zum Hauptinhalt
Christoph Schmidt, Chef der Grün Berlin GmbH.

© Thilo Rückeis

Interview mit dem Chef der Grün Berlin: Herr über 1000 Hektar Park

Christoph Schmidt, Chef der Grün Berlin, über eine Achterbahn als abgefahrenes Kunstprojekt, die IGA 2017 und seine Ideen für die Freiflächen der Stadt.

Kaum ein landeseigenes Unternehmen ist in den vergangenen Jahren so stark gewachsen wie die Grün Berlin. Acht Millionen Euro Umsatz machte Grün Berlin 2008, jetzt sind es 60 Millionen Euro pro Jahr. 110 Mitarbeiter betreuen rund 1000 Hektar Parkfläche, hinzu kommen viele Gebäude und seit Kurzem ein Schloss, das in Biesdorf. Christoph Schmidt, 48, ist Chef der Grün Berlin GmbH.

Die IGA ist das wichtigste Projekt der Grün Berlin in diesem Jahr. Die Eröffnungsfeier ist für den 13. April vorgesehen. Könnte es passieren, dass Sie die Zeremonie eine Woche vorher absagen müssen?

Nein, bestimmt nicht. Wir liegen gut im Zeitplan, übrigens auch im Budget, was nicht selbstverständlich ist bei einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro und dem kurzfristigen Umzug vom ursprünglichen Standort Tempelhofer Feld nach Marzahn-Hellersdorf. Wir hatten gerade mal zweieinhalb Jahre Zeit, das vor Ort baulich umzusetzen, inklusive einem Planfeststellungsverfahren für das derzeit größte Seilbahnprojekt in Deutschland.

Die Bundesgartenschau im Havelland 2015 ging mit einem dicken Defizit zu Ende. Es kam eine halbe Million Besucher weniger als erwartet. Was können Sie tun, um den Berlinern Ähnliches zu ersparen?

Die Bundesgartenschau im Havelland war keine Pleite für die Region, im Gegenteil. Sie hat dem Landstrich sehr viel gegeben, im Sinne neuer touristischer Vermarktungsoptionen und einer besseren Vernetzung der beteiligten Landkreise. Die Schau war also nachhaltiger als es vordergründig den Anschein hat.

Wir haben in Marzahn eine ganz andere Grundvoraussetzung. Die IGA ist zentral angelegt, nicht dezentral, solche Projekte lassen sich effizienter steuern. Unsere Besucherprognose ist zudem sehr konservativ gerechnet worden. Ein Gutachter hat drei Szenarien entwickelt: das optimistische mit 3,2 Millionen Besuchern, das realistische mit 2,8 Millionen und das pessimistische mit 2,6. Wir sind nochmal runtergegangen auf 2,35 Millionen Besucher. Wenn’s den ganzen Sommer über regnet, bekommen wir natürlich auch Probleme.

Am Gleisdreieck-Park, der ja viel Lob erfahren hat, stellen sich erste Probleme ein. An sonnigen Sommertagen kommen so viele Menschen, dass sie sich gegenseitig den Platz streitig machen. Besteht die Gefahr, dass dem Park irgendwann das gleiche Schicksal droht wie dem Mauerpark, der nur noch Grill- und Partyzone ist?

Der Gleisdreieck-Park geht ja über in den Nord-Süd-Grünzug bis hin zum Schöneberger Südgelände. Wenn die Yorckbrücken fertig saniert sind, wird es einfacher möglich sein, auszuweichen und diese Verbindung als Verlängerung zu nutzen, wenn der Park überfüllt sein sollte. Wir haben zwei Parkmanager vor Ort, die müssen nach den Wochenenden schon genau hinsehen – wo liegt Müll herum, wo gab es Vandalismusschäden – um alles innerhalb von 24 Stunden reparieren zu können. Wehret den Anfängen. Wenn Partys sich ausdehnen, zu laut werden, müssen die Parkguides eingreifen. Laissez faire geht einfach nicht mehr.

Der Spreepark ist inzwischen eine Fläche der Grün Berlin. Die Bürgerbeteiligung läuft, parallel macht sich ein Team von Experten Gedanken. Haben Sie Angst, dass es wie beim Tempelhofer Feld am Ende zu einer Volksabstimmung kommt und alle Pläne gekippt werden?

