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Mit der richtigen Technik können Hausbesitzer clever wirtschaften.

© Getty Images/amana images RF

Intelligente Gebäudetechnik: Berlin ist Trumpf in Sachen Smart Home

Vernetzte Fahrstühle und mitdenkende Heizungspumpen: Berliner Firmen gehören bundesweit zu den Vorreiter dieser neuen Technologien.

Ob Intelligenz sich unter Menschen ausbreitet, stagniert oder eher rückläufig ist – darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Dass sie sich im nicht humanoiden Sektor verbreitet wie das berühmte Lauffeuer, kann hingegen kaum angezweifelt werden. Erst kamen die Telefone dran. Aus einer Apparatur, mit der wir telefonieren, ist ein Hochleistungscomputer geworden, der unseren Alltag organisiert und strukturiert und uns – stets rechtzeitig – auf den Weg zu unseren Terminen schleust. Denn unser Smartphone hat die Verkehrsdatenbanken abgefragt und weiß, wann wir losmüssen, um auch bei Stau und Straßensperrung pünktlich zum Termin zu kommen.

Das Auto, in das wir dann steigen, hat in den vergangenen Jahren ebenfalls drastische Intelligenzsprünge gemacht. Die neusten Modelle erfassen den Verkehr um sich herum, sie warnen, wenn Radfahrer im toten Winkel sind, sie bremsen und beschleunigen auf Autobahnen selbstständig, wenn die Lage es erfordert oder ermöglicht, sie straffen die Gurte, noch bevor es zu einem Aufprall kommt.

Intelligente Technik

Logisch also, dass auch die Häuser, in denen wir leben und arbeiten, immer schlauer werden. Sie mutieren – wie Fachleute das nennen – zu „Smart Buildings“. Und Berlin ist ein Hotspot der Entwicklung: „Von 114 Unternehmen in Deutschland, die sich im Bereich Property Tech tummeln, sind 42 Prozent in der Hauptstadt“, sagt Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Technologiestiftung Berlin. Am heutigen Mittwoch veröffentlicht sein Haus einen Report mit dem Titel „Smart Buildings im Internet der Dinge – Die digitale Zukunft von Gebäuden“.

Das Werk hat das Land Berlin finanziert. Christian Rickerts, Staatssekretär bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe: „Die Studie zeigt, was intelligente Nutzung von Gebäudedaten schon heute möglich macht: Neben der effizienteren Bewirtschaftung der Gebäude kann bereits der Bauprozess digital gesteuert oder auch die Wartung der laufenden Anlagen zentral gemanagt werden.

Mit solch einer intelligenten Gebäudetechnik wird dem Verbraucher seine ganz individuelle Energiewende ermöglicht.“ Für Berlin leisteten die Property-Tech-Unternehmen „mit ihren Innovationen einen wichtigen Beitrag, um die energieintensive Immobilienbranche nachhaltiger zu gestalten“.

Aber was ist eigentlich dieses „Internet der Dinge“, von dem im Titel der Studie die Rede ist? Am geläufigsten ist wohl der Kühlschrank, der selbstständig Butter, Milch und Eier nachbestellt, wenn die Bestände zur Neige gehen. Als Ding im Netz wickelt er selbstständig die Bestellungen ab. Und so ein Ding im Internet kann auch eine Heizungspumpe sein. Sebastian Schröer bietet solche intelligenten Heizungspumpen über seine Firma „Perto“ an.

Der Unterschied im System

Warum aber sollte ausgerechnet eine Heizungspumpe intelligent sein? Die muss schließlich nur Wasser vom Heizkessel bis zu den entlegensten Heizkörpern eines Hauses bringen. Schröer: „Die gute alte Pumpe, die in fast allen Häusern noch zu finden ist, besteht aus einem Schaufelrad, das genau zwei Zustände kennt: Es ist entweder in Betrieb oder nicht. Und das ist so, als würde ein Auto permanent unter Vollgas stehen und die Geschwindigkeit über die Bremse reguliert.“

Ganz gleich also, ob zwei Heizkörper gerade im Frühherbst laufen oder ob im tiefsten Winter alle Heizungen bollern – der Stromverbrauch der Pumpe ist immer gleich, nämlich maximal. Schröer: „Diese Pumpen sind einer der größten Stromverbraucher im Haus, aber weder besonders sexy noch haben die meisten Leute sie überhaupt auf dem Schirm.“

Die Pumpen, die über Schröers Firma geordert werden können, reagieren jedoch auf Druckunterschiede im System: „Erst wenn ein Heizkörper auch wirklich heißes Wasser braucht, fängt unsere Pumpe an zu arbeiten – und je nachdem, wie viele Heizungen laufen, pumpt das Gerät stärker oder schwächer.“

Netz-Spezialisten. Sebastian Schröer (r.) und Frank Krischok gründeten 2016 Perto.
Netz-Spezialisten. Sebastian Schröer (r.) und Frank Krischok gründeten 2016 Perto.

