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Kakerlake in der Suppe: Besser, wenn man's vorher weiß.

© Getty Images/Stuart Pitkin

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Ist mein Restaurant sauber?: Berliner Wirte sollen amtliche Kontrollergebnisse aushängen müssen

Berlins Verbraucherschutzsenator Behrendt will mehr Transparenz zur Hygiene in Lokalen. „Die Menschen sollen wissen, was sie erwartet“, sagt er.

Berliner sollen künftig schon an der Eingangstür sehen, wie es um die Hygiene im Restaurant, dem Café, der Kantine oder der Bäckerei bestellt ist. Nachdem Versuche, eine bundeseinheitliche Kennzeichnung einzuführen, gescheitert sind, strebt Berlins Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt (Grüne) nun eine Berliner Lösung an. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt dem Tagesspiegel vor.

Statt des Pankower Smiley-Systems, das von den Gerichten mangels ausreichender Rechtsgrundlage vor einigen Jahren kassiert worden war, soll nun ein Transparenzbarometer in ganz Berlin Gästen und Kunden reinen Wein über die hygienischen Verhältnisse vor Ort einschenken. In die Bewertung sollen das Hygienemanagement, die Verlässlichkeit der Eigenkontrollen und das Verhalten des Lebensmittelunternehmers einfließen.

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Das Transparenzbarometer ist ein farbiger Strahl, der von grün (gut) über gelb (mittel) bis rot (schlecht) reicht. Wie gut oder schlecht der jeweilige Betrieb ist, wird auf der Skala mithilfe eines Pfeils markiert. Problem: Rechnerisch wäre es möglich, dass ein Unternehmen trotz Versagens beim Hygienemanagement noch im grünen Bereich landet. In der Senatsverwaltung hält man das aber eher für Theorie, weil Hygienefragen auch in die anderen bewerteten Bereiche einfließen.

Vorreiter: Pankow hatte schon vor Jahren eine Hygieneauszeichnung eingeführt.
Vorreiter: Pankow hatte schon vor Jahren eine Hygieneauszeichnung eingeführt.

© picture alliance / dpa

Senator Behrendt: "Die Menschen können ja nicht selber in der Küche nachschauen"

„Wir wollen für die Gäste und die Kunden Transparenz schaffen“, sagte Behrendt dem Tagesspiegel. „Die Menschen sollen wissen, was sie erwartet. Sie können ja nicht selber in der Küche nachschauen.“ Das Barometer soll anders als der Smiley Abstufungen erlauben. „Unser Ziel ist es ja nicht, dass möglichst viele Gastronomen schlecht abschneiden“, betont der Senator. Behrendt hofft im Gegenteil, dass das Transparenzbarometer zu mehr Qualität führt. „Wenn Gastronomen und lebensmittelverarbeitende Betriebe mit einer Veröffentlichung rechnen müssen, hat das Konsequenzen“, hofft der Grünen-Politiker. Parallel sollen die Ergebnisse auch im Internet veröffentlicht werden.

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Gastronomen sollen aber zunächst nicht belastet werden

Um die Gastronomen in der Corona-Krise nicht zusätzlich zu belasten, soll das Gesetz aber nicht während der Pandemie in Kraft treten, versichert Behrendt. Die Pflicht, das Barometer auszuhängen, soll daher erst 2023 greifen. Zudem sollen dann auch nur neue Ergebnisse der amtlichen Kontrollen berücksichtigt werden.

Auf freiwilliger Basis sollen die Unternehmer aber schon deutlich früher handeln dürfen. Der Senat soll den Entwurf noch in diesem Jahr verabschieden. Sollte das Abgeordnetenhaus zustimmen, könnten die ersten Transparenzbarometer in der zweiten Jahreshälfte 2021 in den Türen der Restaurants oder Kneipen hängen.

Stimmt die Temperatur? In die Bewertung sollen künftig verschiedene Aspekte eingehen.
Stimmt die Temperatur? In die Bewertung sollen künftig verschiedene Aspekte eingehen.

© picture alliance/dpa

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Berlin trägt das Projekt mit. Für die Gastronomen war es wichtig, dass sie bei einer schlechten Bewertung die Möglichkeit bekommen sollen, auf eigene Rechnung innerhalb von acht Wochen eine Nachprüfung bekommen zu können. Bis dahin würde das – schlechte – Barometer nicht veröffentlicht. „Stand heute können wir hier mitgehen“, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Thomas Lengfelder dem Tagesspiegel.

Krise: Gastwirte haben schwer mit der Corona-Krise zu bekämpfen. Das neue Gesetz soll daher erst nach der Pandemie greifen.
Krise: Gastwirte haben schwer mit der Corona-Krise zu bekämpfen. Das neue Gesetz soll daher erst nach der Pandemie greifen.

© imago images/Müller-Stauffenberg

Berlin hat freie Bahn

Dass Berlin freie Bahn hat, eine eigene Landesregelung zu treffen, liegt daran, dass Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) kein bundesweites, konkurrierendes Kennzeichnungssystem plant. Über diese Frage hatten Bund und Länder jahrelang gestritten. Zwischenzeitlich hatte Nordrhein-Westfalen ein eigenes System eingeführt, die Regierung Laschet hat diese jedoch wieder aufgehoben. Berlin wäre mit seiner verpflichtenden Lösung daher mit vorn. Auf die Einführung einer landesweiten Hygienekennzeichnung hatte sich die Berliner Koalition im Koalitionsvertrag geeinigt.

Parallel zu Behrendt prescht der Bezirk Pankow jetzt jedoch mit einer eigenen Regelung vor. Ab November will der Bezirk die Ergebnisse aller Lebensmitteluntersuchungen in seinem Bereich im Internet veröffentlichen. Lengfelder hält das für falsch: „Es wäre für Berlin gut und auch absolut notwendig – wenn schon ein System installiert werden soll – dass ein einheitliches Programm auf die Beine gestellt wird“, kritisierte er.

Stellen sind nicht besetzt: In Berlin fällt jede zweite Kontrolle aus.
Stellen sind nicht besetzt: In Berlin fällt jede zweite Kontrolle aus.

© DDP

Die Lebensmittelkontrolle ist Bezirkssache. Doch viele Bezirke erledigen die Aufgabe eher mangelhaft. Jede zweite vorgeschriebene Kontrolle fällt in Berlin aus, weil die Bezirksämter zu wenig Personal haben, ergab eine Untersuchung der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch im vergangenen Jahr. „Geradezu abenteuerlich schlechte Werte“ bemängelte Foodwatch in Spandau, Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg. Von 117 Stellen für Lebensmittelkontrolleure sind 25 in Berlin unbesetzt. Von den 57.888 Lebensmittelbetrieben in Berlin wurden im vergangenen Jahr gerade einmal 18.945 überprüft.

Dabei gäbe es gute Gründe, genauer hinzuschauen. In fast jedem dritten Betrieb gab es nämlich Beanstandungen, wenn kontrolliert worden ist.  Besonders eklatant war der Fall der Neuköllner Großbäckerei Höhn, in der tote Kakerlaken, lebendige Mäuse, Schimmel und Verfall entdeckt wurden. Der Betrieb wurde im März geschlossen.

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