Wir sind frei von Angst und sehen uns in der Verantwortung für ein gutes Projektmanagement und die Beteiligung der Bürger. Auch in Tempelhof hatte es ja intensive Phasen der Bürgerbeteiligung gegeben. Wichtig ist, dass man konsistent und transparent ist in seinem Tun.

Das heißt nicht, dass man jeden Wunsch berücksichtigen kann. Beim Spreepark gibt es so viele konkurrierende Vorstellungen, von einem ruhigen Waldgebiet bis zur Rückkehr zum lauten Vergnügungspark. Man muss zwischen diesen Interessen mindestens die größte gemeinsame Schnittmenge erkennen. Erstmal arbeiten wir nur an einem Rahmenkonzept.

Aber Sie haben schon Ideen – etwa die große Maschinenhalle als Konzerthalle.
Der Spreepark könnte ein Park neuen Typs werden, mit einer internationalen Aufmerksamkeit, ein Kunst- und Kulturpark 2.0, der auch das Berlin des 21. Jahrhunderts mit seinen vielen Kunst- und Kulturszenen widerspiegelt. Das Riesenrad gehört dazu, der „Spreeblitz“ als wilde Achterbahn könnte zu einem abgefahrenen Kunstprojekt umgebaut werden. Im Team haben wir auch Szenografen, Kunst- und Kulturwissenschaftler und weitere Experten.

Wir denken nicht an einen klassischen Volkspark oder einen Rummel, der hier unpassend wäre. Das historische Ausflugslokal, das Eierhäuschen, wird derzeit saniert und soll zukünftig neben der Gastronomie ein „artist in residence“-Projekt beherbergen. Künstler würden dort für eine begrenzte Zeit leben, arbeiten und ausstellen.

Sie waren für die Randbebauung des Tempelhofer Feldes. Warum eigentlich? Die Grün Berlin ist doch eine Gesellschaft zur Entwicklung von Freiflächen.

Wir stehen für die Entwicklung der wachsenden Metropole, für Konzepte zur Randbebauung waren wir nicht zuständig. Mir geht es um die Entwicklung des Feldes. Bei all dem, was wir tun, geht es nicht nur darum, öffentliche Freiräume herzustellen, sondern auch die Wohlfahrtswirkung grüner Infrastruktur im Kontext von Bevölkerungswachstum und Stadtentwicklung mitzuverantworten.

So haben wir auch unsere Aufgabe auf dem Tempelhofer Feld verstanden, das sich ja nun im Rahmen des Entwicklungs- und Pflegeplans weiterentwickeln wird. Zur IGA realisieren wir auch viele Hochbauten. Wir haben Bauingenieure, Architekten, Stadt- und Regionalplaner an Bord, Marketing- und Kommunikationsexperten, weil das Thema Kommunikation bei allem, was wir tun, enorm wichtig ist.

Derzeit laufen Gespräche über Integrationsangebote für Flüchtlinge auf dem Feld. Welche könnten das sein?
Wir haben eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, um erste Integrationsprojekte anzubieten und die Interessierten mit dem Feld vertraut zu machen. Allerdings stellen wir fest, dass Flüchtlinge zunächst oft andere Probleme haben. Darüber hinaus fehlt momentan auch ein direkter Zugang von den Hangars auf das Feld.

Künftig soll Grün Berlin auch den Ausbau der Radwege managen. Wann geht die Infra-Velo, eine neue Tochter-Gesellschaft, an den Start?

Beim Thema Fahrrad-Infrastruktur ist schon einiges unterwegs. Der Nord-Süd-Grünzug ist gewissermaßen ein Fahrradschnellweg, den Grün Berlin fertiggestellt hat. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass jährlich 50 Millionen Euro für Radverkehrsinfrastruktur investiert werden sollen, das ist vorbildlich und ambitioniert zugleich und bedarf eines sehr guten Managements.

Wir sind im Umgang mit komplexen Bauvorhaben sehr erfahren und haben alles vorbereitet, so dass wir jetzt mit Etablierung des neuen Senats unmittelbar handlungsfähig werden können. 2017 wird das Aufbaujahr sein, in dem wir noch nicht viel bauen werden. In der zweiten Jahreshälfte können wir frei werdendes Personal aus der IGA-Gesellschaft in der Infra-Velo einsetzen.

Das Interview führte Thomas Loy

Zur Startseite