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Hoffest in der Alten Schönhauser Straße 26 am Montag, 21. Juni 2021.

© privat

Kampf um das Vorkaufsrecht: „Wir sind das Milieu und wir fordern echten Milieuschutz”

Die Alte Schönhauser Straße 26 soll an einen privaten Investor verkauft werden. Die Mieter fürchten die Kündigung. Viele wohnen schon mehrere Jahrzehnte in dem Haus.

Die letzten Überbleibsel sind zusammengekehrt, nur die Plakate hängen noch: „Wenn Milieuschutz nicht nur eine Phrase wäre, müssten wir uns nicht so aus dem Fenster lehnen”, steht auf einem Banner, das an der Fassade baumelt. Mara Beckererinnert sich gerne an gestern.

Sie hat die Party genossen. „Als die letzte Band spielte, kamen auch noch die Jugendlichen vom nahegelegenen Sportplatz dazu”, erzählt sie und lacht dabei sehr herzlich. Der laue Sommerabend, das warme Licht und die Solidaritätsbekundungen haben ihr gutgetan.

Mara Becker kam 1988 aus der Prignitz nach Berlin, da war sie 16 Jahre alt. Sie machte eine Lehre zur Konditorin und zog bei ihrer Schwester in der Alten Schönhauser Straße 26 nahe dem Hackeschen Markt ein, in den Seitenflügel. Fast alle anderen Wohnungen standen leer, das Gebäude sollte abgerissen werden.

Nach dem Fall der Mauer, keine zwei Kilometer von ihrer Haustür entfernt, kamen die Studenten, erzählt sie und lacht wieder. „Die sind dann einfach eingezogen und ich dann einfach mit.” Becker verließ die 1,5-Zimmer-Wohnung der Schwester und nahm sich eine eigene im Hinterhaus. Sie hängte ein Schloss an die Tür, baute eine Dusche ein und flieste das Bad. Sie zahlte einen monatlichen Symbolbetrag an die städtische Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM). Mietverträge gab es nicht.

Das Vorderhaus wurde bereits 2008 verkauft

Im Sommer 1991 sollte sich das ändern. Den Anwohner:innen der Alten Schönhauser Straße 26 wurden Verträge ausgehändigt, die WBM war künftig offiziell für sie zuständig. 1996 wurde das Haus saniert und währenddessen an die ehemaligen Eigentümer rückübertragen – wie so viele auf dem Gebiet der früheren DDR.

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Die bestehenden Verträge mit der WBM wurden aber übernommen. Becker wechselte wieder die Wohnung und zog ins Gartenhaus. Die Mietpreisbindung bestand bis 2016. Solange zahlte sie 260 Euro warm für ihre 50-Quadratmeter-Wohnung. Das Vorderhaus verkauften die Eigentümer bereits 2008 an einen privaten Immobilien-Investor.

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Die Mieter:innen berichteten daraufhin von Schikanen: Kleinere Reparaturen seien ignoriert worden, größere Reparaturen an der Heizungsanlage über ein Jahr verschleppt. Die Miete wurde dennoch konsequent erhöht. Die Anwohner:innen fürchten Kündigungen.

SPD, Linkspartei und Grüne im Bezirk haben Unterstützung zugesichert

Selbiger Investor will jetzt auch die hinteren Gebäude kaufen. Die Hausgemeinschaft wehrt sich dagegen. Das Haus liegt im Milieuschutzgebiet, die Mieter:innen sagen, sie selber seien das Milieu und müssten daher geschützt werden. Sie fordern den Bezirk dazu auf, das Vorkaufsrecht auszuüben. Die Party im Hinterhof war eine von vielen Veranstaltungen in den vergangenen Wochen, um auf ihre missliche Lage aufmerksam zu machen.

Das Engagement zeigt langsam Wirkung: SPD, Linkspartei und Grüne im Bezirk haben Unterstützung zugesichert. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) hat am vergangenen Donnerstag beschlossen, dass das Bezirksamt das Vorkaufsrecht prüfen und mit hoher Priorität vorantreiben solle.

Um die Chancen zu erhöhen, werden neben den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften auch Genossenschaften eingeschaltet, die das Haus übernehmen könnten, wenn der Bezirks das Vorkaufsrecht ausübt. Der Senatsverwaltung für Finanzen, die allem zustimmen muss, solle zudem die die besondere Dringlichkeit verdeutlicht werden.

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