mario Czaja (CDU) hat Probleme bei der Auszahlung von Gelder an Asylbewerber eingestanden. Dies betreffe vor allem die Flüchtlinge, die schon länger in Berlin sind. „In einigen Unterkünften gibt es Menschen, die kein Geld bekommen haben“, sagte Czaja am Dienstag. Als Grund für die Pannen nannte der Senator die erneut hohen Zahlen – bis zu 300 Asylbewerber kommen täglich in Berlin an – sowie den hohen Krankenstand im Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso).

Drei Tage und Nächte vor dem Lageso gewartet

Drei Tage und drei Nächte hat Sharfah Mohammed vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) gewartet. Vergebens. Er hat noch immer keine Kostenerstattung für seine Unterkunft, keinen Krankenschein, kein Geld für den Januar. Er hat noch nicht mal einen neuen Termin. Erst sollte er am 9. Januar kommen, dann am 11., dann am 12. – geklappt hat es nicht. Mohammed ist 20 Jahre alt, syrischer Kurde und seit einem Jahr in Deutschland. Seit acht Monaten lebt er im Wohncontainerheim Allende II in Köpenick, einer Gemeinschaftsunterkunft für 380 Flüchtlinge. Er sei nicht der einzige Bewohner, heißt es dort, der seit Wochen ohne Geld auskommen müsse: 40 bis 50 Bewohner seien in der Situation, sagt Peter Hermanns vom „Internationalen Bund“, der das Heim leitet. Die Flüchtlinge können sich kein Essen mehr kaufen, müssten hungern. Sozialsenator Mario Czaja (CDU) schließt das aus. Er habe mit den Heimleitern gesprochen, Essen habe es gegeben – auch weil die Einrichtungen intern umplanen könnten. Mohammed sagt, eine Sozialarbeiterin habe ihm etwas zu Essen gegeben. Andere Flüchtlinge leihen sich Geld. Und manchmal bringen Ehrenamtliche auch Lebensmittel. Die Sozialverwaltung, sagte Czaja, habe vergangenen Freitag aber Abschläge von je 100 Euro an 500 Flüchtlinge gezahlt.

Im Lageso wird jetzt einiges neu organisiert

Außerdem wird im Lageso erneut einiges umgestellt: Alle Akten sollen bald digitalisiert werden. Fällt ein bestimmter Sachbearbeiter aus, kann ein Kollege die Akte schneller übernehmen. Zudem gebe es nun eine Hotline für Heimleiter wie Peter Hermanns. Und nicht alles liege am Lageso, sagte Czaja, vielmehr arbeite man auch im Bund wieder langsamer. So hat das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr zu tun, seit Asylanträge auch dann einer Einzelfallprüfung unterzogen werden müssen, wenn die Antragsteller sagen, sie kämen aus Syrien. „Wer heute einen Asylantrag stellt, kommt oft erst im Mai dran.“

Die Opposition hält Czaja nicht mehr für tragbar

Bei der Opposition ist Czaja wegen des Chaos’ wieder in die Kritik geraten. Der Landesvorsitzende der Linken, Klaus Lederer, traut dem Sozialsenator nicht mehr zu, die Lage zu verbessern. „ Dass Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hier nicht die Reißleine zieht, ist nicht mehr nachvollziehbar“, sagt Lederer. Ähnlich äußert sich auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Ramona Pop: Je länger Müller Czaja gewähren lasse, desto mehr nehme er „das Verwaltungsversagen in der Flüchtlingspolitik billigend in Kauf“. Für die Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag haben Grüne und Linke eine Aktuelle Stunde beantragt.
In seiner Jahresauftaktpressekonferenz hatte der Regierende Bürgermeister vor einigen Wochen versprochen, dass die Arbeit des Lageso in diesem Jahr besser werden soll. Aber dort stehen täglich weiterhin hunderte Menschen an.Dennoch schlagen Leiter von Flüchtlingsunterkünften Alarm. Den Angaben zufolge erhalten etliche Flüchtlinge nicht die finanziellen Leistungen, die ihnen gesetzlich zustehen, da sie keine Termine beim Lageso bekämen. Sie hätten kein Geld mehr, um Lebensmittel zu kaufen.

