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Berlin: Josephin Große (Geb. 1994)

Sie hatte so viele Pläne und Träume für dieses Jahr. Es sollte ihr Jahr werden.

Als ob der Himmel noch Engel bräuchte. Warum sonst musste sie sterben? Am Abend des 2. Januar fand der Vater nach der Heimkehr von seiner Arbeit die Tochter tot zu Hause. Wenig später kam die Mutter dazu. Da bleibt das Herz stehen, auch wenn es weiterschlägt. Der Notarzt traf ein und informierte die Polizei. „Wir müssen den Leichnam beschlagnahmen. Es wird eine Obduktion durchgeführt.“ Da kein Verbrechen vorlag, dauerte es monatelang, bis die Ergebnisse vorlagen. Der bürokratische Gang.

Vermutliche Todesursache: „Sudep“, sudden unexpected death in epilepsy.

Sie war der Sonnenschein der Familie. Zurückhaltend, aber immer mittendrin. Keine langweilige Streberin, sie lernte schnell, sie lernte gern. „Ich hab mir was überlegt.“ Dann zog sie das durch. Tanzen, Einrad-Fahren, künstlerisches Gestalten, Schule. Der Lebensweg war sonnenklar. Die Glücksfee hatte alles gerichtet. Liebe Eltern, ein cleverer Bruder und eine coole Tante in England. Das elfte Schuljahr verbrachte sie in Colchester, 70 Kilometer nordöstlich von London. Die dreijährigen Zwillinge liebten ihre „große Schwester“ und ihre Mitschülerinnen mochten sie auf der Stelle, obwohl sie die hübscheste war. „You were one of us, Josie, and you have inspired us all to make the most of our lives, to never ever take anything, or anyone for granted and to be the best person any of us could be. We know you are looking down on us all, you beautiful angel. I hope we make you proud.“

Sie hatte so viele Pläne und Träume für dieses Jahr. Es sollte ihr Jahr werden: eine Riesenparty zum 18. Geburtstag, das Abitur. Sie wusste schon, welches Kleid sie zum Abiball tragen würde. Dann, im Sommer, würde sie nach Ghana gehen, einige Wochen im Waisenhaus arbeiten. Studienbeginn an der Technischen Universität: Wirtschaftsmathematik. Wirtschaftsmathematik? „Ja, das möchte ich.“ Ein Praktikum in London, vielleicht ein Jahr New York. „Probier ich!“

Auf ihrem Grab stand ein Eisblock, langsam schmelzend, darin ihr Bild, das allen im Kopf bleiben wird, die sie kannten.

„Du bist ein Teil meines Herzens und ich werde meinen Kindern alles von dir erzählen, und ich bin dankbar, einen so wundervollen Menschen wie dich kennen zu dürfen! Ich vermisse dich! Alle vermissen dich!“

Mit 15 hatte sie in der Nacht einen Ohnmachtsanfall. Eine harmlose Kreislaufschwäche, so der erste Verdacht. Ein halbes Jahr später wieder ein Anfall. Dann wieder und wieder. Immer nachts.

Im letzten August dann die Diagnose Epilepsie. Schlimm, aber nicht lebensbedrohlich. Sie würde ein normales Leben führen können, dank der Medikamente. Aber die Medikamente schlugen nicht richtig an. Es wurde alles viel schlimmer, die Anfälle häufiger und heftiger. Das Medikament wurde gewechselt, Josi spürte jetzt, wenn sich ein Anfall ankündigte. Sie konnte Beistand herbeirufen. 15, 20 Minuten verlor sie die Herrschaft über ihren Körper. „Ich lass mir von diesen Anfällen nicht mein Leben verderben“, das schwor sie sich.

„Danke, dafür dass Du mit mir über Herrn Jakobs hässliche Uhr gelacht hast. Danke dafür, dass Du mit mir die schrecklich langen Freistunden verbracht hast und mit mir zu Rossmann gedackelt bist. Danke dafür, dass du mir jederzeit ein Lachen geschenkt hast. Danke dafür, dass du versucht hast, mir Mathe beizubringen.“

Am ersten Januar schrieb sie ihrer besten Freundin: „Das wird unser Jahr.“

24 Stunden später war sie tot. Herzversagen. Keine Vorwarnung. Die letzten sechs Wochen war sie anfallfrei gewesen. Dennoch war sie nicht ohne Angst. Sie wollte nicht allein übernachten. Ein wenig wurde sie wieder zum Kind, war liebesbedürftig. „Komm Mama, bürste mein Haar. Kuschel mich!“

„I remember when she found me blubbering when Gavin had left for Afghanistan. She immediately gave me a huge hug and I was so impressed by her warmth and maturity. I will never forget that simple act of kindness.“

Das Kind, die Schwester, die Freundin – weg. Einfach weg. Und doch immer da. „Deine Lippen schmecken immer noch (und für immer) nach Apfelmußi! Ich werde dich niemals vergessen.“ Gregor Eisenhauer

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