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"Gott ist Liebe": Maximilian Lenz alias DJ Westbam

© Imago

Interview mit Loveparade-DJ: Was Westbam vom Zug der Liebe hält

Am Sonnabend zieht der Zug der Liebe durch Berlin. Wie sehen die Größen der Loveparade das Ganze? Wir haben mit DJ Westbam gesprochen, der sich eher skeptisch zeigt.

Er legte früher auf der Loveparade auf, ist dieses Jahr nicht nur 50 geworden, sondern hat auch seine Biografie veröffentlicht: Maximilian Lenz alias DJ Westbam. Wir haben mit dem Musiker gesprochen, was er vom "Zug der Liebe" hält.

Am Samstag ziehen mehr als 20.000 junge Leute mit dem „Zug der Liebe“ über Prenzlauer Allee, Frankfurter Allee und Köpenicker Straße. Hätten Sie Lust mitzutanzen? Oder machen Sie das Fenster zu?
Ich bin am Samstag nicht in Berlin, deshalb könnte ich mich um eine Antwort herumdrücken. Aber wenn ich ehrlich bin, fand ich alle B-, C- und D-Paraden, die auf den wohl eingerottete Pfade der Loveparade hinterhertanzten, nie sehr prickelnd, schon von der Idee her.

Wenn Sie zurückdenken an die Loveparades in dieser Stadt – was ist Ihre stärkste Erinnerung?

Die Treppe zur DJ Booth hoch, Motte freut sich, wir klatschen ab, immer sehr gutes Wetter, von oben an der Siegessäule geguckt: kreischende Leute bis zum Horizont. Ein Gefühl von, wie soll ich sagen, Friede Freude, Eierkuchen. Toll, neu, nicht dagesessen bis dahin. Neuer Pop auf jeden Fall. Übertroffene Erwartungen, wahr gewordene Träume und so weiter…. ein Hochgefühl.

Die Loveparade hat das Lebensgefühl in Berlin über Jahre geprägt. Was erwarten Sie vom jetzigen „Zug der Liebe“?

Nicht viel mehr als ein Echo. Aber ich möchte den Dingen gerne die Chance lassen zu überraschen. Manchmal passiert was, wo man es zuallerletzt erwartet. Meine Bitte an alle Besucher: Wer danach meint, dass am Zug der Liebe etwas tolles Neues passiert ist - bitte eine Nachricht auf meiner Facebookseite. Mit kurzer Beschreibung, worin es bestand.

Friede, Freude, Eierkuchen lauteten die politischen Forderungen der ersten Demonstration namens Loveparade. Heute geht es gegen Gentrifizierung, Fremdenhass und Ausgrenzung. Sind die Zeiten härter geworden?

Das klingt ja sehr politisch ambitioniert. Da kommen gleich Flashbacks aus der Zeit hoch, als die Loveparade um ihren Demonstrationstatus kämpfte. Ich fand es schon damals sehr an den Haaren herbeigezogen. Gegen Gentrifizierung, Fremdenhass und Ausgrenzung geht es jetzt? Das hätte Motte auch sofort unterschrieben. Heute wie damals würde ich sagen: Man sollte dann vielleicht mit den Demonstranten ins Gespräch kommen, was sie zu diesen Fragen denken.Aber bisher hatte ich, wenn es um den Zug der Liebe ging, immer nur zwei Fragen gehört, nämlich: Gehst du auch zu dieser Loveparade? Und was wird'n ditte?

Ihre Generation hatte den bemerkenswerten Optimismus, mit Techno die Welt zu verändern. Was ist davon geblieben?

Ich denke nicht, dass der Glaube war, dass Techno die Welt verändern würde. Ok, vielleicht ein bisschen. Neue Jobs für alle durch neue Guarana-Stände in der ravenden Gesellschaft oder so. Oder: Alle werden DJs. Das ist in Berlin ja auch fast wahr geworden. Aber vor allem war die Loveparade ein Ausdruck der Euphorie und Freude, dass damals kurz nach dem Mauerfall alles irgendwie gut zu werden schien. Mit Werten wie Freiheit, Liberalität, Demokratie, technischem Fortschritt und unserer ganzen lockeren westlichen Lebensart, nackig durch die Stadt tanzen usw. Das hatte für immer gesiegt, schien es. Das war das Lebensgefühl der Neunziger in der westlichen Welt und die Loveparade sprach es schlicht und einfach besser und vollendeter aus als jedes andere musikalische Ereignis dieser Zeit. Genau in diesem Sinne tanzte dort in dem Moment der Weltgeist.

Loveparade, Clubbing, Berliner Partywelten – es sind stets auch Drogen im Spiel. Was ist Ihr väterlicher Rat an die junge Generation?

Ein gut gemeinter väterlicher Rat sollte immer mit einberechnen, dass das genaue Gegenteil von ihm befolgt wird. Von daher wäre es wohl das Staatstragendste zu sagen: „Hey Leute, knallt euch mit allem zu, bis nix mehr geht, wie eure alten Herrschaften früher! …Igitt. Das törnt ja wohl am meisten ab.

Was ist Liebe für Sie?

Wenn Sie das wirklich wissen wollen: Ich möchte gerne denken, dass Gott Liebe ist. Alles andere handelt mir sonst zu sehr von Abhängigkeitsgeschichten, Duftstoffen, Biochemie. Das ist mir zu unromantisch.

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