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Dieses Jahr nicht. Am 17. März erinnern die Iren normalerweise an ihren großen Nationalheiligen St. Patrick.

© imago/Christian Mang

Irlands Botschafter über Rituale: Der St. Patrick's Day muss wegen des Coronavirus ausfallen

Auch alle Feiern zum St. Patrick’s Day in Berlin fallen aus. Der irische Botschafter über spricht über literarische Alternativen und die EU.

Wenige Feiertage werden in vielen Ländern der Erde zelebriert. Einer von Ihnen ist St. Patrick’s Day, der irische Nationalfeiertag. In diesem Jahr mögen die öffentlichen Paraden ebenso ausfallen wie die lustigen Runden in den Irish Pubs. Auch der alljährlich stattfindende Empfang in der Botschaft wurde abgesagt. Umso mehr Grund, einmal ganz in Ruhe auf die tieferen Wurzeln des Tages zu blicken.

Auf der Visitenkarte des irischen Botschafters ist rechts oben eine goldene Harfe eingeprägt. Nicholas O'Brien macht keinen Hehl aus seinem Stolz darauf: „Wir sind das einzige Land auf der Welt mit einem Musikinstrument im Wappen.“ Kein Wunder, die Iren lieben Musik und sind zudem berühmt für ihre großen Literaten, James Joyce, George Bernard Shaw, Oscar Wilde und viele andere. Am St. Patrick’s Day geht es darum, die irische Identität zu feiern: die „Irishness“.

In Berlin leben inzwischen 4000 Iren, etwa achtmal so viel, wie noch vor zehn Jahren. In ganz Deutschland sind es inzwischen 20 000. Wer denkt, „Irishness“, also das, was die Iren ausmacht, werde vor allem in den Irish Pubs mit ordentlich Guiness gefeiert, greift auch in normalen Zeiten viel zu kurz. Irishness, so der Botschafter, der seit letzten Sommer in Berlin wirkt, bedeutet vor allem auch Offenheit, Liebe zur Vielfalt, Diversität.

Sein Land hat sich rasant verändert in den letzten Jahrzehnten von einem Landwirtschaftsstaat hin zu einem Hightech-Land, das Investoren aus der ganzen Welt anzieht. Nachdem die Finanzkrise überwunden war, haben die Iren viel Geld in Ausbildung gesteckt, damit internationale Unternehmen gute Mitarbeiter finden konnten.

Aus allen Ländern sind sie gekommen

Aber auch Zuwanderung haben sie befördert. Aus allen Ländern sind sie gekommen, aus Polen, aus dem Baltikum, Frankreich, Spanien auch Deutschland. „Wir bieten stabile Verhältnisse“, sagt der Botschafter. Das wüssten gerade international operierende Unternehmen zu schätzen. Irishness, ergänzt er, bedeute, einem Fremden nicht einfach „Willkommen“ zu sagen, sondern ihm „100 000 Welcomes“ anzubieten. Dass der Ehrentag des irischen Nationalheiligen St. Patrick in normalen Zeiten keineswegs nur in Irland, sondern überall auf der Welt gefeiert wird, hat mit den 80 Millionen Menschen zu tun, die über den Erdball verstreut sind und irische Wurzeln haben, allein 40 Millionen davon in den USA.

Stolz auf sein Land. Irlands Botschafter Nicholas O'Brien.
Stolz auf sein Land. Irlands Botschafter Nicholas O'Brien.

© Stefan Weger

Oftmals sind die Vorfahren vor der großen Armut geflohen, die lange in ihrem Heimatland herrschte, haben aus der Ferne die Familien unterstützt, um anderen die Auswanderung zu ermöglichen. Und haben dabei nie ihre Identität vergessen. Paraden gibt es, wenn nicht gerade ein Virus um den Erdball geht, ebenfalls in vielen Ländern. Der Botschafter, der von 2004 bis 2008 Generalkonsul in Shanghai war, hat auch dort eine kleine Parade etabliert.

Als Kind hat Nicholas O’Brien St. Patrick's Day geliebt, wie eigentlich alle Kinder. Damals war er Pfadfinder. Auf der Hauptstraße in Dublin gab es eine große Parade mit vielen Kapellen, grün gekleideten Menschen, Fußballmannschaften und natürlich einem St. Patrick-Darsteller mit Mitra und Bischofsstab. „So hat er aber wahrscheinlich nicht ausgesehen“, glaubt der Botschafter.

