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Der Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen spricht im Interview auch über die Sanierung der Staatsoper.

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Interview mit Matthias Kollatz-Ahnen: „Früher hieß es, Berlin sei unsanierbar …“

Der neue Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über den neuen Regierenden, das ICC, Wohnungsbau und die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Herr Kollatz-Ahnen, was hat Sie bewegt, nach Berlin zu gehen, in die Höhle des Löwen, wo es für Politiker schnell ungemütlich wird?
Ich habe lange in einem Bundesland gelebt, das den Löwen im Wappen hat. Nämlich Hessen. Berlin hat den Bären, und Bären sind den Menschen doch eher freundlich gesonnen. Insofern – alles gut.

Haben Sie sofort Ja gesagt, als das Angebot kam, Finanzsenator in Berlin zu werden?
Ich habe mir 24 Stunden Bedenkzeit ausgebeten …

… und es hat Sie keiner gewarnt, nach Berlin zu kommen, etwa der frühere Bildungssenator Jürgen Zöllner, den Sie gut kennen?
Es stimmt, Herrn Zöllner kenne ich nicht nur aus Rheinland-Pfalz, sondern schon aus Hessen, wo er herkommt. Ich habe aber bisher nicht mit ihm darüber gesprochen; wir holen das sicher in nächster Zeit nach.

Was ist Ihr erster Eindruck vom politischen Umfeld in Berlin?
Ich habe ja schon mal in Berlin gewohnt und studiert, auch wenn das eine Weile her ist, von 1982 bis 1991. Die Stadt hat in den letzten Jahren eine erstaunliche, positive Entwicklung hingelegt. Berlin ist eine optimistische Stadt, das finde ich gut.

Kannten Sie den Regierenden Bürgermeister Michael Müller, bevor Sie nach Berlin kamen?
Wir kennen uns seit geraumer Zeit, hatten gelegentlich Kontakt, etwa auf Bundesparteitagen der SPD, auf denen ich für die SPD Hessen-Süd viele Jahre in der Antragskommission saß. Da begegnete mir ab und zu der damalige Berliner SPD-Landeschef Michael Müller. Und wir haben dann überlegt, was man auf dem Parteitag gemeinsam machen kann.

Und jetzt hat er Sie nach Berlin geholt, weil …
… er glaubt, dass auch der neue Senat davon profitieren kann, wenn jemand von außen in die Berliner Landespolitik kommt.

Wie sehen Sie die aktuelle Finanz- und Wirtschaftslage Berlins? Welche Risiken gibt es, welche Chancen sehen Sie?
Früher hieß es, Berlin sei unsanierbar. Das glaubt heute wohl niemand mehr. Diese Wende zum Besseren hat übrigens viel mit dem ehemaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu tun. Trotzdem bleiben die hohen Schulden von rund 61 Milliarden Euro eine echte Herausforderung. Wenn ab 2020 die Schuldenbremse gilt, muss Berlin sich noch mehr aus eigener Kraft heraus entwickeln und wachsen. Wir dürfen auch nicht der Illusion verfallen, dass der Wirtschaftsboom immer so weitergeht. Was gelungen ist, und das will ich als Finanzsenator unterstützen: In Berlin hat sich in den vergangenen Jahren eine starke wirtschaftliche Dynamik entfaltet, und das ist gut so.

Sie haben einen Haushalt für 2014/2015 vorgefunden, der vom alten Senat beschlossen wurde. Schränkt das Ihren Handlungsspielraum nicht sehr ein?
Das ist ein solider Haushalt, soweit ich das nach so kurzer Zeit im Amt beurteilen kann. Was in den nächsten Monaten ansteht, ist die Aufstellung des nächsten Doppeletats für die Jahre 2016/2017. Dafür bin ich dann zuständig. Die Haushaltskonsolidierung bleibt eine wichtige Komponente, diesen Kurs verfolge ich natürlich weiter. Aber wenn die günstige wirtschaftliche Lage anhält, sollten die Spielräume genutzt werden, um die öffentlichen Investitionen zu stärken. Die Regierungsfraktionen SPD und CDU haben schon einen Wachstumsfonds für solche Zwecke eingerichtet, der einen Teil der Haushaltsüberschüsse für zusätzliche Investitionen einsetzen wird.

Wäre es nicht an der Zeit, die schon eingeplanten Investitionsmittel endlich voll zu nutzen? In den vergangenen Jahren wurden die Gelder teilweise nicht ausgeschöpft, auch 2014 werden 90 Millionen Euro nicht verbaut.
Dafür gibt es teilweise objektive Gründe, etwa Bauverzögerungen bei einzelnen Vorhaben. Und neue Projekte, wie etwa der Neubaufonds für Wohnungen, brauchen erst mal eine Anlaufphase. Aber klar, vorhandene Investitionsmittel sollten ausgeschöpft werden. Wenn das nicht der Fall ist, müssen wir es besser machen. Da ist noch Luft nach oben.

Ein Beispiel?
Bei der Staatsoper beispielsweise sind die Verzögerungen auch darauf zurückzuführen, dass die Planung für die Sanierung abschnittsweise, also teilweise parallel zu den Bauarbeiten erfolgte. Besser ist es, erst die Pläne zu machen und dann während der Bauarbeiten möglichst wenig zu verändern.

