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Michael Seeber betreibt die Seilbahn.

© promo

Internationale Gartenausstellung 2017: Mit der Seilbahn von Medellin nach Marzahn

Michael Seeber baut die Seilbahn für die Internationale Gartenausstellung in Berlin. Er schuf bereits viele Projekte in aller Welt – und wirbt für weitere in deutschen Großstädten.

Gestern Kolumbien, heute Südtirol, morgen Marzahn – Unternehmer Michael Seeber ist viel unterwegs. Besonders stolz ist er aber auf ein Bauvorhaben: die Seilbahn für Berlins Internationale Gartenausstellung. Probe gesessen hat der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Designer-Kabinen von Pininfarina schon. Zur ersten Fahrt heben die Zehnsitzer in zwei Jahren ab.

Rund 700 Millionen Euro jährlich setzt der Seilbahn-Hersteller Leitner um, und sein quirliger Chef und Teilhaber würde am liebsten alle großen Städte mit solchen Bahnen ausrüsten. Berlin kriegt immerhin eine: Von der U-Bahnstation Neue Grottkauer Straße schwebt sie los, zum Kienberg und auf der anderen Seite runter zum Empfangsgebäude der Internationalen Gartenausstellung (IGA), wenn diese in zwei Jahren eröffnet. Rund 14 Millionen Euro lässt sich die Südtiroler Leitner-Gruppe das kosten und betreiben diese 23 Jahre lang. Hält die Firma das durch? „Dafür stehe ich ein, ich will meinen 90. Geburtstag in der Station feiern“, sagt Seeber – die IGA-Manager haben sich den Rückbau trotzdem vertraglich garantieren lassen, für alle Fälle.

Seilbahnen auf der ganzen Welt

In Hongkong, in Ankara und Vietnam hat Seeber Seilbahnen gebaut – und trotzdem kämpft der Firmenpatron noch mit dem Image des Verkehrsmittels: Als er dem Landeshauptmann in Südtirol den Bau einer neuen Stecke vorschlug, sagte der: „A’ geh, willst‘n Skilift in der Stadt bauen?“ Dabei zeigt die wachsende Zahl der städtischen Seilbahnen, wie nützlich diese zur Verkehrsentlastung sein können.

In Bozen verbindet eine Bahn die Innenstadt mit der höher gelegenen Ortschaft Ritten in zwölf Minuten. Autos brauchen eine halbe Stunde über die Serpentinenstraße. Seit der Inbetriebnahme will kaum einer mehr mit dem Auto hoch – und es musste in Bozen ein Parkhaus gebaut werden. Eine Million Seilbahnfahrten sind es nun jährlich.

Sicherer als mit dem Auto

Schwieriger war das Seeber-Projekt in Medellin. Ohne Bodyguards konnten die Monteure nicht auf die Baustelle, sonst hätten die kolumbianischen Gangs ihnen das Werkzeug abgenommen – mindestens. Trotzdem mussten sie die Arbeiten an der Seilbahn, die eine Favela mit dem Stadtzentrum verbindet, zwei Monate unterbrechen.

„Die Militärs mussten reingehen und die Syndikate vertreiben“, sagt Seeber. Heute befördert dessen Seilbahn jährlich Hunderttausende. Das hoch auf einem Berg liegende Quartier profitiert von einer „Gentrifizierung light“: Kinder können in die Schule gehen und Erwachsene Ämter und Geschäfte aufsuchen.

Wie Flugzeuge haben Seilbahnen das Zeug, Ängste auszulösen. Dabei gilt für beide Verkehrsmittel: Mit ihnen ist man weitaus sicherer als mit dem Auto unterwegs. Nach mehr als 17 Millionen Kilometern geschieht statistisch ein Unfall bei der Seilbahn, im Auto schon nach 1,5 Millionen. Kaprun war so ein Unfall, weil Menschen aus der in Brand geratenen Bahn auf der Flucht im Tunnel am Rauch erstickten.

Seebers Firma wurde in den USA verklagt – und freigesprochen. Die Ermittlungen ergaben: In die Seilbahn war eine Heizung eingebaut worden, die nicht in Betrieb genommen werden durfte während der Fahrt. Wurde sie aber doch. Mit Todesfolge. Menschliches Versagen. Wie bei fast allen Unfällen. Ein Seil jedenfalls riss noch nie.

3000 Besucher pro Stunde

IGA-Chef Christoph Schmidt will zur Eröffnung der Marzahner Schau 3000 Besucher pro Stunde mit der Seilbahn auf den Kienberg befördern. Die Seilbahn könnte ein Schlüssel für den Erfolg der Gartenausstellung sein. Nach der Verlegung von Tempelhof nach Marzahn keimten Zweifel: Ist weit draußen.

Schmidt hält dagegen: 25 Minuten fährt man mit der U-Bahn von Mitte bis zum U 5-Bahnhof Neue Grottkauer Straße, der zur IGA-Eröffnung werbewirksam in „Garten der Welt“ umbenannt wird. Und von dort schweben die Gondeln innerhalb von fünf Minuten zum Haupteingang, Eineinhalb Kilometer weit. Als Bonus gibt es den Panorama-Blick über die Stadt dazu.

Seilbahn ist wichtig für die IGA

Und um das Image einer Skistation abzuschütteln, engagiert der Hersteller renommierte Baumeister zur Gestaltung der „Haltestellen“. Die kapriziöse Stararchitektin Zaha Hadid hat Innsbrucks Hungerbahn in Gestalt eines Gletschers gezeichnet. Jean Nouvell – in Berlin baute er die Galeries Lafayette – hat eine Station in Perugia gestaltet. Bei der IGA wird der dynamische Entwurf des Büros Kolb-Ripke zu bestaunen sein, der wie eine längliche aus dem Boden geschnittene und aufgeklappte Grasnarbe aussieht. Das kommt unter Baumeistern gut an, wie die Vorstellung der Projekte zeigte, zu der der Stadtplaner Florian Mausbach in die Räume vom Architekturpreis Berlin eingeladen hatte.

Die spektakulären Seilbahnen sind kein Selbstzweck, sondern sollen ein Erlebnis vermitteln, das sich herumspricht. Auch für die IGA ist das wichtig, denn von den 40 Millionen Euro, die die Schau kostet, zahlt das Land nur zehn Millionen Euro, den Rest sollen die Besucher erbringen. Mit 2,4 Millionen im Jahr rechnet Schmidt, rund drei Mal so viele, wie heute die Gärten der Welt besuchen.

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