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Eckart von Hirschhausen, 49, ist Fernsehunterhalter, Mediziner und Schriftsteller.

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Interview mit Eckart von Hirschhausen: „An gesunden Menschen verdient man nichts“

Eckart von Hirschhausen hat für drei TV-Reportagen ein Altenheim, eine Psychiatrie und eine Frühchenstation besucht, unter anderem auch in Berlin. Im Gespräch kritisiert er die Pflegepolitik.

Herr von Hirschhausen, Sie haben drei Tage und Nächte in einem Altersheim gelebt. Haben Sie jetzt Angst vor dem Älterwerden?

Im Gegenteil, mir hat dieser Besuch Angst genommen und die Perspektive verändert. Für mich war es ein großes Experiment, weil ich ohne Drehbuch an die Orte gegangen bin - nicht als Moderator, Komiker oder Wissender, sondern als Fragender. Es war aber gut zu wissen, dass man nach drei Tagen wieder gehen darf.

Nur vier Prozent aller Deutschen über 65-Jährigen leben im Altersheim. Für Sie ist das also auch keine Option?

Solange es so engagierte Personen gibt, wie in dem Heim, in dem ich war, kann ich mir das vorstellen. Dort gibt es im Haus eine Kita und ein Restaurant. Die Stimmung war locker. Noch lohnender finde ich es, darüber nachzudenken, wie Menschen länger in ihrer Wohnung, in ihrem Kiez leben können. Das Gefühl abgeschoben zu werden, nutzlos und einsam zu sein, ist das Schlimme.

Sie waren in einem Vorzeige-Altersheim. Gerade im Pflegebereich gibt es aber auch viele Probleme.

Ich möchte nichts beschönigen. Wir müssen die Pflegenden pfleglicher behandeln! Wir haben schon heute 50.000 Pflegekräfte zu wenig. In zehn Jahren werden eineinhalb Millionen Menschen mehr auf Pflege angewiesen sein. Wir importieren viele Pfleger oder setzen auf Digitalisierung. Ich möchte aber weder von einem Roboter noch von jemandem, mit dem ich mich nicht verständigen kann, versorgt werden. Es muss möglich sein, diesen Beruf so attraktiv zu machen, dass junge Menschen darin ihre Zukunft sehen.

Humor und Engagement helfen, jung zu bleiben, sagt Hirschhausen.
Humor und Engagement helfen, jung zu bleiben, sagt Hirschhausen.

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Was schlagen Sie dafür vor?

Politisch braucht es klare Mindestbesetzungen, damit nicht an den qualifizierten Mitarbeitern am brutalsten gespart wird. Die Ausbildung muss qualitativ besser werden - mit einer gemeinsamen Grundausbildung. Ärzte und Pfleger sollten teilweise gemeinsam unterrichtet werden. Da gibt es bisher keine einzige gemeinsame Veranstaltung, obwohl man später als Team zusammenarbeitet und Fehler maßgeblich durch Unterbesetzung und fehlende Kommunikation entstehen. Es braucht auch eine Akademisierung im Pflegebereich. Ich finde es deshalb engstirnig von den Ärzten, dass sie sich nur um sich selbst sorgen. Die Pfleger haben keine bundesweite Pflegekammer und keine Lobby, die in der politischen Diskussion für ihre Rechte eintritt.

Ein anderes Problem, das Ihnen bei Ihren Filmen begegnet ist, war die Überversorgung. Das klingt paradox.

Wir Ärzte sind in dem Glauben erzogen worden, dass Altern und Tod die Feinde sind und dass man alles Behandelbare auch behandeln sollte. Ein großes Problem ist die total schwachsinnige Überversorgen alter Menschen mit Medikamenten. Da wird viel zu viel verschrieben. Jeder der mehr als vier verschiedene Medikamente hat, sollte mit Arzt und Apotheker besprechen, welche davon reduziert oder abgesetzt werden können. Gerade Schlaftabletten vom Valium-Typ, die Millionenfach geschluckt werden, fördern Abhängigkeit und Gangunsicherheit. Dadurch stürzen Senioren, ziehen sich Knochenbrüche zu und kommen ins Krankenhaus. Völlig unnötig verlieren sie ihre Selbstständigkeit.

Sie haben hier Medizin studiert und lang praktiziert. Vor welchen Herausforderungen steht Berlin im Gesundheitsbereich?

Berlin hat ein ganz großes Spektrum. Von der internationalen Spitzenmedizin an der Charité, bis zu den Menschen, die sich abgehängt fühlen. Was mich besonders umtreibt, ist der Anteil von Pflegebedürftigkeit, den man präventiv verhindern könnte. Wenn man am Alexanderplatz fragt, woran man Bluthochdruck oder einen Schlaganfall erkennt, wissen das die wenigsten. Ich bin auch dafür, viel stärker in den Schulen zu erklären, wie unser Körper und unsere Seele funktionieren. Die Notaufnahmen sind überlastet, weil Menschen nicht wissen, was von alleine weggeht und was nicht.

Sie sind Mediziner und Kabarettist. Was hilft denn nun mehr: Pillen oder Lachen?

Die Heilkräfte von Humor haben wir lange unterschätzt. Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen, dass Lachen gegen Schmerzen hilft. Neulich habe ich auch gelesen, dass ein Mensch, der sein Testament verfasst und darin einen guten Zweck begünstigt, drei Jahre länger lebt. Da besteht natürlich keine Kausalbeziehung, sondern lediglich eine Korrelation. Trotzdem: Ich habe Humanmedizin studiert – wo ist das humane geblieben? Jede Mutter auf der Welt singt ihrem Kind etwas vor, wenn es nicht schlafen kann. Aber wer traut sich, auf einer Frühchenstation zu singen? Und die Kassen fördern das auch nicht.

Investieren wir zu wenig in Prävention?

Eindeutig ja. Es wird langsam besser, aber es fehlt bösartig gesagt das Geschäftsmodell. An jemandem, der gesund ist, verdient man nichts. Die rein ökonomische Betrachtung von Gesundheit geht aber an dem vorbei, was uns als Gesellschaft interessiert.

Man sagt von Ihnen, dass Sie der Arzt sind, dem Berlin vertraut. Was ist Ihre Empfehlung an die Berliner, um jung zu bleiben?

Macht euch eine Liste von coolen Alten, denn wer ein positives Bild vom Alter hat, lebt länger. Bei mir sind das eine Frau, die mit über 90 Jahren noch Ping Pong spielt und mein Gitarrenlehrer Coco Schumann. Pflegen Sie Ihr Hobby — ich habe wieder begonnen, Gitarre zu spielen. Engagieren Sie sich sozial. Demokratie ist kein Zuschauersport, sondern lebt von den Menschen, die für eine offene Gesellschaft eintreten. Es gibt nichts, was die grauen Zellen besser schützt als ein buntes Leben.

Interview: Felix Hackenbruch

Die ARD zeigt am Montag um 20:15 Uhr „Hirschhausens Check-Up - Wie gutes Altern gelingt“. Im Anschluss wird das Thema bei „Hart aber fair“ diskutiert.

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