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Katina Schubert ist seit Dezember 2016 Landesvorsitzenden der Berliner Linken.

© Thilo Rückeis

Interview mit Berlins Linken-Chefin: "Keine Anschlussfähigkeit nach rechts signalisieren"

Berlins Parteichefin Katina Schubert über politische Herausforderungen im Bund, Rot-Rot-Grün in Berlin - und die Schönheit des Märkischen Viertels.

Von Sabine Beikler

Frau Schubert, eine Jamaika-Koalition ist gescheitert. Wie soll es weitergehen?

Sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, sind wir gewappnet. Wir haben ein vernünftiges Programm und ein gutes Personalangebot. Ich muss aber sagen, dass die Art und Weise, wie Jamaika verhandelt hat, keine Werbung war für gelebte Demokratie. Wenn die FDP zwei Monate verhandelt und dann feststellt, es gebe kein Vertrauen, fehlt mir die nötige Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsgefühl. Mir scheint, dass die Bundes-FDP genauso eine testosterongesteuerte Vereinigung ist wie die Landes-FDP. Es geht der FDP nur um Effekt und nicht um politische Inhalte. Was gerade auf Bundesebene passiert, ist unverantwortlich.

Ihre Parteichefin Katja Kipping sagte, nach dem Scheitern sei Zeit für eine linke Alternative gekommen. Wie sieht die aus?

Wir zeigen in Berlin und in Thüringen, dass Rot-Rot-Grün funktionieren kann, dass wir lernen miteinander zu arbeiten. Ich erhoffe mir von Neuwahlen, dass eine rot-rot-grüne Koalition nicht nur rechnerisch, sondern auch politisch möglich wird. Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien. Die müssen wir stärker in den Mittelpunkt stellen.

Sie sagten, sie würden unter Rot-Rot-Grün lernen miteinander zu arbeiten. Wann lernt das die linke Führungsriege? Die Parteichefs Riexinger und Kipping streiten mit der Fraktionsspitze Sarah Wagenknecht und Dietmar Bartsch munter weiter.

Unter dem Druck von Neuwahlen muss sich die Führung konstruktiv zueinander aufstellen. Davon gehe ich fest aus. Es geht darum, dass die Linke erfolgreich in den Wahlkampf ziehen muss. Alles andere hat zurückzustehen. Das hat die Partei zu organisieren. Die Bundestagsfraktion muss ihren Teil zu einer ausstrahlungsfähigen Linken beitragen.

Die Linke hat bei der Bundestagswahl bundesweit 430.000 Wählerstimmen an die AfD verloren, das war die größte Wählerwanderung. In Berlin waren es immerhin 50.000 Wähler. Wie will Ihre Partei im Fall von Neuwahlen verhindern, dass die AfD noch mehr Stimmen erhält?

Es wird nicht zu weiteren Wählerwanderungen in Richtung AfD kommen. Wir müssen als Linke die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen und deutlich machen, wer eine sozialere Politik, eine auskömmliche Rente haben will, muss uns wählen. Er wird nichts gewinnen, wenn er die AfD oder eine Protestpartei wählt.

Bei der Bundestagswahl im September wollte die Linke mit Gerechtigkeit und Frieden punkten. Aber sie wurde mit 9,2 Prozent nur fünftstärkste Fraktion. Muss die Linke einen offensiveren Wahlkampf mit dem Thema Flüchtlinge führen?

Wir müssen die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen. Die Flüchtlings-, Einwanderungs- und Migrationspolitik ist ein Teil davon. Wir können und wollen die AfD nicht mit ihren Waffen schlagen. Die AfD macht Flüchtlingspolitik für ihre Klientel zum wahlentscheidenden Thema. Die Wähler entscheiden sich aber für die Linke wegen des sozialen und wirtschaftlichen Programms. Bei uns ist die Flüchtlingsfrage ganz klar auf der Seite der Humanität und Menschenrechte angesiedelt. Wir müssen in der Flüchtlingsfrage klare Haltung zeigen.

