„Kadterschmiede“ scheitert mit Beschwerde: Autonomenkneipe in Rigaer 94 droht nun doch Räumungsprozess
Das Landgericht bezweifelt, dass die Kadterschmiede rechtens genutzt wird. Die Autonomen hielten die Richter deshalb für befangen. Ihre Beschwerde scheiterte.
Das Landgericht Berlin kann jetzt über die vor mehr als einem Jahr eingereichte Räumungsklage gegen die illegal betriebene Kneipe „Kadterschmiede“ im teilbesetzten Haus in der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain verhandeln.
Das Kammergericht hat am Montag eine Beschwerde der Autonomenanwälte zurückgewiesen – und damit eine Entscheidung des Landgerichts zu einem Befangenheitsantrag bestätigt. Das sagte ein Gerichtssprecher dem Tagesspiegel.
Im April war ein Verhandlungstermin am Landgericht geplatzt. Die Anwälte des Vereins Kadterschmiede hatten einen Befangenheitsantrag gegen die drei Richter der zuständigen Kammer gestellt. Das Landgericht hatte den Antrag dann im Mai zurückgewiesen.
Dagegen hatten die Autonomenanwälte wiederum Beschwerde eingelegt. Und die wurde nun – fünf Monate nach dem ursprünglichen Prozesstermin – vom Kammergericht zurückgewiesen. Damit kann das Landgericht die Räumungsklage gegen die Kadterschmiede verhandeln.
Sollte das Landgericht die Räumungsklage bestätigen, bliebe den Besetzern noch der Gang in die nächste Instanz. Die Rigaer 94 gilt als Hotspot und Rückzugsort militanter Linksextremisten weit über Berlin hinaus, aus dem Haus heraus werden schwere Straftaten verübt. Erst am Freitagvormittag ist direkt neben dem Haus ein Sperrmüll in Brand gesetzt worden, drei Autos sind laut Polizei durch die Flammen beschädigt worden.
Jeden Zutritt der Polizei werten die Autonomen als Angriff und reagieren oft mit schwerer Gewalt, Brandanschlägen auf Autos und Büros von Immobilienfirmen. Die Rigaer 94 ist im Kiez eines der letzten verbliebenen teilbesetzten Häuser, daher hat es eine besondere Symbolkraft. Hätte die Räumungsklage Erfolg, wäre das der Anfang vom Ende für die Rigaer 94.
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Auch der noch amtierende Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat sich zuletzt für eine Räumung des Hauses ausgesprochen – und setzt dabei auf den Eigentümer. „Wenn er das Haus räumen lassen will, was ich unterstütze, muss er dies vor Gericht durchbringen. Hat er einen entsprechenden Räumungstitel, wird die Polizei in Amtshilfe tätig“, sagte Geisel im Juni. Das Problem sei „nur rechtsstaatlich zu lösen“.
Die Anwälte des Vereins hatte ihren Befangenheitsantrag unter anderem damit begründet, dass die Kammer am Landgericht nach Rücksprache mit dem Landeskriminalamt (LKA) strenge Sicherheitsvorkehrungen wegen zu befürchtender Aktionen von Autonomen angeordnet haben. Der Zivilprozess sollte in einen Hochsicherheitsaal des Kriminalgerichts verlegt werden, die Richter ordneten strenge Kontrollen an – bis hin zu Schuhen.
Die Räumungsklage des Hauseigentümers gegen die illegal betriebene Kneipe im Seitenflügel des Gebäudekomplexes in der Rigaer Straße 94 läuft schon länger. Für die Kneipe gibt es keinen Mietvertrag und auch keine Betriebserlaubnis.
Verein kann nicht beweisen, dass er die Kneipe zu Recht besitzt
Die Autonomenanwälte hatten sich auch daran gestört, dass nicht ein Einzelrichter, sondern eine ganze Kammer die Klage verhandeln will. Ferner störte die Vertreter der Kadterschmiede, dass das Gericht allen Parteien rechtliche Hinweise gab, wie es die Dinge in dem Fall vorläufig rechtlich sieht.
Das Gericht wies den Kadterschmiede-Verein darauf hin, dass dieser bislang nicht ausreichend bewiesen habe, dass er die Kneipenräume zu Recht besitzt und nutzt. Und das Gericht geht davon aus, dass der Anwalt der britischen Eigentümergesellschaft die Vollmacht hat, den Prozess zu führen.
