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Spielfreudig. Stefan Martin Müller, Jana Kozewa und Frank Voigtmann.

© Chris Gonz

Kabarett an der Friedrichstraße: „Distel“ zeigt neues Programm

Politisches Kabarett in Hochform: das neue Programm „Skandal im Spreebezirk“ in der Distel.

In einer Zeit, in der Populisten auf der Bühne der Weltpolitik verrückt spielen, in mehreren Staaten Europas rechtspopulistische Parteien Mit- und Nachläufer in großer Zahl finden und in denen in der Innenpolitik erbittert gestritten wird, müsste das politische Kabarett als Stelle der Konfliktaufarbeitung Hochkonjunktur haben. Eigentlich. Aber die kleinen Bühnen müssen um ihr Publikum kämpfen. Kabarett ist nämlich anstrengend. Man/frau muss schon ein bisschen Ahnung von der Politik und den gesellschaftlichen Gegebenheiten haben und nicht nur in seiner Blase hohl drehen.

Wer diese Voraussetzung mitbringt, sollte sich einen Abend für das neue Programm der „Distel“ in der Friedrichstraße reservieren. „Skandal im Spreebezirk, Lach- und Machtgeschichten zur Lage der Nation“ lohnt. Wer kommt, wird zwei Stunden großen komödiantischen Witzes, glänzender Schauspielkunst und perfekter Musik dazu erleben. Robert Schmiedel und Frank Voigtmann haben das Buch geschrieben, Voigtmann führt auch Regie und ist einer der drei Darsteller auf der Bühne, Jana Kozewa und Stefan Martin Müller sind die anderen. Nicht zu vergessen Matthias Felix Lauschus, Tom Auffahrt, Fred Symann und Guido Raschke, die in wechselnder Besetzung für die Musik zuständig sind, aber alle ebenfalls Talent zur kleinen Rampensau habe.

Worum geht es, im Stil der 20er Jahre? Da werden nicht einzelne Nummern aneinandergereiht, sondern es gibt einen verbindenden Gedanken: dass man nicht mehr alles sagen darf, weil alles falsch verstanden werden kann. Besonders schön deutlich wird das, wenn Müller jenes stille Gedicht von Eugen Gomringer zitiert, das von der Wand der Alice-Salomon-Hochschule verschwinden musste, weil überkorrekte Zeitgenossen Anstößiges entdeckten.

Exemplarisch auch, dass ein Musiker nicht sagen darf, dass ihm seine Trommelstöcke bei einem Konzert in Frankfurt an der Oder gestohlen wurden – denn das impliziert ja, weil dieses Frankfurt an der polnischen Grenze liegt, dass er damit polnische Bürger verdächtigt – kaum gestohlen, schon in Polen, sozusagen, kapiert?

Mitreißender Spielwitz

Mehr Beispiele? Gerne: Die einen Deutschen fürchten sich vor den Fremden, die anderen Deutschen fürchten sich vor den Deutschen, die sich vor den Fremden fürchten. Oder so: Die Schweiz und Monaco haben wenigstens noch ein Herz für Flüchtlinge, die verfolgt werden von den Finanzbehörden.

Der Spielwitz des Trios ist mitreißend, dass sie sich bei ihrem Sprachtempo nicht verhaspeln, kommt einem Wunder gleich. Die Grenzen zwischen Blödelei und Philosophie sind fließend, im Leben sowieso, aber hier auch auf der Bühne. Das Programm ist, da muss man sicherheitshalber warnen, politisch nicht immer korrekt. Aber wann ist Kabarett das schon?

Weitere Vorstellungen: 21. bis 25. Oktober, jeweils 20 Uhr.

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