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Die Schüler bekommen vom IT-Chaos nichts mit. Das betrifft vor allem die Schulleiter - und die Steuerzahler.

© Kitty Kleist-Heinrich

IT-Chaos: 7,5 Millionen Euro verstauben an Berlins Schulen

7,5 Millionen Euro hat die Bildungsverwaltung ausgegeben – für Server, die in den Schulen verstauben. Die Direktoren retten sich in Galgenhumor und haben ihre neuen Computer trotz Verbots in Betrieb genommen.

Mit 7,5 Millionen Euro lässt sich eine Menge machen. Zum Beispiel 125 Lehrer ein Jahr lang bezahlen. Oder eine kleine Schule bauen. Die Bildungsverwaltung hat mit diesem Geld 750 Server gekauft, von denen 550 - teilweise schon seit Jahren - ungenutzt in den Schulen stehen. Ob sie in Betrieb gehen, entscheidet sich in den kommenden Wochen: Dann wird Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) bekannt geben, ob sie beim IT-Projekt eGovernment@school eine Kehrtwende vollzieht oder nicht. Im Kern geht es um die Frage, ob die für eine elektronische Schülerdatei notwendige Datenhaltung zentral oder dezentral erfolgen soll. Bislang favorisierte die Behörde aus datenschutzrechtlichen Gründen den dezentralen Ansatz, weshalb sie für alle Schulen die Server orderte.

Wie teuer die Kehrtwende hin zu einer zentralen Lösung werden könnte, ist der Öffentlichkeit bislang verborgen. Ansatzweise klar ist nur, was das Projekt bislang gekostet hat, denn der grüne Abgeordnete Thomas Birk hat sich mit fünf Schriftlichen Anfragen – insgesamt 56 Einzelfragen – an den Senat gewandt, um Licht ins Dunkel zu bekommen. Dem Tagesspiegel liegen die Antworten vor.

Server, Beratung, Software - es geht bislang um 37 Millionen Euro

Demnach wurden 37 von veranschlagten 60 Millionen Euro bereits ausgegeben. Neben den 7,5 Millionen Euro für die Server („Data-Center-Boxen“), deren Einsatz offen ist, sind dies beispielsweise 6,4 Millionen für PCs und 1,66 Millionen für Drucker; zumeist also Geräte, die schon jetzt und unabhängig von der Art der Datenspeicherung genutzt werden können. Problematischer ist es mit der Software, die bislang 4,6 Millionen Euro gekostet hat. Welcher Nutzen aus diesen Ausgaben gezogen werden kann, ist noch völlig unklar, da auch diese Produkte teilweise infrage stehen. Dies ist doppelt kostenrelevant, weil es längst Schulungen für die Software gab. Insgesamt beziffert die Bildungsverwaltung die Kosten für „Beratung/Dienstleistung“ auf weitere 17,15 Millionen Euro bis August 2014.

Was die Bezirke ausgegeben haben, ist unbekannt

Hinzu kommen noch weitere Kosten, die bislang nicht beziffert werden. So wollte Thomas Birk wissen, welche Mittel die Bezirke im Rahmen von eGovernment@school ausgegeben haben, um beispielsweise Serverräume herzurichten oder Kabel zu ziehen. Als Antwort bekam der Grüne die Auskunft, dass „hierzu keine Angaben gemacht werden können“.

Die bezirklichen Ausgaben dürften ebenfalls erheblich gewesen sein, weil an die Serverräume hohe Anforderungen gestellt werden: Sie müssen trocken und einbruchsicher sein. Zwar verfügen viele Schulen schon über Serverräume; die allerdings erschienen den Bezirken nicht immer als ausreichend. So berichtet der Schulleiter des John-Lennon-Gymnasiums in Mitte, Jochen Pfeiffer, dass ein ganz neuer Serverraum hergerichtet werden sollte, obwohl es bereits einen im Keller gab: Mit Hinweis auf eine angebliche Überschwemmungsgefahr sollte die neue große Data-Center-Box dort nicht untergebracht werden, „obwohl es in den letzten 130 Jahren keine Überschwemmung gab“, wundert sich Pfeiffer. Er setzte letztlich durch, dass die teure Verlagerung des Serverraumes unterblieb.

Angesichts der jahrelangen vergeblichen Diskussionen und Schulungen werde das Projekt von den Schulleitern inzwischen als „Lachnummer“ aufgenommen, berichtet Pfeiffer. Der jetzige „Supergau“ haben sich seit Jahren abgezeichnet, als es bereits die großen Probleme mit den Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Softwareprodukten gegeben habe. Pfeiffer bedauert, dass „viele Kollegen sehr viel Energie“ in eGovernment@school gesteckt hätten.

Der Haushaltsausschuss wird sich mit dem Problem beschäftigen

Zusätzlichen Unmut verursachte die Tatsache, dass jahrelang insgesamt 4000 hochwertige Arbeitsplatzcomputer an die Schulen geliefert wurden, die nicht einmal ausgepackt werden sollten – bis zur Inbetriebnahme des Gesamtsystems. „Wir haben dann irgendwann um Erlaubnis gebeten, sie trotzdem zu benutzen“, berichtet der Leiter des Friedenauer Rheingau-Gymnasiums, Bert Minske. Auch am Lennon-Gymnasiums sind sie in den Schulalltag integriert, obwohl es auch hier das Verbot gegeben hatte, sie unabhängig vom Startschuss für eGovernment@school in Betrieb zu nehmen. Anders ist es mit den rund 10 000 Euro teuren Servern – sie stehen noch immer herum: 550 Stück wurden schon geliefert und bei weiteren 200 ist die Verwaltung vertraglich „zur Abnahme verpflichtet“.

Wie berichtet, hat der Rechungshof einen sehr kritischen Prüfbericht zum bisherigen Verfahren verfasst. Die grüne Bildungs- und Haushaltspolitikerin Stefanie Remlinger hat erfolgreich beantragt, dass dieser Bericht sowie die Anfragen Birks im Hauptausschuss am 15. Oktober thematisiert werden.

Schulleiter, die nicht mehr durchblicken, können übrigens am Dienstag eine Fortbildung in der Humboldt-Universität besuchen.

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