Es gibt in Berlin ein Großprojekt, das seit 15 Jahren diskutiert wird: Die Sanierung des Internationalen Congress Centrums. Vor einem halben Jahr wurde das ICC geschlossen, der Senat hat noch nicht entschieden, was passieren soll. Abreißen, vermodern lassen, sanieren. Haben Sie eine Idee?
Es wäre klug, auf die Auswertung eines Gutachtens zu warten, das Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer in Auftrag gegeben hat. Dem will ich nicht vorgreifen. Aber was mir einleuchtet ist, dass auch eine privatwirtschaftliche Nutzung des ICC in Erwägung gezogen wird.

Rot-Schwarz hat einen Fonds zur Förderung des Wohnungsneubaus aufgelegt, mit 320 Millionen Euro bis 2017. Der Regierende Bürgermeister Müller plädiert dafür, diesen Fonds aufzustocken. Macht der neue Finanzsenator das mit?
Wir müssen sehen, ob dies in den Rahmen des Haushalts passt. Das ist übrigens auch die Linie des Regierenden. Wenn es finanziell machbar ist, sollte es in der Prioritätenliste ganz oben stehen. Natürlich spricht viel dafür, den Wohnungsbau in einer wachsenden Stadt mit öffentlichen Mitteln so weit wie möglich zu unterstützen. Am Ende geht das immer nur im Zusammenspiel mit privaten Investoren, die den Großteil der Bauinvestitionen leisten. Und ich werbe nachdrücklich für Fördermodelle, die künftige Haushalte nicht mit laufenden Zuschüssen belasten. Mit dieser Art Wohnungsbauförderung hat Berlin in den vergangenen Jahrzehnten schlechte Erfahrungen gemacht, ein Teil der hohen Verschuldung dürfte darauf zurückzuführen sein. Dann lieber kleinere Brötchen backen.

Der Finanzausgleich zwischen dem Bund und den Ländern wird neu geordnet. Worauf muss Berlin in den laufenden Verhandlungen besonders achten?
Berlin hat klug gehandelt, indem der Senat ohne unmäßige Forderungen in die Gespräche gegangen ist. Uns geht es vor allem darum, den schrittweisen Abbau der Solidarpaktgelder von ehemals zwei Milliarden Euro auf null im Jahr 2020 zumindest teilweise zu kompensieren. Mit der aktuell diskutierten Eingliederung des Solidarzuschlags in die Einkommen- und Körperschaftsteuer würde Berlin etwa 400 Millionen Euro erhalten. Auf mehr können wir definitiv nicht verzichten. Wobei grundsätzlich gilt: Berlin muss seine Zukunft so weit wie möglich aus eigener Kraft gestalten und das Beste aus dem machen, was es hat.

Aktuell spielt es keine Rolle, aber das Thema flackert immer mal wieder auf: Die Neugliederung der Länder, vor allem die Fusion der Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen mit ihrem Umland. Was halten Sie davon?
Zu Berlin-Brandenburg hat es 1996 eine Volksabstimmung geben, an der die Fusion scheiterte. Ich kann mir grundsätzlich vorstellen, dass diese Frage in der Zukunft noch einmal diskutiert wird. Aber das macht nur Sinn, wenn sich dafür in der Bevölkerung beider Länder eine Mehrheit abzeichnet.

Matthias Kollatz-Ahnen, SPD, ist Finanzsenator. Zuvor war der 57-Jährige bei Pricewaterhouse Coopers und Vorstandsmitglied bei der Europäischen Investitionsbank.
Matthias Kollatz-Ahnen, SPD, ist Finanzsenator. Zuvor war der 57-Jährige bei Pricewaterhouse Coopers und Vorstandsmitglied bei der Europäischen Investitionsbank.

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Sie waren Vize-Präsident der Europäischen Investitionsbank und kennen die europäische Finanzwelt. Nutzt Berlin die Möglichkeiten, an Gelder aus Europa heranzukommen, genügend aus? Oder ist da mehr zu holen?
Aus den traditionellen Fördertöpfen, ESF und EFRE, stehen Berlin bis 2020 rund 850 Millionen Euro zu. Dafür hat der Senat bereits operative Programme entwickelt und weitgehend mit der EU abgestimmt. Diese Mittel sollten dann auch ausgeschöpft werden, und vielleicht lassen sich die sogenannten revolvierenden Fonds noch ein bisschen erhöhen. Darüber hinaus könnte Berlin von dem neuen Investitionsprogramm der EU-Kommission profitieren, das muss ausgelotet werden. Dann gibt es noch Sonderprogramme, für die man sich aktiv bewerben muss, etwa für Wissenschaft und Forschung. Da kann ich mir vorstellen, dass Berlin und Brandenburg gemeinsam versuchen, zusätzliche Fördermittel einzuwerben. Und die Europäische Investitionsbank kann als Finanzierungspartner sicher auch für das eine oder andere Projekt in Anspruch genommen werden.

Bei dem, was sich der neue Finanzsenator jetzt vornimmt, ziehen die Kollegen im Senat mit? Spüren Sie breite Solidarität?
Nach den ersten Tagen im Amt kann ich sagen, dass ich freundlich im Senat aufgenommen wurde. Natürlich wird es immer wieder Themen geben, wo unterschiedliche Meinungen aufeinandertreffen. Das ist normal, und auch legitim. Dann muss man versuchen, auf einen Nenner zu kommen. Ich bin mir sicher, dass dies gelingen wird. Ich gehe optimistisch an meine Aufgaben heran.

Über Weihnachten wühlen Sie sich erst einmal durch die Akten der Finanzverwaltung?
Das auch. Aber zwischendurch muss ich noch eine Wohnung in Berlin suchen.

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