zum Hauptinhalt

„Jetzt brauchen wir selbst Hilfe“: Klinikum Niederlausitz bittet um Unterstützung im Kampf gegen Corona

Das Klinikum Niederlausitz hat Schwierigkeiten, seine Covid-Patienten zu versorgen. Nun wendet es sich an die Öffentlichkeit – und bekommt viel Unterstützung.

Von Sandra Dassler

„Wieder zwei Aufnahmen, junge Leute, eine Mitarbeiterin, die Einschläge kommen näher... Corona-Leugner sagen gern, sie kennen keinen der Corona hat, ich ja. Heute sind es insgesamt sechs Corona-Patienten. Nicht alle werden es schaffen, wir wissen es, auch wenn wir unser Bestes geben.“

So beschreibt die Fachkrankenschwester Petra Quittel den Beginn eines „normalen“ inzwischen alltäglichen Dienstes auf der Intensivstation im Klinikum Niederlausitz. Das Krankenhaus hat sich entschlossen, den gleichwohl bewegenden wie beklemmenden Text, in dem die Krankenschwester sowohl ihre eigenen Erlebnisse und Empfindungen, als auch die ihrer Kollegen auf der Station schildert, öffentlich zu machen. „Wir wollten damit zum einen all jene nicht unwidersprochen lassen, die behaupten, dass diese Krankheit nicht real ist“, sagt die Sprecherin des Klinikums, Kristin Dolk: „Vor allem aber zeigt der Bericht, wie brisant die Situation wirklich ist.“

So brisant, dass das Klinikum Niederlausitz mit Standorten in Senftenberg und Lauchhammer am vergangenen Sonnabend einen fast schon verzweifelten Hilferuf veröffentlichte: „Die Gesundheitsversorgung von akut kranken Patienten im Landkreis Oberspreewald-Lausitz ist gefährdet bis kritisch“, teilte Geschäftsführer Tobias Vaasen mit: „Wir brauchen jetzt jede Unterstützung, die wir bekommen können. Wer helfen will, medizinische Vorerfahrungen oder Vorerfahrungen im Servicebereich hat, gesundheitlich in der Lage ist und sich unter allen zur Verfügung stehenden Schutzmaßnahmen und unter Anleitung von qualifiziertem Fachpersonal einen Einsatz in unserem Krankenhaus vorstellen kann, kann sich ... bei uns melden.“

Am Tag zuvor hatte das Klinikum bereits zehn Covid-19-Patienten in andere Krankenhäuser verlegen müssen, 36 konnten in Senftenberg bleiben, inzwischen sind es schon wieder knapp 50. Das klinge erst einmal nicht so viel, sagt Kristin Dolk, da jedoch die meisten auch altenpflegerisch betreut werden müssen, reiche das Personal bei weitem nicht aus.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zumal immer mehr Ärzte, Schwestern und Pfleger selbst erkranken oder aus anderen Gründen wie etwa die Betreuung von Kindern, wenn Schulen oder Kitas geschlossen werden müssen, fehlen. Manche sind nach der Wochen langen Schwerstarbeit völlig erschöpft, manche ertragen das alltägliche Leid nicht mehr, benötigen selbst Unterstützung.

Mehr als hundert Menschen haben sich schon gemeldet

Trotzdem sei dem Klinikum der Aufruf an die Bevölkerung nicht leicht gefallen, sagt Kristin Dolk: „Sonst sind wir ja immer diejenigen, die helfen. Und jetzt brauchen wir selbst Hilfe.“ Ein wenig habe man sich auch an der Berliner Charité orientiert, die sich schon vor mehr als vier Wochen mit einem ähnlichen Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt hatte.

Wie die Bevölkerung in der Niederlausitz reagieren würde, sei für niemanden vorhersehbar gewesen, sagt die Krankenhaussprecherin. Doch das Echo sei unwahrscheinlich gewesen: „Mehr als hundert Menschen haben sich bislang gemeldet - wir sind überwältigt von so viel Solidarität.“

[Den ausführlichen Bericht von Fachkrankenschwester Petra Quittel finden Sie unter www.klinikum-niederlausitz.de]

Unter den Freiwilligen sind sowohl Mediziner wie Ärzte, Schwestern und Rettungssanitäter als auch Handwerker, Tierärzte, Yoga-Lehrer und viele andere. Die meisten haben schon ein Arbeitsverhältnis, können sich aber vorstellen, an freien Tagen oder im Urlaub im Klinikum auszuhelfen. „Eine junge Mutter in Elternzeit würde beispielsweise am Wochenende arbeiten, wenn ihr Mann das Baby betreut“, erzählt Kristin Dolk.

Sie erklärt, dass auch Freiwillige ohne medizinische Vorkenntnisse das Fachpersonal durch scheinbar banale Tätigkeiten wie Zimmer lüften, Teller mit Essen herrichten oder auch nur menschlicher Zuwendung entlasten können: „Manche Patienten sind so schwach, das sie nicht mal mehr den Telefonhörer halten können. Das ist aber ihre einzige Möglichkeit, mit ihren Familien in Kontakt zu bleiben, denn wir haben natürlich strenges Besuchsverbot. Wenn da jemand für sie anruft und ihnen den Hörer ans Ohr hält, damit sie die Stimme eines geliebten Menschen hören können - ist das unendlich viel.“

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Freiwilligen werden derzeit im Klinikum registriert, sorgfältig eingewiesen und können dann hoffentlich dazu beitragen, dass es keinen Aufnahmestopp geben muss. Denn die Situation ist seit vergangenem Sonnabend nicht besser geworden. Im Gegenteil: Die 7-Tage-Inzidenz hatte sich bereits vom Beginn bis zum Ende der vergangenen Woche verdoppelt und stieg seither noch einmal von 331 auf 374. Der Landkreis hat deshalb an diesem Mittwochnachmittag weitere Verschärfungen der Corona-Regeln, unter anderem die Schließung von Schulen und Kitas sowie nächtliche Ausgangssperren, angekündigt. Im Klinikum Niederlausitz hofft man sehr, dass das Wirkung zeigt.

„Meinen Patienten geht es schlechter, der Arzt kommt kaum noch raus aus meinem Isozimmer. Wir brauchen dringend eine Ablösung, ich habe Durst und muss endlich etwas essen“, beschreibt Fachkrankenschwester Petra Quittel ihren Alltag: „Am Wochenende fehlt noch eine Spätschicht... Wir sind schon fast an unserer Grenze, die Belastung ist hoch. Schaffen wir es, so lange noch durchzuhalten?“

Zur Startseite