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Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz kennt bei Steuerbetrug kein Pardon.

© Maurizio Gambarini/dpa

Jagd auf Steuerbetrüger in Berlin: Chinesische Onlinehändler im Visier

Berlins Steuerfahnder kontrollieren verstärkt Gastronomen, Taxiunternehmen, Spielhallen und Airbnb-Vermieter. Das bringt dreistellige Millionensummen ein.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

In Berlin lohnt es sich, Steuersünder zu jagen. Der Fiskus nimmt durch eine bessere Kontrolle von Onlinehändlern und Gastronomen, Taxiunternehmen oder Vermietern von Ferienwohnungen jedes Jahr dreistellige Millionensummen zusätzlich ein. Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) findet es auch wichtig, dass die Cum-Ex-Banker, die mit betrügerischen Steuertricks allein den deutschen Staat um 60 Milliarden Euro geprellt haben, endlich vor Gericht stehen. „Sonst heißt es wieder, die Kleinen fängt man und die Großen lässt man laufen.“

Die Berliner Steuerfahnder haben es meistens mit weniger spektakulären Bemühungen zu tun, das Finanzamt hinters Licht zu führen. Manchmal reicht schon der erhobene Zeigefinger, um potenzielle Betrüger auf den Pfad der Tugend zurückzuführen. Zum Beispiel im wuchernden Onlinehandel, für den seit Januar dieses Jahres strengere Vorschriften gelten. Das gilt auch für Unternehmen, die in Berlin über das Internet verkaufen und ihren Sitz vorzugsweise in China und Hongkong, Taiwan und Macau haben.

Für sie ist das Finanzamt Neukölln zuständig. In Zusammenarbeit mit dem Finanzamt für Fahndung und Strafsachen.

Mehr als 25.000 Online-Händler ließen sich registrieren

Vor zwei Jahren waren in der Hauptstadt nur 432 solcher Onlinehändler steuerlich registriert. Jetzt sind es schon 25.106, wie Kollatz im Gespräch mit dem Tagesspiegel berichtet. Allein die Ankündigung der neuen Haftungsregeln für die großen Marktplatzbetreiber, unter deren Dach die kleinen Verkäufer agieren, hat Wirkung gezeigt. „Das brachte uns in diesem Jahr rund 100 Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen“, sagt der Finanzsenator. Er hofft, dass die Steuerehrlichkeit auch in diesem schwer kontrollierbaren Gewerbe zunimmt. Man muss eben ein bisschen nachhelfen.

Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe erhofft sich Kollatz auch von einer wirksameren Kontrolle von Airbnb-Vermietern, wobei es ihm weniger um jene Berliner geht, die gelegentlich mal ihre Wohnung privat an Touristen vergeben. Er will an die gewerblichen Vermieter heran. „Ich rechne mit einigen tausend Fällen, wenn wir an die Adressen herankommen.“ In diesem Fall sei es sogar möglich, die Besteuerung zehn Jahre rückwirkend zu kontrollieren.

Erfolge kann der Finanzsenator auch im Taxigewerbe vermelden. Über 8000 Taxis sind in Berlin registriert, die von etwa 3000 großen und kleinen Unternehmen betrieben werden. Dreiviertel der Taxameter in den Berliner Droschken gelten inzwischen als einigermaßen fälschungssicher. Trotzdem gebe es immer noch zu viele schwarze Schafe, sagt Kollatz. Der Fiskus greift deshalb streng durch. In diesem Jahr wurden 38 Konzessionen entzogen und 18 Strafverfahren wegen Steuerbetrugs eingeleitet. „Wobei wir die Treppe von oben kehren“, sagt der Senator. Das heißt, die großen Unternehmen werden vorrangig geprüft.

Erhebliche Beanstandungen bei Spielhallenbetreibern

Bei den Spielhallen und Aufstellern einzelner Spielautomaten gibt es in Berlin erst seit diesem Jahr Schwerpunktkontrollen. Im ersten Halbjahr wurden bereits 30 Prozent der Betreiber kontrolliert. Das lohnt sich. Denn bei Zweidritteln der Betreiber gab es von Seiten der Finanzämter erhebliche Beanstandungen. „Und es gibt eine kleine Gruppe, die strafrechtlich belangt werden muss“, sagt Kollatz. Schon länger erprobt ist die steuerliche Überprüfung von Kneipen und Restaurants, Imbissbuden und Cafés, Eisverkäufern und Caterern. Immerhin gibt es in Berlin rund 15.000 Gastronomiebetriebe. Davon wurden bisher jährlich 3,5 Prozent kontrolliert. Diese Prüfquote will Kollatz mindestens verdoppeln.

Er weiß, warum. Derzeit liegt das Ergebnis von 1535 Betriebsprüfungen vor, die steuerliche Mehreinnahmen von 40,6 Millionen Euro einbrachten. Davon fielen 5,5 Millionen Euro auf nur zehn Gastronomen, deren Namen das Steuergeheimnis schützt. In 62 Fällen wurden bisher Straf-oder Bußgeldverfahren eingeleitet. „In dieser Branche sind verstärkte Kontrollen unbedingt notwendig“, meint der Finanzsenator. Einschließlich der „Nachschau“ von Kassen, die seit Anfang 2018 möglich ist. Er hoffe, dass die Zahl der auffälligen Gastronomiebetriebe langfristig sinke, sagt Kollatz. Bisher sei ein „Trend nach unten“ nicht erkennbar.

Die Einkommensmillionäre sind weniger ein Problem

Die 749 Einkommensmillionäre, die Anfang 2019 bei den Berliner Finanzämtern aktenkundig waren, sind im Vergleich dazu kein großes Problem. Von ihnen wurden im ersten Halbjahr 32 durch den Außendienst geprüft, das warene pro Fall 11 500 Euro zusätzliche Steuereinnahmen. In den vergangenen zehn Jahren brachte jede Einzelprüfung durchschnittlich 100.000 Euro ein. Die bestehenden, EDV-gestützten Kontrollen durch Innendienst und Betriebsprüfer hält Kollatz für effektiv genug, auch wenn gelegentlich mal ein dicker Fisch ins Netz geht.

Doch in der Regel geht es darum, dass sich die Finanzbeamten mit findigen Steuerberatern anlegen. Dann muss nachgezahlt werden. „Das ist kein Fall für die Fahnder“, so Kollatz. Schwierig werde es erst dann, wenn aggressive Steuersparmodelle oder offen betrügerische Absichten ins Spiel kämen. Mit den Berliner Millionären kann der Senator, dem jeder finanzstarke Steuerzahler lieb ist, weil das zusätzliches Geld in die Landeskasse spült, also gut leben. „Es macht mir überhaupt keinen Kummer, wenn mehr Dax-Vorstände in unsere Stadt ziehen.“

Trotzdem verhehlt Kollatz nicht, dass er ein linker Sozialdemokrat ist. Deutschland besteuere die Unternehmen und Vermögenden im internationalen Vergleich zu wenig. Auch die Wiedereinführung der Vermögensteuer ist für ihn kein Teufelszeug.

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