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Interview: "Das ist nichts für schwierige Kinder"

Astrid-Sabine Busse leitet die Grundschule in der Köllnischen Heide und ist stv. Vorsitzende der Interessenvertretung Berliner Schulleiter. Sie spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über jahrgangsübergreifendes Lernen.

Zwei von drei Berliner Grundschulen machen inzwischen mit beim jahrgangsübergreifenden Lernen (JüL). Warum ist Ihre Schule nicht dabei?

Unsere Schule liegt in einem sozialen Brennpunkt, die Lage hier wird immer schwieriger. Rund 80 Prozent unserer Schüler sind nichtdeutscher Herkunft, ein noch größerer Teil der Eltern bezieht Hartz IV, Tendenz steigend. Unsere Lerngruppen sind schon jetzt stark gemischt und es ist schwer, die Kinder ausreichend zu fördern und die großen sozialen und emotionalen Defizite zu kompensieren. Jahrgangsübergreifendes Lernen bedeutet auch, dass man mehr finanzielle Mittel benötigt, man arbeitet ja nicht nur mit einem Buch. Dafür reichen aber die Lernmittel nicht, die das Land uns für die Hartz-IV-Schüler gibt. JüL bedeutet auch – besonders am Anfang – eine umfangreiche Vorbereitungszeit für die Lehrer. Diese Zeit haben sie aber nicht. Man müsste ihnen dafür die Unterrichtsverpflichtung mindern. Das aber ist nicht geplant. Außerdem verfügen sehr viele Schulen nicht über die notwendigen Räume.

Haben Sie eine Erklärung dafür, dass die Ablehnung des JüL-Modells in Neukölln besonders groß ist?

Das liegt wahrscheinlich dran, dass hier die Zusammensetzung der Schülerschaft besonders brisant und damit auch besonders problematisch ist. Diesen Kindern fällt das eher eigenverantwortliche Lernen, das ja bei JüL notwendig ist, besonders schwer. Sie brauchen feste Vorgaben und einen festen Rahmen.

Am jahrelangen Modellversuch für JüL waren aber doch auch Schulen mit hoher Migrantenquote beteiligt. Es hat funktioniert. Überzeugt Sie das nicht?

Beim einem Modellversuch herrschen immer günstigere Bedingungen. Es gibt mehr Mittel und ausreichend Personal. Besonders interessierte Eltern melden ihre Kinder an solchen Schulen an, so dass die Zusammensetzung der Schüler dann auch günstiger ist.

Laut Schulgesetz muss JüL früher oder später eingeführt werden. Wie lange glauben Sie, sich dem noch entgegenstellen zu können?

Wir hoffen, dass die Entscheidung für oder gegen das jahrgangsübergreifende Lernen der einzelnen Schule überlassen wird. Eine solch große Schullandschaft wie in Berlin sollte diese Vielfalt möglich machen.

Astrid-Sabine Busse (50) leitet die Grundschule in der Köllnischen Heide und ist stv. Vorsitzende der Interessenvertretung Berliner Schulleiter. Mit ihr sprach Susanne Vieth-Entus.

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