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Lampen, Löffel oder Latschen wurden im Centrum ausgiebigst begutachtet. Und dann noch eine Anprobe! Für unseren Autor der blanke Horror.

© akg-images /Sammlung Berliner Verlag Archiv

Kaufhaus auf dem Alexanderplatz in Berlin wird 50: Als Kind der DDR im Centrum-Warenhaus

Vor 50 Jahren öffnete das Kaufhaus am Alex. Es sollte DDR-Konsumträume erfüllen. Wie war es, dort einzukaufen? Unser Autor erinnert sich an seine Kindheit.

Mit dem Kaufhaus am Alex geht es mir wie mit dem U-Bahnhof Eberswalder Straße: Manchmal rutschen mir noch die alten Namen raus. „Steig mal Dimitroffstraße aus“ sage ich oder „Wir treffen uns Centrum-Warenhaus“ (in Berliner Sprach- Ökonomie selbstverständlich ohne Präposition).

Dabei heißen beide schon seit Jahrzehnten nicht mehr so!

Aber die Kindheit prägt einen dann doch stärker, als man als Erwachsener vermutet hätte. Ich befürchte deshalb auch, dass das Centrum-Warenhaus, das vor fast genau 50 Jahren öffnete, die Ursache dafür ist, dass ich bis heute ungern einkaufen gehe.

Es war der Horror, wenn mich die Eltern in Richtung Alexanderplatz schleiften. Das hieß Mitte der 1970er immer: Erst Schrankwände aus Hellerau im stickigen Möbelhaus an der Weltzeituhr beglotzen, unten nach weniger Schlechtem im „Guten Buch“ suchen, dann rüber ins Warenhaus – „mal gucken, was es so gibt“.

Dieser Satz war das Signal für eine ausgiebige Stöbertour in die Abteilungen für „Ober- und Untertrikotagen“, sprich Pullover und Wäsche. Im schlimmsten Fall musste ich auch noch etwas anprobieren! Die Eltern schleiften mich noch durch die anderen Etagen, wo sie dann seelenruhig Ausschau nach Lampen, Löffeln oder Latschen hielten. Manchmal blieben sie dabei auch vor den TV-Geräten stehen und ich sah, wie sie die Köpfe schüttelten: 4000 DDR-Mark für einen Farbfernseher war für sie Normalsterbliche eine astronomische Summe.

Wartelisten für Möbel und Fernseher

Aber auch wenn sie das Geld jemals gehabt hätten - so einfach wäre der Kauf nicht gewesen. Denn wie drüben im Möbelhaus bei den Schrankwänden musste man sich auf eine Warteliste setzen für die Geräte, die anfangs noch nicht einmal das Westfernsehen in Farbe zeigen konnten. Nicht nur die politischen System waren damals inkompatibel, sondern auch die technischen Normen beim TV-Empfang.

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Unverständlicherweise viel zu kurz fiel für mich als Kind der Besuch in der Spielzeugabteilung aus, wo eine große Modellbahnanlage stand – ein spießig-spaßiges Tannenidyll unter Plexiglas zwar, und die ausgestellten Loks gab’s auch grad nicht zu kaufen – aber ich war versöhnt.

Ja, die Lücken im Angebot: Erst später habe ich kapiert, warum für unsere Verwandten „aus der Republik“ – so nannten nicht nur meine Eltern die DDR-Provinz – das Centrum das Zentrum ihrer Besuche in Berlin war. Während die Ladenregale in Prenzlau oder Plauen leer waren, gab’s am Alex auf jeden Fall irgendwas.

Die relativ gute Versorgung wussten auch adrett Uniformierte zu schätzen: Angehörige der West-Alliierten stürmten regelmäßig die Regalfluchten, um vor dann allem Bettzeug zu erobern – warum auch immer. Es jedenfalls ein eindrucksvolles Bild, wie die Soldaten mit ihren eroberten Federbetten die Rolltreppen verstopften. Eines Tages blieben sie auf einmal weg: Als nach dem Umbruch die D-Mark kam. Und gar nicht viel später verschwand auch der Name „Centrum“.

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