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Katzen und Menschen: Die Lust an der Unterwerfung

Katzen sind die einzigen Haustiere, die es schaffen, sich den Menschen zum Diener zu machen.

Der Lieblingswitz von Katzenfreunden geht so: Treffen sich ein Hund und eine Katze. Der Hund sagt: „Sie lieben mich, sie pflegen mich, sie füttern mich. Sie müssen Götter sein.“ Sagt die Katze: „Sie lieben mich, sie pflegen mich, sie füttern mich. Ich muss ein Gott sein.“ Den Witz erzählen nur Katzenhalter. Genauso wie sie gern Kalender, Taschen, Tassen und anderen Dekokram kaufen, die mit dem Mantra der Unterwerfung des Menschen unter seine Katze verziert sind: „Hunde haben Herrchen, Katzen haben Diener“.

In Berlin dürften sie besonders viele Diener und Dienerinnen haben. Auch wenn niemand so genau weiß, wie viele Katzen in Berlin leben. Zahlen gibt es nur für ganz Deutschland: In 23 Prozent der deutschen Haushalte wohnt mindestens eine Katze. Sie sind die liebsten Haustiere der Bundesbürger. Mit 14,8 Millionen verdrängen sie die Hunde (9,4 Millionen) locker auf Platz zwei.

„In Berlin gibt es statistisch gesehen wesentlich mehr Katzen als Hunde“, sagt Burkhard Appelt, Vorsitzender des Berliner Katzenvereins Pro-Kat. Doch wie viele es genau sind, weiß auch er nicht. Eine amtliche Zählung gibt es nicht. Katzen zahlen anders als Hunde keine Steuern. Und sie brauchen auch keine Haftpflichtversicherung.

Hinzu kommt: Die meisten Tiere sieht man nicht. Sie leben ausschließlich in der Wohnung. Jene, die nach draußen dürfen, sind meist nachts unterwegs. Und auch die wild lebenden Streuner sind nahezu unsichtbar. Rund 10.00 Tiere sind es, schätzt der Tierschutzbund. Sie haben sich auf Gewerbehöfe zurückgezogen oder auf Friedhöfe, die Tiere sind scheu, tagsüber verstecken sie sich.

Die meisten Katzenhalter sind weiblich

Doch auch ohne amtliche Katzenvolkszählung ist klar: Berlin ist eine Katzenstadt. An der Spree gibt es nicht nur eins, sondern gleich zwei Katzencafés. Für die Catsitter-Vermittler von „Cat in a flat“ ist Berlin der wichtigste Markt in Deutschland. Auch beim Shoppen ist die Hauptstadt vorne. Wer auf nachhaltigen Konsum steht, kann sich etwa im Kaufhaus für Hunde und Katzen Sonnenberg eindecken – eine Art Manufactum für Tiere mit Bio-Futter, Spielzeug aus natürlichen Materialien und hochwertigen Pflegeangeboten.

Nachhaltigkeit und Bioqualität haben ihren Preis. So kostet eine Katzenbürste schon mal 26 Euro, das Tütchen mit Nassfutter 1,39 Euro. Wer will, kann seiner Katze aber auch Designermöbel aus dem KaDeWe spendieren, etwa eine Katzencouch für 900 Euro oder einen Kratzbaum für 800 Euro. Obwohl Katzen erfahrungsgemäß lieber das Bett von Herrchen und Frauchen zuhaaren.

Wobei Frauen in der Überzahl sind. Die meisten Katzenhalter sind weiblich. Angeblich, so hat der Tierpsychologe Dennis C. Turner festgestellt, haben Katzen zu Frauen ein besseres Verhältnis als zu Männern, weil Frauen mehr mit ihren Gefährten sprechen und sich auch schon mal auf den Boden setzen, um mit ihnen zu spielen. Kommunikation von oben herab mögen Katzen nämlich gar nicht.

„Man kann einer Katze nichts befehlen“, sagt Appelt, „aber man kann ihr etwas beibringen.“ Anders als der Hund behält die Katze stets einen Rest Unabhängigkeit. „Die Beziehung ist eine auf Augenhöhe, man muss sich die Freundschaft mit einer Katze erarbeiten“, sagt Deutschlands bekannteste Katzenflüsterin Birga Dexel. Kein Tier kann einen Menschen so lakonisch abservieren wie eine Katze. „Wenn wir Hunden etwas zeigen, schauen sie zu, während Katzen zum Fenster hinausschauen“, erzählte der britische Professor für Anthrozoologie, John Bradshaw, einst der „Süddeutschen Zeitung“.

Für ein kleines bisschen Liebe

Die Katze ist das einzige Tier, das es geschafft hat, sich den Menschen untertan zu machen. Katzenmenschen stehen tief in der Nacht auf, um ihren Liebling ins Haus zu lassen oder heraus. Auch mehrmals. Notfalls warten Katzenhalter auch im Morgengrauen eine Weile, bis sich die Katze entscheidet, ob sie das Haus wirklich verlassen möchte oder nicht. Sie öffnen bereitwillig ein neues Futtertütchen, wenn die Katze mit anklagendem Blick auf den Inhalt des frisch gefüllten Napfs starrt. Manchmal ist auch ausdauerndes begleitendes Streicheln nötig, damit die Katze ihr Mahl einnimmt. Und das alles für ein kleines bisschen Liebe. Dafür, dass sich der Vierbeiner entschließt, den Zweibeiner als Freund zu akzeptieren. Denn selbstverständlich ist das nicht.