Der große Heilige hat schon im Jahr 432 das Christentum nach Irland gebracht. „Wahrscheinlich hat er ganz normale Sachen getragen.“ Von Irland aus wurde das Christentum weitergetragen, zum Beispiel durch St. Kilian, der im Jahr 686 in Würzburg den Grundstein legte für die deutsch-irischen Beziehungen.

Das Wichtigste: Man durfte Süßigkeiten essen

St. Patrick’s Day war für die Kinder immer ein schönes Fest, weil es ein Sonntagsessen gab, weil der Frühling nah war und die Möglichkeit, wieder mehr draußen zu spielen. Und vor allem durfte man da Süßigkeiten essen. Und das, obwohl der 17. März eigentlich immer in die Fastenzeit fällt, wenn viele katholische Kinder auf Schokolade und andere Naschereien verzichten.

Die größte St. Patrick’s Parade in Deutschland Europe gab es im vergangenen Jahr in München mit etwa 50 000 Teilnehmern. Seit 2010 existiert die weltweite Aktion, große Sehenswürdigkeiten grün anzustrahlen: „Ireland’s Greening of the World“. Den Anfang machte die Oper in Sydney, aber auch die Niagarafälle, die ägyptischen Pyramiden und natürlich der Funkturm in Berlin leuchteten zu Ehren St. Patrick’s in den vergangenen Jahren schon grün.

Wenn sich die geladenen Gäste in den vergangenen Jahren zu Ehren des großen Heiligen in der Botschaft versammelten, steckten sie sich golden glänzende dreiblättrige Kleeblätter an – oder die Nadeln mit der irischen und der deutschen Flagge. Irische Lebensmittelproduzenten präsentierten ihre Produkte. Der Käse ist berühmt, das Rindfleisch von den satten grünen Weiden auch.

Richtig großen Anlass, den Tag des Nationalheiligen zu zelebrieren, wird es in zwei Jahren geben. Da feiern die Iren den 100. Tag ihrer Staatsgründung. Vorher haben sie unter britischer Herrschaft gelebt, auf deren Spuren Irland-Besucher immer wieder stießen. Seit dem Besuch der Queen in Dublin im Mai 2011 schauen beide Länder entschlossen in eine bessere Zukunft.

Die Beziehungen zur EU weiter vertiefen

Die Iren sind allerdings glühende Europäer. „Wir wollen unsere Beziehungen weiter vertiefen“, sagt O’Brian. Ökonomisch, politisch und gesellschaftlich sei die Mitgliedschaft in der EU für die Iren eine großartige Erfahrung gewesen. Von 2008 bis 2011 war O’Brien schon mal in Berlin stationiert, anschließend war er im Finanzministerium in verschiedenen Funktionen in Dublin tätig.

Fragt man den Botschafter nach seinen literarischen Vorlieben, nennt er neuere Namen, Jan Carson aus Belfast oder Flan O’Brien, der surrealistische Komödien schreibt. Er liebt lange Spaziergänge und geht gern in die Oper. Das ist für ihn das Schönste an Berlin, die drei Opernhäuser. Die Harfe passt eben nicht nur in seiner Funktion als Botschafter zu ihm. Solange die Oper geschlossen ist, bleibt im Sinne der Irishness immer noch die Literatur.

Der Botschafter will einen neuen Preis schaffen für Deutsche, die sich um die Beziehungen zwischen beiden Ländern besonders verdient gemacht hat, den Heinrich-Böll-Preis. Das „Irische Tagebuch“ des Schriftstellers hat vielen Deutschen das Land mit der 5000-jährigen Geschichte neu erschlossen und zum Reisen motiviert. Erstmals wollte er ihn eigentlich beim Empfang am St. Patrick’s Day verleihen. Mag er am 17. März auch nicht stattfinden können, soll er doch nachgeholt werden.

In Irland selbst wird der Tag natürlich doch gefeiert, nur anders. Das irische Fernsehen hat die Zuschauer aufgerufen, trotzdem grün zu tragen und die schönsten Fotos und Videos von zu Hause zu schicken.

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