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In den Senats- und Bezirksbehörden herrscht digitale Anarchie.

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IT-Dienstleistungszentrum: Vorerst keine digitale Vereinheitlichung der Berliner Verwaltung

Ab 1. Januar 2018 sollte die IT-Ausstattung landesweit vereinheitlicht werden, aber das ITDZ und die Senatspolitik sind damit völlig überfordert.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Das Problem der Berliner Verwaltung ist nicht, dass in den Amtsstuben der Hauptstadt immer noch elf Monitore stehen, die mit Kathodenstrahlröhren betrieben werden. Angesichts von 82 700 Arbeitsplätzen, die zeitgemäß mit Flachbildschirmen ausgestattet sind, ist das ein Kuriosum, über das man lächelnd hinwegsehen kann.

Hochproblematisch ist aber das wilde Durcheinander von PCs und Servern, Software und IT-Verfahren, das ein einheitliches und effektives Verwaltungshandeln massiv erschwert.

Anders gesagt: In den Senats- und Bezirksbehörden herrscht digitale Anarchie. An diesem Zustand hat sich in Berlin nur wenig geändert, seitdem es Computer gibt. Zwar wurde 1969 ein Landesbetrieb gegründet, der die elektronische Datenverarbeitung in der öffentlichen Verwaltung betreut und voranbringen soll.

Die digitale Revolution lässt auf sich warten

Aber das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ) war bisher nicht in der Lage, seine Aufgaben zufriedenstellend zu erfüllen. Zwar gibt es seit eineinhalb Jahren ein E-Government-Gesetz, das gut beschreibt, wie eine moderne Verwaltung aussehen könnte. Aber Papier ist geduldig – und die politisch Verantwortlichen in Berlin haben auf die Anforderungen des IT-Zeitalters viel zu spät reagiert.

Das führt dazu, dass eine wichtige Vorschrift im Gesetz, die am 1. Januar 2018 in Kraft treten sollte, kurzerhand ausgehebelt wird. Eigentlich sind alle Behörden und Einrichtungen (mit Ausnahme der Gerichte und Finanzämter) verpflichtet, ihre Geräte, aber auch die Software und IT-Basisdienste ab nächstem Jahr nur noch vom zentralen Dienstleister ITDZ zu beziehen.

Diese Revolution, die Technik und Organisation der öffentlichen Verwaltung vereinheitlichen soll, um Ressourcen zu sparen und die Arbeit zu beschleunigen, findet vorerst aber nicht statt. Stattdessen spricht die fachlich zuständige Staatssekretärin Sabine Smentek (SPD) von einer „Planung auf Sicht“.

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist das ITDZ, wie Insider bestätigen, personell überfordert. „Der Frust geht um“, heißt es. Das Durchschnittsalter ist hoch, junge Fachkräfte sind schwer zu finden und fähige Mitarbeiter wandern in die private Wirtschaft ab, wo sie mehr Geld verdienen.

Die Technik ist nicht das Problem

Derzeit arbeiten in dem Berliner Landesbetrieb rund 600 Menschen, mittelfristig müsste sich die Belegschaft verdoppeln, um das IT-Management für die gesamte Berliner Verwaltung auf Dauer bewältigen zu können. In den nächsten zwei Jahren will der Senat dem Vernehmen nach aber nur 130 zusätzliche Stellen finanzieren.

Die Technik ist nicht das Problem. In einem ehemaligen Atombunker, tief unter dem Rathaus am Fehrbelliner Platz, rechnet ein Hochleistungs-Datenzentrum hinter stark gepanzerten Türen emsig vor sich hin. Und in den nächsten zwei Jahren stehen für den Abbau des Digitalisierungsstaus in der Berliner Verwaltung hohe zweistellige Millionensummen zur Verfügung.

Allerdings sieht es so aus, als ob Senatsbehörden und Bezirke ab 2018 das Geld nicht zügig abrufen werden. „Die meisten Behörden wissen nicht, was sie brauchen, weil sie ihre IT-Situation nicht kennen“, sagt ein Experte. Das gilt nicht nur für die Technik, sondern auch für EDV-Programme und Basisdienste (etwa ein Druckerzentrum oder das geplante Service-Konto für alle Berliner). Von den 25 einheitlichen Diensten, die das ITDZ mittelfristig anbieten soll, sind erst drei in Vorbereitung. Noch kein einziger Dienstleistungsvertrag ist bisher unterschriftsreif, obwohl die Verhandlungen seit 2016 laufen.

Landesweite Standardisierung ist nicht in Sicht

Weit entfernt von einem gemeinsamen Standard sind auch die IT-Verfahren, mit denen die Berliner Behörden nach eigenem Ermessen ihre Aufgaben erledigen. Offiziell gibt es 316 verschiedene Fachverfahren. Real sind es aber über tausend, denn viele Mini-Datenbanken und Kleinstprogramme, die findige Mitarbeiter in ihrer Not einst selbst gebastelt haben, sind gar nicht registriert. Auch hier ist eine landesweite Standardisierung nicht in Sicht.

Bisher nutzen von den 82 700 Landesbediensteten, die an einem IT-Arbeitsplatz sitzen, nur 13 400 das Dienstleistungsangebot des ITDZ. Und man werde es nicht schaffen, „mehr als 10 000 zusätzliche Arbeitsplätze pro Jahr zu integrieren“, hört man von Mitarbeitern des Landesbetriebes, die einen guten Überblick haben.

Noch im Sommer dieses Jahres wollte der Senat für die nächsten fünf Jahre planen. Jetzt soll nur noch für 2018/19 festgelegt werden, welche Behörden die Dienste des ITDZ in Anspruch nehmen müssen. Der Rest der Verwaltung wird von der gesetzlichen Vorschrift, die ab Januar gilt, vorerst befreit. Aber auch dieses stark geschrumpfte „Migrationsprogramm“ hat der Senat noch nicht beschlossen. Und das liegt auch an der politischen Führung.

IKT-Lenkungsrat muss sein Daseinsberechtigung noch nachweisen

So hat Rot-Rot-Grün Ende 2016 mit der ehemaligen Bildungsstadträtin und Unternehmensberaterin Smentek eine Staatssekretärin installiert, die die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) des Landes Berlin steuern und entwickeln soll. Sie ist die Verwaltungsratschefin des ITDZ. Die Sozialdemokratin gilt als verwaltungserfahren, aber die Digitalisierung des öffentlichen Dienstes ist für sie Neuland.

Der IKT-Lenkungsrat, dem Smentek vorsitzt und in dem alle Senatsverwaltungen und Bezirksämter vertreten sind, tagte drei Mal und gilt als ein Gremium, das seine Daseinsberechtigung erst noch nachweisen muss. Die verwaltungsinterne Kommunikation über IT-Probleme und -lösungen hat sich durch den Lenkungsrat nicht nachweisbar verbessert.

Auch die Abteilung V, die Smentek in der Senatsverwaltung für Inneres und Sport leitet, führt eher ein Schattendasein. Bisher ist es nicht einmal gelungen, die Stelle des Abteilungsleiters, der seiner IKT-Staatssekretärin fachlich zur Seite stehen soll, zu besetzen. Zwei Referatsleiter, die eigentlich anderes zu tun haben, führen die Abteilung als „Doppelspitze“ kommissarisch. Auch sind von den 60 Stellen, die Smenteks Abteilung V zur Verfügung stehen, auch nach einem Jahr noch nicht alle besetzt.

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