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In eine israelische Fahne eingewickelt demonstriert ein Mann im Juli in Bonn gegen Antisemitismus.

© Federico Gambarini/dpa

Exklusiv

Judenhass in Deutschland: Jede fünfte antisemitische Straftat geschieht in Berlin

Eine Statistik zu antisemitischen Delikten in Deutschland wirft kein gutes Licht auf die deutsche Hauptstadt. Allein im ersten Halbjahr 2018 meldete die Polizei 80 Straftaten in Berlin.

Von Frank Jansen

Antisemitische Kriminalität belastet Berlin so stark wie kein anderes Bundesland. Die Polizei meldete nach Informationen des Tagesspiegels für das erste Halbjahr aufgrund vorläufiger Erkenntnisse bereits 80 Straftaten von Judenhassern. Das sind fast doppelt soviele wie in Bayern, das mit 43 antisemitischen Delikten in der bundesweiten Bilanz auf Platz zwei steht. Vier der 80 Straftaten waren Gewaltdelikte.

Die Zahlen stehen in Antworten der Bundesregierung zu antisemitischen Straftaten auf quartalsweise Anfragen in Deutschland von Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und ihrer Linksfraktion. Die von einem Staatssekretär des Innenministeriums unterzeichneten Angaben zu „Politisch motivierter Kriminalität mit antisemitischem Hintergrund“ liegen dem Tagesspiegel vor.

Die Berliner Zahlen gingen im zweiten Quartal in die Höhe. Von Januar bis März stellte die Polizei in der Stadt 26 judenfeindliche Delikte fest, von April bis Juni waren es dann sogar 54, darunter die vier Gewalttaten. Die meisten Delikte, insgesamt 62, begingen nach Erkenntnissen der Polizei rechte Antisemiten. Bei acht Delikten wurden Tatverdächtige mit „ausländischer Ideologie“ ermittelt. Gemeint sind damit beispielsweise Migranten, die in Berlin aus Hass auf Israel Juden attackieren oder Personen, die sie für Juden halten.

Zahl der Straftaten könnte durch Nachmeldungen noch steigen

Die Regierung beschreibt in ihren Antworten keine der aufgelisteten Straftaten, aber vermutlich wird in die Rubrik der aufsehenerregende Fall vom April im Stadtteil Prenzlauer Berg eingeordnet, wo ein Syrer mit seinem Gürtel einen Israeli schlug, der eine Kippa trug.

Bei drei weiteren Delikten geht die Polizei von Personen mit „religiöser Ideologie“ aus, das sind in der Regel Islamisten. Ebenfalls drei Straftaten werden als links motiviert bezeichnet. Vier Straftaten konnte die Polizei keinem ideologischen Milieu zuordnen. Ermittelt wurden insgesamt 23 Tatverdächtige.

Die Gesamtzahl der antijüdischen Delikte wird sich wahrscheinlich in Berlin und den anderen Ländern noch erhöhen, da die Polizei erfahrungsgemäß viele Verbrechen noch nachmeldet. Im ersten Halbjahr 2017 hatte die Polizei für Berlin nach vorläufigen Zahlen 67 antisemitische Straftaten registriert, im zweiten Halbjahr 48. Mit allen Nachmeldungen erhöhte sich die Gesamtzahl für 2017 dann jedoch auf 288 antisemitische Straftaten.

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In Deutschland insgesamt stellte die Polizei in diesem Jahr von Januar bis Juni 401 antisemitische Straftaten fest, darunter zwölf Gewaltdelikte. Fünf Menschen erlitten Verletzungen. In der Statistik dominieren auch deutschlandweit die Straftaten rechter Judenfeinde: Genannt werden 349 Delikte von Neonazis und anderen Rechten.

Bundestagsvizepräsidentin Pau fragt die Regierung auch monatlich nach rechter Kriminalität über den Antisemitismus hinaus. Bis einschließlich Juni ergibt sich aus den Antworten eine Summe von bundesweit 7693 rechts motivierten Delikten, mit 374 Gewalttaten. Dabei wurden mindestens 201 Menschen verletzt. In den Zahlen zu den Delikten sind bereits Nachmeldungen der Polizei enthalten, dennoch dürften Ergänzungen folgen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warnte am Dienstag vor „bürgerwehrähnlichen Patrouille-Aktionen“ von Rechtsextremisten. Die Szene mache sich zunutze, dass tatsächliche oder behauptete Straftaten von Migranten, insbesondere Übergriffe auf Frauen, Ängste in der Bevölkerung hervorrufen, sagte er bei der Vorstellung des Berichts des bayerischen Verfassungsschutzes zum ersten Halbjahr. So patrouillierten Neonazis der Kleinpartei „Der III. Weg“ in München am Hauptbahnhof und liefen auch durch das Bahnhofsviertel, in dem sich viele meist jüngere Migranten aufhalten.

Ebenfalls in München sowie auch in Würzburg, Augsburg und weiteren Städten streiften bayerische Mitglieder der internationalen rechtsextremen Gruppierung „Soldiers of Odin“ bei so genannten „Spaziergängen“ durch die Straßen. Das staatliche Gewaltmonopol werde durch solche Bürgerwehren in Frage gestellt, heißt es im Halbjahresbericht des bayerischen Verfassungsschutzes.

Die Zahl der rechtsextremen Straftaten in Bayern sinkt jedoch. Von Januar bis Juni zählte die Polizei 577 Delikte, im ersten Halbjahr 2017 waren es 675. Bei den in den Gesamtzahlen enthaltenen Gewalttaten gab es einen Rückgang um 62 Prozent von 39 auf 15. Auch bei linksextremen Delikten sei ein Rückgang zu verzeichnen, sagte Herrmann. Diese Entwicklung weiche vom Bundestrend ab.

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