zum Hauptinhalt
Die Asiatischen Marienkäfer haben viel mehr Punkte als die einheimischen Exemplare.

© Lajos Nagy / dpa

Invasion der Glücksbringer: Asiatische Marienkäfer und Amerikanische Wanzen beunruhigen Berliner

Tausende von Marienkäfern und Wanzen tummeln sich aktuell in der Hauptstadt. Viele Bürger haben Angst. Zu Unrecht, versichern Naturschützer.

Von Sandra Dassler

Etwas irritiert waren einige Hauptstadt-Touristen schon, als sie vergangene Woche Hunderte, wenn nicht Tausende von Marienkäfern an der Berliner Gedächtniskirche entdeckten. „Am nächsten Tag waren die Tiere wieder verschwunden“, sagt Derk Ehlert, der unter anderem als Wildtier-Experte in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Bereich Naturschutz und Landschaftsplanung arbeitet. „In diesen Tagen lassen sich die Käfer vermehrt an warmen Hauswänden, Terrassen oder sogar auf Hosenbeinen von Sonnenanbetern nieder. Und wer sie genau anschaut, stellt oft fest, dass sie etwas anders aussehen als früher.“

Auch die Tierchen, die Annegret Klein seit Wochen beschäftigen, sehen anders aus als alles, was sie bisher kennt. „Ich wohne im Cottbuser Stadtteil Sielow direkt am Wald, da findet man gerade im Herbst oft Insekten oder Spinnen im Haus“, sagt sie. „Meist wickele ich sie vorsichtig in ein Küchentuch und trage sie nach draußen.“ Doch diese dunklen Krabbeltiere kamen immer wieder, und irgendwann wurde es selbst der tierlieben Annegret Klein zu viel: „Da saßen plötzlich Hunderte Käfer auf meiner Veranda, die den ganzen Tag von der Sonne beschienen wird.“

Klein machte sich schlau, um was für Tiere es sich handelte, und erfuhr als erstes, dass ihre Besucher keine Käfer, sondern Amerikanische Kiefernwanzen waren. „Zum Glück haben die nichts mit den gefürchteten Bettwanzen zu tun, die ja bekanntlich in den Großstädten wieder häufiger auftreten“, sagt sie. „Die Bettwanze ist ein parasitärer Blutsauger, die Kiefernwanzen halten sich an Pflanzen – in dem Fall wohl an die Kiefern hinterm Haus.“

Klein ist nicht die einzige, die derzeit von den Amerikanischen Kiefernwanzen heimgesucht wird. Wie der Name schon sagt, stammen diese aus Amerika, wurden erst zu Beginn des Jahrtausends erstmals in Europa und Deutschland gesichtet, haben sich seither aber rasant verbreitet.

Die Sonnenanbeter sind ungefährlich

Größere Schäden richten sie, wenn sie nicht gerade in Baumschulen siedeln, nicht an, heißt es beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu): „Die Sonnenanbeter und potentiellen Hausbesetzer leben an Nadelbäumen aller Art und sind ungefährlich. Allerdings locken sie mit Duftstoffen Artgenossen an, sodass es zu großen Winteransammlungen kommen kann.“

Wenigstens miefen die Kiefern- oder Kiefernzapfenwanzen, wie sie von manchen genannt werden, nicht so extrem wie die Grünen Stinkwanzen, die starken Gestank absondern und viele Haus- und Gartenbesitzer stören.

Allerdings berichteten in der vergangenen Woche Anwohner vom Spremberger Stausee, dass die Kiefernwanzen dort ebenfalls einen unangenehmen Gestank ausströmten. Das tun sie, um Vögel fernzuhalten. Im Übrigen seien sie auf der Suche nach Wärme – genau wie die Marienkäfer, sagt Sylvia Knopke, die Leiterin des Pflanzenschutzdienstes beim brandenburgischen Landesamt für Umwelt, Flurneuordnung und ländliche Entwicklung.

„Wir hören immer mal wieder von Problemen mit Marienkäfern, weil sie örtlich sehr massiv auftreten können.“ Allerdings handele es sich dann meist nicht um die einheimischen Glücksbringer, sondern um den sich stark vermehrenden Asiatischen Marienkäfer, auch Vielfarbiger oder Harlekin-Marienkäfer genannt.

Er verdrückt mehr als fünfmal so viele Blattläuse wie Marienkäfer

Er gehört wie die Amerikanische Kiefernwanze zu den sogenannten Neozoen. Das sind Tiere, die unter direkter oder indirekter Beteiligung von Menschen in Gebiete gelangten, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren. Während das bei den Wanzen wahrscheinlich unbeabsichtigt durch die Einfuhr von Gehölzen aus Amerika passierte, wurde der Asiatische Marienkäfer, der in China und Japan beheimatet ist, sowohl in den USA als auch in Europa seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zur biologischen Pflanzenbekämpfung eingesetzt.

Er verdrückt mehr als fünfmal so viele Blattläuse wie unsere heimischen Marienkäfer, allerdings verdrängt er diese auch, seit er – wie auch immer – aus den Gewächshäusern ins Freiland gelangt ist. Außerdem ist er größer, hat – wie ein Harlekin – ganz verschiedene Farben und weist wesentlich mehr Punkte auf als unsere heimischen Marienkäfer.

Von denen sind vor allem der Zwei- und der Siebenpunktkäfer bekannt, sagt Wildtier-Experte Derk Ehlert. „Der frisst die Larven des Asiatischen Marienkäfers und infiziert sich so mit Parasiten, gegen die zwar der Neuankömmling immun ist, aber nicht unsere heimischen Arten.“

"Wenn die Sonne weg ist, sind sie auch verschwunden“

Für Menschen seien aber sowohl die „neuen“ Marienkäfer, als auch Kiefernwanzen völlig ungefährlich – darauf weist auch Sylvia Knopke hin: „Man kann nicht auf der einen Seite das Insektensterben beklagen und auf der anderen gleich in Hysterie verfallen, wenn mal ein paar von ihnen gehäuft auftreten“, sagt sie. „Die fliegen auch wieder weg.“

Die Asiatischen Marienkäfer an der Berliner Gedächtniskirche haben das bereits getan, und Klein hat inzwischen Fliegengitter an allen Fenstern angebracht. „Im Haus möchte ich die Kiefernwanzen nicht haben. Aber draußen an der Wand lasse ich sie einfach sitzen. Wenn die Sonne weg ist, sind sie auch verschwunden.“

Zur Startseite