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Senatssprecherin Claudia Sünder kämpft vor Gericht um ihren Ruf.

© Paul Zinken/dpa

Kampf um den Lebenslauf: Die Senatssprecherin und ein Pamphlet

Der Fall Claudia Sünder oder die Schwierigkeit, sich gegen dreiste Nachrede zu wehren. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Moderne Henker kommen ohne Strick und Fallbeil aus, sie benötigen lediglich einen Internetanschluss. Wer sich berufen fühlt, andere Menschen durch den Dreck zu ziehen, aus welchem Grund auch immer, kann dies im Rahmen des Rechtsstaats weitgehend ungestraft tun. Inquisitorische Blogger und Twitterkönige nutzen dabei jenen Graubereich, in dem berechtigte Kritik und freie Meinungsäußerung in Beleidigung, Verhöhnung und Rufmord übergehen. Wer dem zum Opfer fällt, hat es oft schwer, sich zu wehren. So geht es derzeit auch der Berliner Senatssprecherin Claudia Sünder, über deren bunten, wenig geradlinigen Lebenslauf ein gewisser Hans-Joachim Lehmann mithilfe von Google ein 79-seitiges Pamphlet zusammenstellte. Der Mediziner und Buchautor hatte sich nach eigenen Angaben geärgert, von der Senatskanzlei abgemahnt zu werden, weil er auf der eigenen Webseite ungenehmigt einen amtlichen Stadtplan übernommen hatte - darauf nahm er sich das Leben der Senatssprecherin vor.

Frei nach dem Motto: Irgendetwas bleibt immer hängen

Es geht in dem Machwerk um so nebensächliche Themen wie: die Länge des Fernstudiums der Frau Sünder, ihre Fremdsprachenkenntnisse und ihre Rolle in einer Immobilienfirma im mecklenburgischen Boltenhagen. Und weil die Senatssprecherin DDR-Bürgerin war, wurde natürlich auch ihre FDJ-Mitgliedschaft erwähnt und der schlecht verschleierte Versuch unternommen, ihr Stasi-Kontakte unterzuschieben, weil sie als 19-Jährige nach Abschluss der Schule und kurz vor dem Mauerfall beim „Pressedienst Berlin“ als Redakteurin arbeitete. Das war ein Dienst, der die Bezirksausgaben der National-Zeitung mit Artikeln aus dem Bereich Wissenschaft und Kultur, Familie und Freizeit bediente. Dazu gehörten auch die Brandenburgischen Neuesten Nachrichten (BNN). Dieses Blatt zu abonnieren sei zu DDR-Zeiten ein kleines Bekenntnis gegen die SED gewesen, urteilte Frank Bösch, Chef des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Aus den BNN sind nach der Wende übrigens die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) geworden, sie sind die kleine Schwester des Tagesspiegel. Trotzdem: Irgendetwas bleibt immer hängen. Das ist in solchen Fällen die Strategie. Vor Gericht hat die Senatssprecherin einen großen Teil der Anwürfe abschmettern können. Sie war dazu gezwungen, es geht um ihr Amt und um den guten Ruf. Andere Bezichtigungen bleiben vorerst unbeanstandet. Gerichte prüfen nun mal nicht, ob eine Meinung richtig oder falsch ist, solange sie nicht mit dem Strafrecht kollidiert. Das gehört zum demokratischen Rechtsstaat, erleichtert aber auch den schamlosen Missbrauch des gut geschützten freien Wortes.

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