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Die Junge Union ist mit dem Wahlergebnis unzufrieden.

© dpa

JU-Chef zum CDU Wahlergebnis: "Die Lage der Berliner CDU ist schwierig, aber nicht aussichtslos" 

Was wurde falsch gemacht und wie muss die CDU mit dem historisch schlechten Wahlergebnis umgehen? Vorschläge vom Vorsitzenden der Jungen Union.

Der 18. September 2016 war ein schwarzer Tag für die Berliner CDU. 17,6% - noch nicht einmal mehr ein Fünftel derer, die zur Wahl gegangen sind, waren der Ansicht, dass die CDU die richtigen Antworten auf die so vielen und so schwierigen Fragen dieser Stadt hat. Nach vielen Wochen Wahlkampf ist das niederschmetternd.

Getroffen hat es insbesondere auch viele junge Kandidatinnen und Kandidaten, die hoch engagiert Wahlkampf gemacht hatten und deren Erfolg so wichtig für die Zukunft unserer Partei gewesen wäre. Von insgesamt 18 Wahlkreiskandidaten aus den Reihen der Jungen Union ist nur einer direkt gewählt worden.

Kaum jemand traut der CDU zu die großen Probleme zu lösen

Der Grund für das schlechteste CDU-Ergebnis in Berlin aller Zeiten schien schnell gefunden: Unter den Funktionären war (und ist) die Ansicht weit verbreitet, dass man bei diesem schlechten Bundestrend im Grunde gar nicht besser habe abschneiden können. Die Flüchtlingspolitik, das Erstarken der AfD – was sollte man machen?

Ganz sicher ist eines: die alleinige Ursache für unser katastrophales Ergebnis war dies alles nicht. Dafür sprechen schon die Erfahrungen, die man als Wahlkämpfer auf den Straßen in den Wochen vor der Wahl gemacht hat. Die Kritik der Menschen an der Politik und dem Auftreten der Berliner CDU schlug einem hart entgegen. Kaum jemand traute und traut der CDU zu, die unübersehbar großen Probleme unserer Stadt zu lösen, ja überhaupt anzugehen. Die CDU und Berlin – das passt für die allermeisten Berlinerinnen und Berliner nicht (mehr) zusammen.

In Berlin funktionieren grundlegende Angelegenheiten schlecht oder gar nicht

Seit dem Wahlsonntag hört man in unserer Partei nun ständig den Erklärungsversuch, es sei nicht gelungen, die Erfolge der CDU der vergangenen fünf Jahre den Wählerinnen und Wählern richtig zu vermitteln. Man sollte sich doch aber viel eher die Frage stellen, ob es nicht einfach viel zu wenige Erfolge gegeben hat! Ohne Zweifel, in den einzelnen Ressorts gibt es in vielen Detailfragen gute und sehr gute Bilanzen. Doch wenn man den Blick auf den Gesamtzustand unserer Stadt richtet, so wie es die Berlinerinnen und Berliner zu Recht tun, kann man beim besten Willen nicht behaupten, dass die Arbeit des scheidenden Senats in den entscheidenden Fragen von großen Erfolgen geprägt gewesen ist. In Berlin funktionieren heute grundlegende Angelegenheiten des alltäglichen Lebens, wie Bürgerämter, Schulen, Verkehrsführung oder die Sicherheit im öffentlichen Raum schlecht oder gar nicht.

17,6 Prozent sind politische Insolvenz

17,6% sind für eine Partei, die den Anspruch hat, Volkspartei zu sein, die politische Insolvenz. Hier hilft, um im Bild zu bleiben, nur noch eine radikale Restrukturierung.

Eine Bereitschaft zu solch umfassenden und tiefgreifenden Veränderungen ist derzeit in der Parteiführung jedoch nicht zu erkennen. Dabei müssen wir uns nun möglichst schnell und entschlossen daranmachen, uns inhaltlich, strukturell und personell neu aufzustellen. Nur so können wir bis 2021 wieder zu einer Partei werden, der die Berlinerinnen und Berliner zutrauen, unsere Stadt in die Zukunft zu führen, die das so oft beschworene „Lebensgefühl“ Berlins aufnimmt und damit arbeitet.

Der Weg dahin wird alles andere als einfach und bequem. Er wird nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn von Anfang an die ganze Partei mitgenommen wird. Einen solch umfassenden Erneuerungsprozess, wie ihn die CDU Berlin braucht, „von oben“ zu verordnen wäre grundfalsch und zum Scheitern verurteilt.