© promo

Und wozu muss die Pumpe ins Internet? „Wenn wir ineffiziente Geräte tauschen, können wir sie auch gleich online bringen, um die Daten auslesbar und sichtbar zu machen“, sagt Schröer. Man müsse sich die Pumpe wie das Herz eines Organismus vorstellen. Mit den Daten des Geräts lasse sich der Verbrauch eines Gebäudes digitalisieren. Schröer: „So können Sie den Kessel wesentlich energieeffizienter steuern und Sie können Störungen im System schon im Voraus ahnen.“ Das reduziere Wartungseinsätze und bewahre Mieter vor Heizungsausfällen. Schröer bietet sogar eine gewaltige Zahl auf: „Im Vergleich zu alten Pumpen können Sie mit den digitalen Pumpen bis zu 90 Prozent Energie sparen.“ Der Gesamtenergieverbrauch eines Hauses könne um bis zur Hälfte gesenkt werden.

Stiftungschef Zimmer sieht in Leuten wie Schröer Pioniere. Viele Smart Buildings, so seine Überzeugung, schaffen eines Tages eine Smart City. „Wir wollen ja nicht nur in einem Gebäude die Haustechnik intelligent steuern, sondern in ganzen Nachbarschaften.“ Durch die Vernetzung von Gebäuden – so Zimmers Vision – lasse sich eines Tages Energie in Stadtvierteln tauschen, mit Sensordaten aus Quartieren könnten vielleicht Vorhersagen fürs Mikroklima oder Feinstaub gemacht werden.

"Wir bauen kein Facebook"

Mit der richtigen Technik können Hausbesitzer clever wirtschaften.
Mit der richtigen Technik können Hausbesitzer clever wirtschaften.

© Getty Images/amana images RF

Mladen Miljic ist Technikchef der Firma METR Building Management Systems, die Hard- und Software entwickelt, mit der Haustechnikanlagen gesteuert und überwacht werden können. Dazu zählen Heizungen, Alarmanlagen oder Fahrstühle: „Wir setzen die Daten, die wir dabei gewinnen, dazu ein, die Anlagen möglichst energiesparsam zu steuern“, sagt Miljic. Wie nötig das ist, kann Stiftungschef Zimmer erklären: „Die Hersteller finden ihre Anlagen bei Havarien fast immer in den Werkseinstellungen vor.“

Die neue Technologie soll nicht nur beim Energiesparen helfen, sondern auch lästige Verpflichtungen obsolet machen. METR-Mann Miljic: „Heute ist der Verbrauch von Warmwasser und Heizungsenergie meist nicht digital erfasst, weshalb Ableser vorbeikommen müssen.“ Das werde in Zukunft nicht mehr nötig sein. Anders als Sebastian Schröer ist Miljic bei den Einsparpotenzialen jedoch etwas weniger forsch: „Genau kann ich Ihnen das nicht sagen“, antwortet er und verweist darauf, dass Optimisten von bis zu 40 Prozent weniger Energieverbrauch ausgehen.

Abwarten und Stromzahlen

In Deutschland stehen bekanntlich alle Innovationen unter dem German-Angst-Vorbehalt. Was also ist mit den Daten, die aus den Gebäuden kreuz und quer durchs Netz zu den Smart-Building-Unternehmen wandern? Miljic: „Wir bauen kein Facebook, das an alle Daten kommt.“ Zudem seien die Daten, die übers Netz unterwegs seien, für Leute, die sie abfischen, völlig wertlos. „Das sind Identifikationsnummern von Sensoren und Werte, die nichts darüber preisgeben, wo der jeweilige Sensor ist und was er sagt.“

Insbesondere große Wohnungsbaugesellschaften könnten den Siegeszug der schlauen Gebäude und Städte enorm beschleunigen. Nicolas Zimmer von der Technologiestiftung: „Die Wohnungsbaugesellschaften unterscheiden sich sehr in ihrem Innovationsverhalten. Alle beschäftigen sich zwar damit, viele warten aber ab und schauen, was das bringen kann.“ Modellprojekte hätten bislang noch nicht recht gezündet.

Mladen Miljic, Geschäftsführer der METR Building Management GmbH.
Mladen Miljic, Geschäftsführer der METR Building Management GmbH.

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Besonders aufgeschlossen ist laut Zimmer jedoch die BIM Berliner Immobilienmanagement. Die landeseigene Firma verwaltet die meisten öffentlichen Gebäude der Stadt – Polizeireviere, Verwaltungsgebäude, Schulen, Gefängnisse oder Gerichte. Von dieser Aufgeschlossenheit für neue Technologien profitiert auch Schröers Firma Perto: „Die BIM ist unser größter Kunde“, sagt er.

Bislang ist das Thema allerdings nur für professionelle Gebäudebewirtschafter richtig interessant, denn nur fünf Prozent der Perto-Kunden sind Privathaushalte. Dabei macht die Firma gerade denen den Heizungspumpentausch richtig einfach. Schröer: „Wer uns über unsere Internetseite ein Bild des Typenschilds seiner Pumpe schickt, bekommt ein Angebot zum Tausch samt Effizienzbericht und mit den Einsparpotenzialen.“ Im Falle eines Auftrags kümmert sich Perto sogar um die staatliche Förderung des Einbaus. Auch das ist smart.

Jonas Forst

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