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Katina Schubert, Berliner Landesvorsitzende der Linken, beim Parteitag am Sonnabend.

© Annette Riedl/dpa

Exklusiv

Israel als „Apartheidsstaat“ bezeichnet: Berliner Linke will Parteijugend die Gelder streichen

„Ins politische Abseits geschossen“: Nach einem antisemitischen Beschluss eskaliert der Streit um die Linksjugend Solid Berlin. Parteichefin Schubert ist empört.

Nach einer Reihe heftiger Auseinandersetzungen erwägt der Vorstand der Berliner Linkspartei, den eigenen Jugendverband Solid finanziell an die kurze Leine zu nehmen. "Mein Vorschlag an den Geschäftsführenden Vorstand war, die Mittel zu sperren und nur noch projektbezogen zu bewilligen", erklärte Katina Schubert, Landeschefin der Partei, dem Tagesspiegel am Donnerstag. Tags zuvor hatte der Geschäftsführende Landesvorstand getagt.

Die Parteijugend war dort nicht zum ersten Mal Thema. Nun jedoch scheint die Parteiführung geneigt, weiter zu gehen, als sich inhaltlich zu distanzieren. Am 29. April wird der Landesvorstand in seiner Sitzung über den weiteren Umgang mit der Gruppe befinden. Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass sich Schubert mit ihrer Forderung durchsetzt. Widerspruch zu ihrem Vorschlag gab es Teilnehmern des Treffens zufolge nicht. Ein entsprechender Antrag für die Sitzung Ende April wird vorbereitet.

Die Landeschefin, die bereits Anfang des Jahres heftig mit der Parteijugend aneinander geraten war, begründete ihre Haltung mit den gehäuften Fehltritten des Jugendverbandes in den vergangenen Monaten.

"Es ist nicht mehr erklärbar, den erklärten Kampf gegen die Partei durch den Landessprecher*innenrat des Jugendverbandes durch die Mitgliedsbeiträge der Partei auch noch zu finanzieren", sagte Schubert und verwies auf die jüngsten Beschlüsse der Linksjugend etwa zu Israel. "Damit hat sich der Berliner Landesverband von Solid selbst nachhaltig ins politische Abseits geschossen", sagte Schubert.

Solid Berlin fordert "Rückkehrrecht für alle Palästinenser"

Die jüngsten Irritationen löste die am 10. April abgehaltene Vollversammlung des Berliner Landesverbandes der Linksjugend aus. Dort hatte eine Mehrheit der Mitglieder für einen Beschluss gestimmt, in dem unter anderem die "konsequente Benennung Israels als Apartheidsstaat" gefordert wird. Darüber hinaus setzt sich die Linksjugend ein "bedingungsloses Rückkehrrecht für alle Palästinenser" ein und fordert die "konsequente Benennung des Zionismus als reaktionäre, bürgerliche Ideologie".

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Zuvor hatte die Linksjugend, deren Vorstand im vergangenen Jahr neu gewählt worden war und dabei nach Darstellung einiger Parteimitglieder „gekapert“ wurde, unter anderem mit Beiträgen zur Zukunft von Rot-Grün-Rot in Berlin polarisiert. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) verglich sie auf einem Sticker mit Dolores Umbridge, einer rassistischen Figur aus dem Roman Harry Potter. Weil auch Mitglieder der Abgeordnetenhausfraktion den Sticker öffentlich verwendeten, weitete sich der Streit auf Fraktion und Partei aus.

Linksjugend zur Ukraine: Russland-Sanktionen streichen, Nato "zerschlagen"

Ebenfalls umstritten: Die Positionierung der Parteijugend zum Krieg in der Ukraine. Auf der erwähnten Vollversammlung beschlossen deren Mitglieder die Forderungen, sämtliche Sanktionen gegenüber Russland zu streichen, die Nato zu „zerschlagen“ sowie die Enteignung russischer und deutscher Oligarchen. Auch damit liegt der Verband konträr zur Linie des Landesvorstands, dessen Mitglieder den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine entschieden verurteilen und angesichts der Ereignisse eine Neuausrichtung der eigenen außenpolitischen Leitlinien fordern.

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Schubert wiederum steht mit ihrer Forderung nicht allein. Paul Schlüter, ebenfalls Mitglied des Landesvorstands und Bezirksverordneter aus Pankow, setzt auf eine deutlich härtere Gangart gegenüber der Linksjugend. „Bei Fragen von Antisemitismus und der Aberkennung des Selbstverteidigungsrechts der Ukraine ist Schluss für mich. Die Konsequenz sollte sein, dass der Landesverband den Geldhahn zudreht“, hatte Schlüter im Gespräch mit der Zeitung "Die Welt" erklärt. Dem Tagesspiegel sagte er, die Partei sei "in großen Teilen mittlerweile genervt" vom Agieren der Linksjugend.

15.000 Euro bekommt Solid Berlin jährlich von der Berliner Linken. Damit könnte es schon Ende April vorbei sein. Werden Gelder nur noch projektbezogen ausgezahlt, müssen diese vorab beantragt werden. Die Handlungsfreiheit der Parteijugend würde damit empfindlich eingeschränkt.

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