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Unser Autor Robert Klages auf einem Spielplatz im Volkspark Friedrichshain. 

© Kitty Kleist-Heinrich

Kampf ums Klettergerüst in Berlin: Spielplätze sind nicht zum Trainieren da!

Die Sportstätten sind geschlossen, manche Erwachsene betreiben ihr Workout nun auf den Spielplätzen der Kinder. Unseren Autor ärgert das.

"Papa, da hängt ein Mann am Klettergerüst“, sagte neulich mein Sohn zu mir. Und es war nicht nur einer: An nahezu jedem Gerät auf dem Kinderspielplatz turnten Erwachsene. Rund um das Karussell hatten sich Frauen gestellt, die im Rhythmus der Musik aus einer Boom-Box auf und ab hüpften. Der Mann am Klettergerüst hatte Turnringe mitgebracht und hing kopfüber, zog sich hoch für eine straffe Bauchpartie.

Andere Erwachsene joggten um den Spielplatz. Eine junge Frau dehnte sich an der Schaukel, eine andere hatte ihre Yogamatte daneben ausgebreitet. Auf dem Kindertrampolin balancierte ein Mann mit einem Gummiband um die Oberschenkel auf einem Bein. 

Und dann war da noch ein spanischsprechender Vater, der ein kleines Fußballfeld auf der Wiese abgesteckt hatte und seine siebenjährige Tochter dazu motivierte, fester zu schießen, damit er nach dem Ball springen konnte. Er trug Torwarthandschuhe und Trikot. Da ihm seine Tochter nicht doll genug schoss, schickte er sie weg und warf sich anschließend selbst den Ball in die Luft, um diesen mit einem Strecksprung herunterzupflücken und danach auf dem Boden abzurollen.

Mein Sohn war der Meinung, es könne sich um den vierten Torwart der spanischen Nationalmannschaft handeln. Dieser freute sich dann sehr darüber, von meinem Jungen ein paar Bälle draufgezimmert zu bekommen. Dann hatte mein Sohn keine Lust mehr, den spanischen Nationaltorwart zu trainieren. Er wollte jetzt klettern. Der Mann am Klettergerüst war äußert kooperativ und sie wechselten sich ab. 

Fitnessstudios sind während der Pandemie geschlossen

Auch die anderen Erwachsenen auf dem Spielplatz ließen den Kindern den Vortritt und hielten ausreichend Abstand. Die Kinder irritierte das trotzdem. Klar, die Fitnessstudios haben während der Pandemie geschlossen. Mal rauskommen ist gut, anstatt Homeworkout nach dem Homeoffice. Aber muss man unbedingt auf einem Kinderspielplatz workouten?

Manche Geräte eignen sich sicherlich super für diverse Übungen, aber es gibt doch auch Parks und Hinterhöfe, teilweise sogar ausgestattet mit Joggingstrecken und Geräten. Allem voran sollten wir auch darauf achten, dass Coronavirus nicht zu verbreiten. Wir können nicht alle um ein Klettergerüst stehen. 

Auf den Bolzplätzen sieht es kaum anders aus: Oftmals, wenn mein Sohn und ich kicken wollen, ist da eine halbe Fußballmannschaft. Sie machen Spiele auf beide Tore, fünf gegen fünf. Erwachsene Männer in Trainingsanzügen und mit Schweißbändern auf einem Bolzplatz für unter 16-Jährige. Wenn sie fertig sind, trinken sie noch Bier.

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Ich gehöre nicht zu denjenigen, die Leute wegscheuchen oder das Ordnungsamt rufen – und wenn wir fragen, machen sie uns Platz zum Kicken. Aber erst, wenn ein Erwachsener fragt, Kinder trauen sich das nicht unbedingt oder sehen, dass der Platz belegt ist und gehen weiter. Leider gibt es sehr wenige öffentliche Bolzplätze in Berlin – ebenso wenig wie Sportmöglichkeiten für Erwachsene im öffentlichen Raum.

Kein Sportplatz für Erwachsene: Ein Klettergerüst mit Kindern, vor der Coronapandemie. 
Kein Sportplatz für Erwachsene: Ein Klettergerüst mit Kindern, vor der Coronapandemie. 

© Thilo Rückeis

Im Volkspark Friedrichshain findet sich immerhin ein Trimm-Dich-Pfad und eine Laufstrecke. Zudem hat ein großer Sportbekleidungshersteller einen „Playground“ aufgestellt. Stangen in allen Höhen laden zum Workout ein, und nur selten kommen Kinder auf die Idee, hier zu klettern.

Solche Fitnessangebote für draußen gibt es zu wenige in Berlin. Und wer nicht nur kicken, sondern Basketball oder andere Sportarten ausüben möchte, der sucht in manchen Kiezen vergebens und ist auf private Angebote angewiesen.

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Die Workouter auf den Spielplätzen sind immer sehr nett, aber Kinder brauchen ihre Plätze und sollten diese auch nicht mit Erwachsenen teilen müssen. Und es sollte nicht so sein, dass die Erwachsenen die Kinder „gerne mitspielen lassen“, sondern andersherum. Weil es ihr Spielplatz und ihr Bolzplatz ist. Zudem ist hier immer noch ein Virus, wir erzählen den Kindern ständig, dass sich keine Gruppen bilden dürfen – von daher ist das mit dem Mitspielen derzeit ohnehin so eine Sache.

„Können Sie bitte woanders kicken?“

Ich kann mich an eine andere Zeit der Pandemie erinnern, als die Bolz- und Spielplätze Anfang 2020 abgesperrt waren. Mein Sohn und ich suchten uns andere Orte zum Kicken. Nachdem wir hier und dort weggescheucht wurden („Hier ist Ballspielen nicht erlaubt.“, „Können Sie bitte woanders kicken.“, „Hier nicht!“, „Das hier ist ein Parkplatz!“) haben wir gegen einen Stein auf dem ehemaligen Lenin-Platz in Friedrichshain gebolzt, dem heutigen Platz der Vereinten Nationen.

Dort, wo einst die Leninstatue stand, ist eine Ansammlung von Findlingen – und der große rote Stein aus der Ukraine war unser Tor. Wir werden immer einen Ort zum Spielen finden.

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