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In früheren Verfahren zur Kadterschmiede und zur Rigaer 94 waren die Besitzverhältnisse nicht ausreichend geklärt. Das ist nun anders, vor mehreren Gerichten sind die Anwälte als vertretungsberechtigt anerkannt worden, sodass die Chancen für einen Erfolg der Räumungsklage gestiegen sind.
Ein Berliner Unternehmer verbirgt sich aus Sorge vor Attacken von Linksextremisten hinter dem britischen Firmenkonstrukt. Weil die Gerichte die Anwälte der Firma nun anerkennen, geht der Eigentümer jetzt auch gegen mehrere andere Bewohner des Hauses mit Räumungsklagen vor. Nach Tagesspiegel-Informationen sind den Anwälten mehrerer Mieter, die gar nicht mehr in dem Haus leben und teils in anderen Bundesländern gemeldet sind, Kündigungen zugestellt worden.
[Tür-Klau im Berliner Besetzerkiez? Das Geheimnis um die Haustür in der Rigaer Straße 94 – weiterlesen bei Tagesspiegel Plus]
Zugleich läuft beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg weiterhin das Verfahren zum Brandschutz in dem Haus. Im Dezember 2020 hatte das Bezirksamt den Eigentümer aufgefordert, Brandschutzmängel zu erfassen und diese zu beheben. Zuvor hatte sich Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) über Jahre energisch dagegen gewehrt, gegen Brandschutzmängel vorzugehen.
Der Eigentümer hatte eine Begehung des Gebäudes und den dafür nötigen Polizeischutz erst gerichtlich durchsetzen müssen. Nun muss sich der Eigentümer mit dem Bezirksamt weiter streiten, wie die vom Gutachter bei der Begehung festgestellten Mängel beseitigt werden. Dabei geht es etwa um den Rettungsweg im hinteren Teil des Gebäudekomplexes – im Notfall also um Leib und Leben.
Die Brandschutzaffäre in der Rigaer 94 im Überblick
- Seit Februar 2016 wusste die Spitze des Bezirksamts von den Brandschutzproblemen.
- Innensenator Geisel prüfte seit März 2020, ob das Bezirksamt seiner Pflicht zur Gefahrenabwehr nachgekommen ist.
- Die ganze Story: Chronik eines Rechtsbruchs – so schützte Florian Schmidt die Autonomen in der Rigaer 94.
- Die Justiz bringt die Wende – Gerichte erkennen den Eigentümer an.
- Weil Stadtrat Schmidt trickste: Polizeieinsatz in Rigaer 94 verschoben – das kostet mehrere Hunderttausend Euro.
- „Friedrichshain-Kreuzberg erinnert an Bananenrepublik“: Innenstaatssekretär wirft Baustadtrat Rechtsverstöße vor.
- Gewalt und Eskalation: Wie konnte es dazu kommen? Die Geschichte eines Endlos-Konflikts in Berlin.
- Für neun Wohnungen ist der Rettungsweg abgeschnitten: Gutachter moniert Brandschutz, der Bezirk bremst.
Vor der Begehung im Juni war die Polizei zunächst von einem Mob überrascht und massiv angegriffen worden. Die Beamten wurden von Hausdächern mit einem Steinhagel belegt. Die Autonomen errichteten Barrikaden und setzten diese in Brand. Im Haus selbst leisteten die Bewohner massive Gegenwehr. 80 Polizisten sind bei dem Einsatz verletzt worden.
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Die Polizei wollte bei dem Einsatz im Haus auch die Personalien der Angreifer und einiger Bewohner prüfen. Denn die Anwälte des Eigentümers hatten der Polizei auch eine Liste aller illegal bewohnter Wohnungen überreicht und beantragt, die Personalien feststellen zu lassen.
Doch auf Weisung der Staatsanwaltschaft musste die Polizei darauf verzichten, im Haus die Personalien der Angreifer und auch einiger Bewohner festzustellen. Das sei durch den Gerichtsbeschluss für die Brandschutzbegehung nicht gedeckt gewesen, hieß es auch von der Polizeiführung. Die Polizei habe sich nicht einmal getraut, „im Haus nach dem Ausweis zu fragen“, beklagt ein Eigentümeranwalt. „Unterwürfiger als dieser Staat kann man nicht handeln.“
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