Wir brauchen einen schonungslosen Diskussionsprozess

Wir brauchen daher schon jetzt, in den nächsten Wochen und Monaten, einen umfassenden und schonungslosen Diskussionsprozess in der ganzen Partei, in den sich jedes Mitglied einbringen kann. Um diesen Prozess zu kanalisieren und zu einem verwertbaren Ergebnis zu führen, sollten wir möglichst schnell bei Bezirkskonferenzen über die grundlegenden Fragen und anstehenden Entscheidungen für die nächsten Jahre debattieren, die Ergebnisse in einen klaren Fahrplan gießen und einem Parteitag vorlegen. Bei diesen Konferenzen sollten jeweils mindestens ein westlicher und ein östlicher Kreisverband gemeinsam diskutieren; nur so stellen wir sicher, dass die ganze Stadt im Fokus der Debatten steht, nicht nur einzelne Kieze. Außerdem können die „alten“ Kreisverbände im Westen offenbar mittlerweile einiges lernen von den „neuen“ im Osten; auch das zeigen die Ergebnisse vom 18. September.

Diskutiert werden muss, wie eine Parteireform aussehen soll. Wie bringen wir CDU und Berliner Lebensgefühl wieder zusammen, ohne dabei aber außer Acht zu lassen, dass dieses Lebensgefühl eben nicht nur in Mitte und Friedrichshain, sondern genauso in Reinickendorf, Lichtenberg und Spandau geprägt wird? Wie sollen innerparteiliche Entscheidungsprozesse inhaltlicher und personeller Art in Zukunft aussehen? Wie erreichen wir, dass bei Personalfragen die Dauer der Parteimitgliedschaft oder das kritiklose Wohlverhalten nicht höher zählen als Qualifikation und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen? Wie kann es für ganz unterschiedliche Leute attraktiv werden, sich in unserer Partei zu engagieren und ihre Ideen bei uns einzubringen?

Bisher provinziell anmutendes Kleinklein 

Unsere Partei muss eine Idee von dieser so einzigartigen Stadt entwickeln. Wie sieht man eigentlich die Rolle Berlins in den nächsten zwanzig Jahren, wie leitet man daraus Lösungsansätze für all die großen Probleme der Gegenwart ab? In welchen realistischen politischen Konstellationen jenseits der dauerregierenden, verfilzten SPD können wir unsere Stadt in Zukunft nach vorne bringen? Anstatt Antworten darauf zu suchen, geschweige denn zu finden, blieb man bisher eher im kurzfristigen, zumeist provinziell anmutenden Kleinklein. Eine große Linie war (und ist) nicht in Sicht.

Genauso entscheidend wie all diese Fragen ist für einen erfolgreichen Weg in den nächsten fünf Jahren ein glaubwürdiges personelles Angebot. Wer glaubt, der personelle Veränderungsbedarf sei mit der angekündigten Neubesetzung des Landesvorsitzendenpostens erfüllt, der irrt gewaltig. Nach einem solchen Wahlergebnis muss eine umfassende personelle Erneuerung her, von der ein Signal des Aufbruchs ausgeht. Die künftige Landesvorsitzende muss bereit sein, die Partei entschieden und mit viel Kraft durch den notwendigen Reformkurs zu führen. Wir brauchen einen frischen, zupackenden, experimentierfreudigen Generalsekretär, der die Partei gut kennt und (trotzdem) für Erneuerung steht, der für eine wieder attraktive Hauptstadt-Union steht, der eine Partei verkörpert, in der man gerne mitmachen möchte. Und wir brauchen verschiedene gute Köpfe in einem Führungs-Team, die unsere wichtigsten Themen und die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen unserer Stadt glaubhaft und überzeugend repräsentieren.

Die Lage der Berliner CDU ist nicht aussichtslos 

Die Lage der Berliner CDU ist mehr als schwierig, aber alles andere als aussichtslos. Auch am 18. September gab es Lichtblicke, an denen man sich orientieren kann, etwa, wenn man nach Lichtenberg, Reinickendorf oder Marzahn-Hellersdorf schaut. Auch an Köpfen für eine Berliner CDU der Zukunft mangelt es nicht, erwähnt seien Monika Grütters, Stefan Evers, Danny Freymark, Burkhard Dregger, Gottfried Ludewig, Mario Czaja, Thomas Heilmann, Tim Zeelen, Martin Pätzold, Cornelia Seibeld, Christian Gräff, Falko Liecke oder Lukas Krieger. (Dabei ist festzustellen: Mehr Frauen in den ersten Reihen würden der Berliner CDU guttun; auch hier muss mehr getan werden!)

Aus einer Katastrophe, wie der unseres Wahlergebnisses, kann immer etwas Gutes entstehen. Wir müssen das Ergebnis „nur“ annehmen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Das muss jetzt passieren. Denn eine starke und überzeugende CDU wird in Berlin in den nächsten Jahren dringend gebraucht.

Christoph Brzezinski

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