Jede Katze ist eine Persönlichkeit. Katzen haben ihren eigenen Kopf, sie sind selbstständig, athletisch und anmutig. In jeder Hauskatze steckt ein kleiner Tiger. Das bekommen Vögel und Mäuse in ihrer Nähe zu spüren, aber auch Menschen, die mit blutigen Kratzern für unwillkommene Streicheleinheiten bestraft werden. „Die Katze ist das einzige vierbeinige Tier, das dem Menschen eingeredet hat, er müsse es erhalten, es brauche aber dafür nichts zu tun“, spottete einst Kurt Tucholsky. Menschen schätzen bekanntlich das besonders, für das sie sich anstrengen müssen. So wie die Liebe einer Katze.

Erste Dates in der Katzenstube

Auf Youtube sind Katzenfilme Klickmonster – aus unterschiedlichen Gründen. Katzenliebhaber schauen Filme von kleinen, süßen Kätzchen. Katzenhasser klicken Videos an, in den Katzen tollpatschig durch die Gegend torkeln oder nach verunglückten Sprüngen vor Türen knallen. Einige Katzen wie „Bob, der Streuner“ schaffen es sogar ins Kino. Katzen sind schön. Leider sind Hunde, glaubt man der Wissenschaft, intelligenter.

Die Neurobiologin Suzana Herculano-Houzel von der US-Vanderbilt University hat herausgefunden, dass Hunde in der Großhirnrinde knapp 530 Millionen Neuronen besitzen, Katzen nur 250 Millionen (der Mensch hat 16 Milliarden). Dafür sind Katzenhalter überdurchschnittlich gut gebildet. Sie haben häufiger einen Hochschulabschluss als andere Tierbesitzer. Und sie sind fasziniert von ihren Tieren.

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Die Katzenliebe der Berliner und der Berlin-Besucher ist so groß, dass sie selbst außerhalb ihrer Wohnung die Nähe zu den Vierbeinern suchen, etwa im Katzencafé. Es gibt das "Pee Pee’s" in Neukölln und das Café „Zur Mieze" in der Wilmersdorfer Straße, in dem sechs ukrainische Straßenkatzen leben. Chefin ist die promovierte Biologin Caroline Braune. Vor dreieinhalb Jahren hat sie Hamburg und der Uni den Rücken gekehrt und „das gemacht, was mich glücklich macht“, erzählt die 36-Jährige.

Caroline Braune betreibt ein Katzencafé. Mit strengen Regeln.
Caroline Braune betreibt ein Katzencafé. Mit strengen Regeln.

© Heike Jahberg

Das Geschäft läuft gut. Frischverliebte verlegen ihre Dates oft in die Katzenstube, unter den Kunden sind auch erstaunlich viele Männer. Auch Familien kommen, aber es gibt Regeln: Kinder unter zehn dürfen nicht ins Katzencafé, mehr als zwei Kinder auf einmal sind nicht erlaubt. Oberste Priorität, sagt Braune, hat der Schutz der Katzen. Wer Ali, Jewels oder Kenzo im Tiefschlaf stört, die Katzen am Schwanz zieht oder ihnen sonst wie zusetzt, wird ermahnt – egal, ob Kind oder Erwachsener. Das kommt bei den Gästen oft nicht gut an, ist aber nötig. „Die Leute lassen sich ungern etwas sagen“, berichtet Braune. Aber ihr ist das egal. „Ich sage immer, Sie können jederzeit gehen, aber die Katzen bleiben hier.“

Sechs ukrainische Straßenkatzen haben in Caroline Braunes Café ein neues Zuhause gefunden.
Sechs ukrainische Straßenkatzen haben in Caroline Braunes Café ein neues Zuhause gefunden.

© Heike Jahberg

Katzen als Herrchen, der Mensch als Diener

Auch Katzen, die nicht in Cafés leben, verlassen ihr Revier nur ungern. Das wird immer dann zum Problem, wenn die Katzenbesitzer auf Reisen gehen wollen. Katzenpensionen und -hotels bieten Quartiere für jeden Geldbeutel und Geschmack, sogar Einzelzimmer und Wellnessangebote. Doch für viele Tiere ist der Umzug auf Zeit Stress, sie bleiben lieber zu Hause. Was tun, wenn Nachbarn oder Freunde als Hüter ausfallen?

Vermittelt Katzensitter: Kathrin Burckhardt von Cat in a flat.
Vermittelt Katzensitter: Kathrin Burckhardt von Cat in a flat.

© promo

Berlin wäre nicht Berlin, wenn es nicht auch dafür eine Lösung aus dem Internet gäbe. „Cat in a flat“ bringt Katzenhalter und -sitter zusammen. Die Katzensitter kommen in die Wohnung, auf Wunsch übernachten sie auch dort. Der Dienst kostet mindestens zehn Euro am Tag, die genauen Preise legen die Sitter fest. Von denen kassiert „Cat in a flat“ eine Servicegebühr. Ein Kennenlerntreffen von Katzenhaltern, -sittern und den zu sittenden Katzen ist vor dem Auftrag obligatorisch.

Das Projekt wurde vor vier Jahren in London von den Katzenbesitzerinnen Julie Barnes und Kathrin Burckhardt ins Leben gerufen. Seit rund einem Jahr gibt es den Service auch in Berlin, inzwischen lebt Kathrin Burckhardt auch hier. „Berlin ist in Deutschland unsere Hochburg“, sagt sie. Rund die Hälfte der deutschen Umsätze kommen aus der Hauptstadt. Mehrere tausend Sitter warten in Berlin auf Aufträge von Katzenhaltern.

So auch der junge Mann aus Zehlendorf, der seine Dienste auf dem Portal anbietet. Katzen seien seine Leidenschaft, schreibt er. Seine beiden „Kampfkuschler“ würden ihn seit sieben Jahren bei sich wohnen lassen. Die Katzen als Herrchen, der Mensch als Diener - für den Sitterjob dürfte der Mann damit bestens qualifiziert sein.

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