Haben Wagenknecht und Lafontaine recht, wenn sie der Linken eine verfehlte Flüchtlingspolitik vorhalten?

Unsere Flüchtlingspolitik ist völlig richtig. Wir verteidigen das Grundrecht auf Asyl, wir kämpfen hier um vernünftige Arbeits-, Lebens - und Integrationsbedingungen für geflüchtete Menschen. Ich halte es für einen strategischen Fehler von Medien und Politik, die Flüchtlingspolitik für den Dreh- und Angelpunkt für Wahlentscheidungen der Menschen zu halten. Das betrifft auch linke Politiker. Es ist politisch völlig falsch, eine Anschlussfähigkeit nach rechts zu signalisieren.

Ist die AfD eine rechtsextreme Partei?

Es gibt Abgeordnete, die rechtsextreme Positionen vertreten. Die AfD ist eine rechtspopulistische Formation, die alle Klischees bedient. Sie ist für die Linke kein Gesprächspartner.

Rot-Rot-Grün regiert seit einem Jahr in Berlin. Wie funktioniert das Regieren?

Das läuft im Großen und Ganzen gut. Am Anfang hat es etwas geruckelt. Eine Zweierkonstellation wäre natürlich einfacher. Eine Dreierkonstellation braucht erheblich mehr Gesprächsbedarf und ist aufwendig.

Bei der Bundestagswahl hat die SPD drastische Verluste erlitten. Was heißt das für Rot-Rot-Grün, wenn sich die SPD profilieren muss?

Wir sind da gelassen, wir kämpfen für eine starke Linke und nicht gegen die SPD. Und natürlich werden wir die Erfolge von Rot-Rot-Grün auch im Wahlkampf präsentieren.

Welche Erfolge meinen Sie?

Uns ist per Gesetz gelungen, landeseigene Wohnungsbaugesellschaften für die soziale Wohnraumförderung zu verpflichten. Die Wohnungsbaugesellschaften müssen bezahlbaren Wohnraum auch langfristig zur Verfügung stellen. Dass der Preis für das Sozialticket erheblich gesenkt wurde, ist ein wichtiger Schritt zur Teilhabe. Auch die Wohngeldempfänger sollen Sozialtickets erhalten. Das wird gerade geprüft. Und Wohnungslose aus anderen EU-Ländern brauchen auch hier soziale Leistungen, die sie rechtlich nicht erhalten. Das muss auf Bundesebene geregelt werden. Wir wollen die Beratungsangebote ausbauen.

Trotzdem knirscht es in der Koalition. Ihre Senatorin Lompscher wird von SPD und Grünen kritisiert, sie würde sich zu wenig um den Wohnungsneubau kümmern.

In diesem Jahr gab es sehr viele Baugenehmigungen. Diese werden oft nicht realisiert, sondern es wird mit ihnen spekuliert. Ich bin nicht gegen private Bauträger. Aber wir müssen mehr öffentliche Träger fördern, die rechtlich nicht spekulieren dürfen und Wohnungen mit bezahlbaren Mieten bauen.

Berlin wächst und zieht jährlich 12,7 Millionen Touristen an. Viele taumeln betrunken durch die Stadt. Sollen die Bierbikes verboten werden?

Von mir aus sofort. Diese Bierbikes sind ein echtes Ärgernis, sind nervig, fahren Schlangenlinien und sind Verkehrshindernisse. Die Ballermannisierung von Berlin ist nicht geeignet, um guten Tourismus zu fördern.

Das Land will Touristenströme besser verteilen. Warum sollten Touristen zum Beispiel Ihren Wahlkreis Märkisches Viertel besuchen?

Wenn man Gegensätze von städtischem Werden besuchen will, muss man ins Märkische Viertel. Hier hat man eine Großsiedlung mit sehr viel Grün und Wasser. Durchquert man das Viertel, gelangt man über Felder und Wiesen nach Lübars. Dort gibt es Pferdewirtschaft, eine kleine Dorfkirche, eine Dorfgaststätte. Dieses viele Grün, herrlich. Das ist mindestens einen Tagesausflug wert.

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