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Stahl des Anstoßes - das Hochhaus an der Warschauer Straße, wo die Entwickler von Amazon einziehen wollen.

© promo

Investor des Berliner Amazon-Towers wehrt sich: „Wir fangen jetzt an mit dem Hochhaus“

Der Investor des Hochhauses an der Warschauer Straße hält trotz Kritik an seinen Plänen fest. Im Interview bietet er aber Korrekturen im Detail an.

Nichts ist in Berlin so, wie in anderen Städten, schon gar nicht in Friedrichshain-Kreuzberg. Der für bunte Partymeilen und wehrhafte Subkultur bekannte Bezirk erteilte vor Monaten eine Genehmigung für den Bau eines Hochhauses an der Warschauer Straße - will diese Entscheidung nun aber rückgängig machen. Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte vor gut einer Woche erklärt, der Immobilienentwickler Edge Technologies halte sich nicht an Vorgaben des städtebaulichen Entwurfs, er befolge die Vorgaben des Baukollegiums von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher nicht. Kurzum es gehe um die Glaubwürdigkeit der Verwaltung und die Durchsetzung öffentlicher Interessen. Der Gründer und Chef der niederländischen Firma, der Wahlberliner Coen van Oostrom, widerspricht im Tagesspiegel-Interview, betont die bisher gute Zusammenarbeit in gemeinsamen Workshops und persönlichen Gesprächen.

Herr van Oostrom, der Bezirk will Ihre Turmbau-Pläne an der Warschauer Straße kippen, wie haben Sie davon erfahren - per Mail oder SMS?
Nein, wir wurden überrascht und haben durch die Anfrage des Tagesspiegels davon erfahren. Wir haben drei Jahre sehr gut mit dem Senat, mit der Senatsbaudirektorin Lüscher und dem Baustadtrat Schmidt zusammengearbeitet. 

Haben Sie nach der schlechten Nachricht nochmal mit Baustadtrat Schmidt gesprochen?
Wir hatten am 11. Oktober einen Termin mit ihm. Den hat er abgesagt. Wir möchten gern mit dem Bezirk zusammenarbeiten und glauben, ein neuer Wettbewerb macht keinen Sinn. Aber wir wüssten gern, worin genau das Problem liegt. Es gab dieses Problem nicht in den letzten 2,5 Jahren.

Sie sind ratlos?
Nein, aber unglücklich. Wir haben eine Baugenehmigung. Wir fangen jetzt an. Aber anfangen in einem Bezirk, der nicht happy ist, wollen wir eigentlich nicht. Berlin ist für mich ein sehr wichtiger Ort. Meine Frau ist Berlinerin, mein Sohn wurde letztes Jahr in der Charité geboren. Ich verstehe mich als Teil dieser Stadt und will es hier richtig machen.

Ist das eine politische Entscheidung, weil linke Kreise einen Turm und dann noch mit Amazon als Mieter in Friedrichshain-Kreuzberg nicht wollen?
Berlin ist immer eine sehr politische Stadt gewesen. Die Frage ist, ob wir die Stadt so erhalten, wie sie vor zehn Jahren war oder ob es Platz für Hochhäuser und internationale Architekten der Güte von Bjarke Ingels gibt. Die Warschauer Straße ist eine besondere Lage, da gibt es Amazon, Zalando, Coca-Cola sowie die Mercedes-Benz-Arena. In den sozialen Medien finden die einen, ein Hochhaus schadet, die anderen nicht. Das verstehen wir. Aber wenn vor 15 Jahren ein Turm mit 140 Metern beschlossen wurde, dann kann man darüber nicht grundsätzlich diskutieren.

Coen van Oostrom.
Coen van Oostrom.

© Thilo Rückeis

Grundsätzlich nicht, aber über die Pläne ja wohl schon?
Ja, aber das bedeutet zwei Jahre in der Zeit zurückzugehen. Das ist unmöglich. Da gibt es zu viele Verträge mit Banken und Nutzern. Teile der unterirdischen Bauten werden schon geplant und vorfabriziert. Das kann jeder am Immobilien-Markt nachvollziehen. Eigentlich ist die Forderung unfassbar.

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Und wenn Schmidt stur bleibt und Sie juristisch bekämpft?
Es ist das erste Mal in Deutschland, dass ein Bezirk eine Baugenehmigung erteilt und danach bekämpft. Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Wir wollen nicht mit Anwälten sprechen, sondern mit Herrn Schmidt.

Aber pleite gehen Sie daran nicht oder?
Wir gehen nicht pleite. Es wäre ungesund, wenn ein Entwickler abhängig wäre von einem Projekt. Aber der Fall ginge vor Gericht und dann wäre die Frage, ob wir im Rahmen des städtebaulichen Vertrags gearbeitet haben oder nicht. Ich bin 100-prozentig überzeugt, dass wir uns in dessen Rahmen bewegen. Und ich erwarte volle Unterstützung vom Senat. Deutschland ist ein Rechtsstaat und keine Bananenrepublik. Wenn Leute investieren, dann ist es wichtig, dass man redet, arbeitet und verhandelt und sich darauf verlassen kann, dass es am Ende bei Vereinbarungen bleibt. Dass es politische Wünsche gibt, verstehen wir.

