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Jüdische Ziele ausgespäht: Teheran sucht wohl Anschlagsziele für den Tag X

Syed M. soll im Auftrag des Iran spioniert haben. Vor Gericht hat der Student Angst, sich zu äußern.

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Der junge Pakistaner mit dem vollen schwarzen Haar wirkt nervös. Haider Syed M. blickt unruhig zum Richter und dann wieder zu seinem Dolmetscher. Kurz bestätigt der Student am Mittwoch im Berliner Kammergericht seine in der Anklage genannten Personalien, doch ihn stört ein wichtiges Detail. Haider sei sein Vorname, nicht sein Familienname, sagt der 31-Jährige. Dann hört er dem Vertreter der Bundesanwaltschaft zu, der massive Vorwürfe verliest. Der im Juli 2016 in Bremen festgenommene Haider Syed M., so erscheint es schon zu Beginn seines Prozesses, könnte noch viel Zeit in Haft verbringen. Wegen Spionage für den Iran, in Berlin und Paris.

Detailliert schildert Oberstaatsanwalt Michael Greven, wie der Angeklagte im Jahr 2015 den SPD-Politiker und Ex-Wehrbeauftragten des Bundestages, Reinhold Robbe, sowie einen französischen Wirtschaftsprofessor ausgeforscht haben soll. Im Auftrag der „Quds-Einheit“ der iranischen Revolutionsgarden, der Elitetruppe des Mullah-Regimes. Quds ist der arabische Name für Jerusalem, das nach Ansicht von Regime und Revolutionsgarden dem verhassten Israel entrissen werden muss.

Zahlreiche Videos und Fotos angefertigt

Robbe geriet mutmaßlich in den Fokus der Iraner, da er 2015 Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft war. Bei dem Wissenschaftler der „Ecole Supérieure de Commerce de Paris“ reichte es offenbar, dass er auch israelischer Staatsbürger ist. Es sei davon auszugehen, sagt Greven, „dass sämtliche Aufklärungsaktivitäten“ des Angeklagten für die Quds-Kräfte darauf ausgerichtet waren, Ziele für mögliche Anschläge in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern Westeuropas zu begehen.

Haider Syed M. soll in Berlin und Paris zahlreiche Fotos und Videos angefertigt haben. Greven erwähnt unter anderem Lichtbilder von der Bundesgeschäftsstelle der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, dem Willy-Brandt-Haus (Bundeszentrale der SPD) und dem Gebäude, in dem die Zeitung „Jüdische Allgemeine“ ihren Sitz hat. Laut Anklage erstellte M. dann Power-Point-Präsentationen zu Robbe und dem Professor. Das Material ging an die Quds-Einheit. Für seine Agententätigkeit soll der Pakistaner insgesamt 2052 Euro bekommen haben.

Offenbar sucht das Regime in Teheran Anschlagsziele für den Tag X

Das Bundesamt für Verfassungsschutz kam jedoch dem Mann auf die Spur. Ein Beamter sagt als Zeuge, eine so tief gehende Ausforschung wie bei Robbe und dessen privaten Lebensumständen „ist mir in dieser Intensität noch nicht vorgekommen“. Haider Syed M. soll allein zu Robbe und dessen Umfeld elf Power-Point-Präsentationen mit 950 Folien erstellt haben. Allerdings sah der Verfassungsschutz keine unmittelbare Gefahr für den SPD-Politiker. Die Spionage-Aktivitäten seien „vorbereitende Maßnahmen“ gewesen – für den Fall, dass es im schwierigen Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen zu einer Eskalation kommt. Das Regime suchte offenbar Anschlagsziele für den Tag X.

Was damit gemeint sein könnte, erschließt sich beim Blick auf den langjährigen Streit um das iranische Atomprogramm. Die Mullahs erwarteten einen israelischen Luftangriff gegen ihre Nuklearanlagen. Der Iran einigte sich dann aber im Juli 2015 mit Deutschland, den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates (USA, Großbritannien, Frankreich, Russland, China) sowie der EU auf ein Nuklearabkommen. Dennoch soll M. von August bis Oktober 2015 mit der Ausforschung Robbes befasst gewesen sein. Kurz zuvor hatte der Pakistaner laut Anklage in Paris spioniert.

Ein Freispruch für Haider Syed M. erscheint angesichts der Indizien undenkbar. Der Vorsitzende Richter sagt, im Falle eines umfassenden Geständnisses sei von drei bis dreieinhalb Jahren Haft auszugehen. Ein Verteidiger hat indes schon signalisiert, sein Mandant habe Angst, sich zu äußern.

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