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Unter Druck. Sozialsenator Mario Czaja vor einer Flüchtlingsunterkunft.

© Thilo Rückeis

Interventionen bei Flüchtlingsheimen in Berlin: Lageso-Mitarbeiter: "Hier rufen Politiker aller Parteien an"

Wenn es um Flüchtlingsunterkünfte geht, melden sich viele beim Lageso – nicht nur aus Czajas Partei. CDU-Bezirkspolitiker weisen die Vorwürfe zurück.

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In einem Großraumbüro des sechsten Stocks des Landesamts für Gesundheit und Soziales (Lageso) hing bis vergangenen Freitag eine Berlin-Karte, sagt ein Lageso-Mitarbeiter. Fein säuberlich umrissen darauf seien die einzelnen Wahlkreise. Gleich darunter hing eine Liste jener Politiker, die zu den Wahlkreisen gehören. In diesem Großraumbüro arbeiteten Mitarbeiter der Berliner Unterbringungsleitstelle (BuL), die für die Unterkünfte von Flüchtlingen zuständig sind. „Hier rufen regelmäßig Leute aus dem politischen Bereich an, aus allen Parteien“, sagt ein Sachbearbeiter des Lageso. „Wenn eine Unterkunft im Gespräch ist, die jemandem nicht gefällt, dann ist Alarmstufe 1. Dann melden sich Baustadträte, aber auch Bezirksbürgermeister.“ Dann würden Projekte verzögert oder man versuche, sie zu verhindern: „Da ist dann oft wochenlange Arbeit zunichte gemacht.“

Wirksamer als heute, sagt der Sachbearbeiter, seien solche Interventionen vor zwei Jahren gewesen, als die Zahl der Flüchtlinge noch wesentlich geringer war und noch nicht kurzerhand Turnhallen beschlagnahmt wurden. Doch genau diese Vorgänge sind in die Diskussion geraten, seit interne Mails von Lageso-Mitarbeitern aus dem Jahr 2013 bekannt wurden.

Viele bestreiten Interventionen

Sascha Langenbach, Sprecher von Gesundheits- und Sozialsenator Mario Czaja (CDU) sagt dagegen: „Bei Entscheidungen über Absprachen für Asylunterkünfte wird die BuL selbstverständlich das Gespräch mit Stadträten suchen, weil die Berliner Verwaltungsstruktur dieses Vorgehen notwendig macht.“ Ebenso selbstverständlich würden dabei Gespräche mit allen Parteien geführt. Der Gesundheitssenator werde erst eingeschaltet, wenn er von Konflikten erfahre. Dann bemühe er sich, Kompromisse zu finden.

Im Fall der Nikolsburger Straße in Wilmersdorf sollen sich im Hintergrund auch CDU-Politiker wie der frühere Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen eingeschaltet haben. Dort sollte 2013 ein Jugendhostel in ein Flüchtlingsheim umgewandelt werden. Diepgen soll aus Angst um den Wertverlust einer Immobilie in der Nähe gegen die Umwandlung interveniert haben. Er bestreitet das energisch.

Genügend Standorte

Für Reinhard Naumann, den Bezirksbürgermeister von Charlottenburg-Wilmersdorf, wäre „es skandalös, wenn es diese Intervention gegeben haben sollte“. Das Hostel wurde tatsächlich nicht zum Flüchtlingsheim, aber diese Entscheidung, sagt Naumann sei im Bezirksamt parteiübergreifend gefallen. Der Betreiber des Hostels habe das Haus heruntergewirtschaftet und deshalb zu wenig Gäste gehabt.

„Der wollte dann einen schnellen Euro machen und Flüchtlinge bei sich unterbringen“, sagt Naumann. „Wir hatten aber einen Vertrag über eine Hostelnutzung mit ihm. Außerdem gab es zum damaligen Zeitpunkt genügend Alternativstandorte für ein Flüchtlingsheim.“ Allerdings sähe die Situation heute ganz anders aus. „Heute würden wir natürlich sofort der Umwandlung in eine Flüchtlingsunterkunft zustimmen.“

Auch andere Bezirkspolitiker wehren sich gegen den Eindruck, sie seien gegen die Einrichtung von Flüchtlingsheimen gewesen. „Es stimmt zwar, dass der Bezirk Tempelhof-Schöneberg 2013 bereits für die damaligen Verhältnisse überdurchschnittlich viele Flüchtlinge aufgenommen hatte, aber das Heim am Kirchhainer Damm wollten nicht wir verhindern“, sagt der Stadtrat für Jugend, Ordnung und Bürgerdienste, Oliver Schworck (SPD): „Das hat ja wohl der CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak getan – jedenfalls seinen eigenen Bekundungen zufolge. Mich hat das damals schon ziemlich verwundert.“

Keine Parteipolitik

Tatsächlich hatten zu Beginn des Jahres 2013 einige Zeitungen berichtet, dass Luczak sich an die Spitze der Protestbewegung gegen die Umwandlung des ehemaligen Seniorenheims am Kirchhainer Damm in Lichtenrade gestellt und nach eigenen Aussagen erfolgreich bei seinem Parteifreund Czaja interveniert habe. Czaja selbst hatte am Sonnabend in einem Interview mit dem Tagesspiegel gesagt, ausschlaggebend sei gewesen, dass der Bezirk schon so viele Flüchtlinge aufgenommen habe und man diese gerechter verteilen wollte. Außerdem habe die grüne Stadträtin Sibyll Klotz am Kirchhainer Damm eine Wohnungslosen-Unterkunft einrichten wollen.

Jan-Marco Luczak bestätigte dem Tagesspiegel einen Brief an Czaja geschrieben zu haben, allerdings nur als „ein Lokal-Verantwortlicher an einen zentralen Entscheider“. Darin sei es um rein sachliche Bedenken gegen die Unterbringung gegangen; „Das hatte nichts mit Parteipolitik zu tun. Ich hätte den Brief genauso an einen SPD-Senator geschrieben.“

Czaja-Sprecher Sascha Langenbach wies auch am Sonntag Klüngel-Vorwürfe noch einmal entschieden zurück: „Parteipolitisch motivierte Verbote, Flüchtlinge in bestimmten Bezirken unterzubringen, hat es nie gegeben.“ Die Karte hänge im Übrigen immer noch, sagt der Lageso-Mitarbeiter. Nur halt jetzt in einem anderen Büro. Die BuL-Angehörigen sind am vergangenen Freitag innerhalb der Behörde umgezogen.

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