Manche Termine gibt es erst im März

Peter Hermanns, Leiter der Gemeinschaftsunterkunft Allende II in Köpenick, sagte dem Tagesspiegel, dass er von Bewohnern weiß, die erst im März einen Termin bekommen haben, bei dem sie dann hoffentlich Geld ausgezahlt bekämen. Rund 40 bis 50 Personen der rund 380 Bewohner seien aktuell betroffen. Seit mehreren Wochen, mindestens seit Anfang Januar, habe sich die Situation verschärft. "Die Leute gehen morgens um sechs Uhr zum Lageso und kommen abends um 20 Uhr zurück ins Heim. Ohne Geld, nur mit einem neuen Termin." Sogar einem Mann, der gerade operiert wurde, sei es so ergangen, obwohl Hermanns das Lageso gebeten habe, den Mann bevorzugt zu behandeln.

In Gemeinschaftsunterkünften kochen Bewohner selbst

In den Gemeinschaftsunterkünften wird die Verpflegung nicht gestellt, die Bewohner kochen selbst. Wie behelfen sie sich ohne Geld? "Sie leihen sich bei anderen etwas, oder sie greifen auf Lebensmittelspenden zurück. Manchmal helfen Ehrenamtliche." Die Situation löse Frustation, Wut und Verzweiflung aus.

Ähnlich sieht es auch in den Heimen des AWO-Kreisverbands Berlin-Mitte aus, der insgesamt zwölf Einrichtungen unterhält. Piotr Skrzedziejewski leitet eine Erstunterbringungseinrichtung der Awo in Gatow. Rund 550 Menschen leben dort, gut die Hälfte von ihnen schon länger als drei Monate. Bei ihm sind rund 60 Flüchtlinge davon betroffen, dass sie kein Geld vom Lageso erhalten. Natürlich kümmere man sich jetzt vom Heim um die Verpflegung auch diesen Menschen, die sich eigentlich dort selber auch um ihr Essen kümmern können. Man bereite für diese das Essen weiter zu. Die Kosten müssten natürlich dann später in Rechnung gestellt und abgerechnet werden. Ob das dann auch wieder zu Problemen mit dem Lageso führen kann, weiß Skrzedziejewski nicht. "Das ist jetzt eine neue Situation, die wir so früher nicht hatten", sagt der Heimleiter. Die Bewohner seien in vielen Fällen mehrmals beim Lageso gewesen, aber das Amt habe die vereinbarten Termine nicht einhalten können. Dies schlage sich auch auf die Stimmung im Wohnheim nieder. "Da kann es in einer so großen Einrichtung schon zu Spannungen kommen", sagt Skrzedziejewski.

Betreiber spricht von humanitärer Krise

"Es handelt sich um eine humanitäre Krise, und wir müssen jetzt schnell eine Lösung finden", sagte sein Kollege Hermanns. Denkbar sei etwa, dass der Senat als Notlösung und übergangsweise den Heimbetreibern einen Pauschalbetrag überweise, den die Betreiber dann treuhänderisch an die Bewohner verteilen könnten.

In den Gemeinschaftsunterkünften wohnen in der Regel Flüchtlinge, deren Asylverfahren bereits angelaufen ist. Ihnen steht eine finanzielle Unterstützung etwa in Höhe der Hartz-IV-Sätze zu. Flüchtlinge in Notunterkünften erhalten dagegen Taschengeld, ihre Verpflegung wird gestellt. Auch bei der Auszahlung des Taschengeldes gebe es immer wieder Schwierigkeiten und Verzögerungen, berichten Betroffene.

Einige Heime haben inzwischen die Berliner Tafel um Hilfe gebeten. Aus der Senatsverwaltung für Soziales heißt es, dass intensiv an einer Verbesserung der Situation gearbeitet werde. Es habe sich ein wesentlich erhöhtes Aufkommen im Bereich der Zentralen Leistungsstelle am Lageso ergeben. Eine solche Notlage, dass sich Menschen nichts mehr zum Essen kaufen können, sei in dieser Form aber neu. Für Härtefälle habe das Lageso bereits eine Anlaufstelle eingerichtet, an die man sich wenden solle.

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