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Die unsichere Zukunft von hunderten Wohnungen in der Karl-Marx-Allee hat in der Koalition erneut zu harten Auseinandersetzungen geführt.

© Christoph Soeder/dpa

Karl-Marx-Allee: Bezirk und Senat gehen gemeinsam gegen Deutsche Wohnen vor

Die Koalition einigt sich auf ein Konzept zum Schutz der Mieter vor einer möglichen Übernahme durch Deutsche Wohnen. Doch die Zeit drängt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der drohende Kauf von 700 Wohnungen an der Karl-Marx-Allee durch den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen wird im Senat, zwischen den Koalitionsparteien und mit dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg seit Wochen diskutiert. Jetzt bahnt sich, jedenfalls im Grundsatz, eine Lösung des Problems an. SPD, Linke und Grüne seien entschlossen, „Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung und untragbaren Mieterhöhungen zu schützen“, beschloss der Koalitionsausschuss.

Man habe sich auf ein „Rekommunalisierungsmodell“ geeinigt, hieß es nach der Sitzung am Mittwoch. Es geht um vier Wohnblöcke, attraktive Bauten im Zuckerbäckerstil der Stalin-Ära, in der manche Mieter seit Jahrzehnten wohnen. Für den Block D-Süd, der in einem Milieuschutzgebiet liegt, soll das bezirkliche Vorkaufsrecht zugunsten der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) ausgeübt werden. Allen anderen Mietern, die nicht von diesem Vorkaufsrecht profitieren, werde der Kauf der jeweils eigenen Wohnung angeboten, steht im Protokoll des Koalitionsausschusses, das dem Tagesspiegel auszugsweise vorliegt.

Die künftigen Eigentümer sollen dafür einen zinsgünstigen Kredit von der Investitionsbank Berlin erhalten. Dies hatte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) vorgeschlagen. Es soll aber auch die Möglichkeit eröffnet werden, die frisch erworbene Eigentumswohnung an die städtische WBM weiterzuveräußern. Dieses „Modell des gestreckten Verkaufs“ soll durch die Anwaltskanzlei GSK Stockmann juristisch begleitet werden. Darüber hinaus soll die Finanzverwaltung prüfen, ob sich aus früheren Grundbucheinträgen Rechte zugunsten der WBM oder der kaufenden Mieter ableiten lassen.

Landeseigener Ankaufsfonds für Immobilien wird aufgestockt

Es geht dabei um juristisch und finanziell äußerst komplizierte Transaktionen, von denen Senator Kollatz überhaupt nicht begeistert ist. Aber er macht jetzt mit. Am nächsten Dienstag will der Senat darüber beschließen. Die Zeit drängt. Wenn das Vorkaufsrecht für die Wohnungen, sei es durch den Bezirk oder die betroffenen Mieter, nicht bis zum 5. Januar wahrgenommen wird, kann die Deutsche Wohnen ihre Kaufoption einlösen.

Neben den rechtlichen Fragen müssen auch noch Wirtschaftlichkeitsberechnungen erfolgen, damit die Mittel für den direkten oder indirekten Wohnungsankauf der öffentlichen Hand aus dem Landeshaushalt freigegeben werden können. Geld ist in ausreichender Menge vorhanden. Mit dem Nachtragshaushalt für 2018/19, der am Donnerstag im Abgeordnetenhaus beschlossen wird, wird der landeseigene Ankaufsfonds für Immobilien um weitere 50 Millionen Euro auf insgesamt 150 Millionen Euro aufgestockt. Für die Wahrnehmung kommunaler Vorkaufsrechte in Milieuschutzgebieten ist aus diesem Topf bisher nur ein Bruchteil abgeflossen.

Geschenkt haben sich SPD, Linke und Grüne im Koalitionsausschuss offenbar nichts. Es habe „harte Wortgefechte und unschöne Szenen“ gegeben, berichten Teilnehmer. Die einen warfen dem örtlich zuständigen Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne), die anderen dem Finanzsenator Kollatz vor, mit eigenen Vorschlägen öffentlich vorgeprescht zu sein, ohne sich koalitionsintern abzustimmen.

Kollatz wiederum kritisierte, dass vor allem die Linken verhindern wollten, dass eine nennenswerte Zahl von Mietern in der Karl-Marx-Allee ihre eigene Wohnung kaufen – und auch behalten. Man dürfe diese Eigentumsbildung durch Mieter nicht verteufeln. Trotz der Einigung sind noch nicht alle Koalitionäre sicher, dass die gefundene Lösung praxistauglich ist. „Die Sache ist noch nicht in trockenen Tüchern“, war nach der Sitzung zu hören. Es gebe „viele Fallstricke“.

Koalitionsausschuss vertagt Debatte über Verkehrspolitik und Volksbegehren

Insgesamt war die Stimmung im Koalitionsausschuss keineswegs weihnachtlich entspannt. An diesem Donnerstag, in der letzten Parlamentssitzung dieses Jahres, muss Verkehrssenatorin Regine Günther (für Grüne) noch einen Missbilligungsantrag der CDU überstehen. In allen drei Regierungsfraktionen wurde versichert, dass Rot-Rot-Grün geschlossen gegen den Antrag stimmen werde. Obwohl der Rauswurf des kranken Verkehrs-Staatssekretärs Jens-Holger Kirchner (Grüne) durch Günther auch bei den Grünen auf großes Unverständnis stieß.

Mit Rücksicht auf die Seelenlage der Grünen vertagte der Koalitionsausschuss die geplante Debatte über verkehrspolitische Themen. Über die Probleme des öffentlichen Nahverkehrs, namentlich bei der BVG, wollen die Fachleute von SPD, Linken und Grünen in den nächsten Tagen gesondert reden. Auch andere kontroverse Themen wurden ausgeklammert. So der interne Streit um das Neutralitätsgesetz (Kopftuchverbot) und mögliche Verschärfungen des Polizeigesetzes. Vor allem bei den Linken gibt es da Bedenken, nun sollen sich die Sicherheitsexperten der Koalition bis Mitte Januar einigen.

Wenn nicht, wandert das Problem zurück in den Koalitionsausschuss. Und eigentlich wollten SPD, Linke und Grüne noch einmal über den Umgang mit laufenden Volksbegehren reden. Es geht um mehr Videoüberwachung, mehr Krankenhauspersonal und ein werbefreies Berlin. Auch das wurde auf 2019 vertagt.

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