Auch die neue linke Stadtentwicklungspolitik?
Ja, in Berlin wird viel über die Zukunft der Stadt diskutiert und ich glaube, wir können da eine gute Rolle spielen. Wenn es nicht ausreicht, dann setzen wir uns zusammen und reden weiter. Alles zu stoppen, geht gesetzlich nicht und ist moralisch nicht vertretbar. Es ist schlecht für den Standort. Dann wird es auch schwierig, die Jobs nach Berlin zu holen, die wichtig sind für die Stadt.

Ganz unverhofft kam die Notbremsung nicht. Im Protokoll ist von einem verstörten Baukollegium zu lesen und vergeblichen Aufforderungen, die Pläne anzupassen…
Also wir haben einen Wettbewerb durchgeführt. Dann ist das Ergebnis weiter bearbeitet worden. Nach der zweiten Sitzung im Baukollegium wurde uns signalisiert, dass eine Baugenehmigung beantragt werden kann. Für uns bedeutete das, dass die Pläne zu 95 Prozent in Ordnung sind und wir an den Details weiterarbeiten.

Welche Details?
Der Sockel, also das Material für die unteren Geschosse und für die Decken von den Balkonen, ob Stahl oder Beton verwendet wird und ob das mit Kunststoff ausgeformt wird. Für mich ist es aber nicht ganz klar, was eine gute Lösung aus Sicht des Baukollegiums ist. Aber es ist nicht ungewöhnlich, dass Ping-Pong gespielt wird zwischen Architekt, Bauherr und Baukollegium. Deshalb waren wir enttäuscht nach der Sitzung des Baukollegiums und haben einen Workshop dazu vorgeschlagen.

Das Baukollegium will nach der vierten Behandlung keine fünfte mehr. Das Verständigungsproblem scheint schwerwiegend zu sein?
Wir haben einen internationalen Architekten mit großem Renommee, dem man nicht sagen kann, mach das mal schwarz und das weiß. Und bei einem so wichtigen Projekt ist es nicht schlimm, wenn es länger dauert. Wir haben Zeit.

Genug Zeit, um nochmal zu planen?
Nein, wir fangen an zu bauen. Aber die ersten neun Monate arbeiten wir unterirdisch. Erst danach kommt der Hochbau. Und es dauert noch zweieinhalb Jahre, bis die Fassade an der Reihe ist. Die Details können wir in Ruhe mit der Verwaltung bearbeiten.

Aber der Bezirk will jetzt neu planen und für Lüschers Baukollegium ist die Zusammenarbeit beendet.
Wir haben gefragt, ob es ein Problem mit dem Baukollegium gebe. Das wurde verneint. Wir haben eine Genehmigung und können anfangen zu bauen. Aber natürlich wollen wir, dass alle happy sind. Deshalb schlagen wir den Workshop vor. Das haben wir am Tag des Baukollegiums getan.

Gab es eine Antwort?
Ja, in den nächsten Wochen gibt es einen Termin, um mit Frau Lüscher und Leuten aus ihrem Team die Details voranzubringen.

Also gibt es kein Reset des ganzen Verfahrens?
Nein, das ist unmöglich.

Warum?
Nochmal von vorne anzufangen, würde erneut Millionen kosten, die schon in die Planung geflossen sind. Und wir haben in den letzten 2,5 Jahren immer ganz offen und gut zusammen gearbeitet mit dem Bezirk und dem Senat. Allen Änderungen wurde immer zugestimmt.

Der Bezirk sagt, auch wegen der Verkleinerung der Grundfläche sei die Planungsgrundlage entfallen. Stimmt das?
Nein, das ist seit 2017 bekannt. Das steht auch in der Baugenehmigung. Im November 2018 hatten wir eine öffentliche Prüfung der Pläne im Bezirk mit Parlamentariern. Da gab es auch viel Zustimmung. Deshalb sind wir so verwundert.

Gibt es ein persönliches Problem mit Baustadtrat Schmidt?
Nein, ich habe immer gut mit ihm zusammen gearbeitet. Er wollte wissen, was der Turm für den Bezirk leisten kann. Wir haben dazu auch Workshops gemacht. Für ihn waren offene Dachterrassen und untere Geschosse für die Menschen wichtig. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, in der wir unter anderem 100 Quadratmeter zur Nutzung an Vereine aus dem Bezirk und Arbeitsplätze für Veranstaltungen bereit stellen. Für acht Euro je Quadratmeter. Dafür hat Schmidt gekämpft und einen guten Deal für seinen Bezirk gemacht.

Scheitert das Ganze an den Hochhausrichtlinien des Senats?
Nein, zumal die Richtlinie erst später kam. Wir haben das Grundstück 2016 gekauft. Aber wir versuchen, gut mit der Stadt zusammenzuarbeiten und halten die Vorschriften ein. Wir wollen sogar eine neue Stufe der Nachhaltigkeit beim Edge erreichen. Deshalb meinen wir, mit einem Politiker der Grünen gut klar zu kommen.

Hochhäuser sind eher Energieschleudern, was haben Sie vor?
Stimmt, der Bau eines energieneutralen Hochhauses ist noch nie gelungen. Das wäre Weltrekord. Aber wir werden die höchste Klimazertifizierung in Deutschland erreichen. Die hat fast kein anderes Hochhaus. Weil auf dem Dach kein Platz für Solarzellen ist, wollen wir auf dem benachbarten Kaufhaus welche aufstellen. Da laufen die Verhandlungen. Unser Mieter findet das übrigens auch wichtig.

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