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Sie ist eine Pflanzenmamma: Sarah Remsky hat seit August 2018 über 1500 Euro in ihr neues Hobby investiert.

© Thilo Rückeis

Instagrammerin Sarah Remsky: Mit Zimmerpflanzen gegen Depressionen

Zimmerpflanzen galten lange als spießig und verstaubt. Jetzt kehren sie zurück als grüne Gefährten in Sozialen Netzwerken.

Katzendamen sind passé. „Plant lady is the new cat lady“, steht auf der grünen Brosche in Form eines Pflanzenblatts, die auf einem Pinboard in Sarah Remskys Wohnung befestigt ist. Remsky ist 25, angehende Journalistin, hat in Köln, London und Berlin gelebt, studiert Internationale Beziehungen an der FU Berlin – und: Ihr Zuhause ist ein urbaner Dschungel.

50 bis 60 Pflanzen ranken sich aktuell in Remskys 45-Quadratmeter-Wohnung in Wedding die Wände hoch. „Normalerweise sind es doppelt so viele“, erzählt Remsky, doch die eine Hälfte steht schon in Köln bei ihrem Vater, wo die Studentin ihre Masterarbeit schreiben wird. Mit einem Kombi hat er sie dorthin transportiert. Wenn ihr Vater die Pflanzen hütet, hat sie ein gutes Gefühl. „Er hatte schon immer einen grünen Daumen“, sagt sie. Obwohl er selbst eher Drachenbäume oder Grünlilien hat, „so typische 90er- Jahre-Spießer-Zimmerpflanzen, die rumstehen und verstauben“, sagt Remsky und rollt nachsichtig mit den Augen.

Die Zimmerpflanzen von Remsky sind alles andere als gewöhnlich. Sie sind exotisch, kommen aus Thailand, Brasilien oder Kolumbien, haben klingende Namen wie Alokasie, Calathea oder Begonia Corallina und sie brauchen eine ganz besondere Fürsorge. Kurzum: Sie sind die Perserkatzen unter den Zimmerpflanzen. Tagsüber stehen sie im Rampenlicht diverser Vollspektrum- oder Blau-Rot- Spektrum-Lampen – Lichtquellen, die die Fotosynthese unterstützen.

Der Luftfeuchtigkeitsmesser auf einem der Pflanzenregale zeigt 37 Prozent. „Oh, das ist viel zu wenig, es sollten 60 oder 70 Prozent sein“, sagt Remsky, springt auf und schaltet ein Gerät an, das nun anfängt, nach und nach kalten Dampf zu versprühen. „Der Luftbefeuchter wurde eigentlich für Babyschlafzimmer entwickelt“, erklärt Remsky.

Angefangen hat alles mit einer Monstera

Tatsächlich versteht sie sich als Pflanzenmama. Auf Instagram postet sie unter dem Namen @misscalathea und verwendet unter ihren Bildern Hashtags wie #proudplantmom, #crazyplantlady oder #planterina. Und damit ist sie keine Einzelgängerin. Unter dem Hashtag #urbanjungle finden sich mehr als zwei Millionen Bilder von sogenannten Plantstagrammern.

Tropische Zimmerpflanzen erobern die sozialen Netzwerke und die Großstädte. Ein städtischer Urwald in den eigenen vier Wänden, ein grüner Rückzugsort inmitten von Beton und Trubel. „Man enturbanisiert sich zu Hause“, so beschreibt es Remsky. Menschen wie sie holen sich den Dschungel nach Berlin. Oder nach New York, nach London oder Melbourne.

Angefangen hat das bei Remsky im vergangenen August mit einer Monstera. Damals hatte sie keinen Schimmer, dass diese mondäne Pflanze mit den auffällig geschlitzten tiefgrünen Blättern den Namen Monstera trägt und dass Remsky selbst einmal diverse Monstera-Blätter aus Ton formen und sich ins Regal stellen oder montags auf Instagram Bilder zum #monsteramonday posten würde. Remsky befand sich in einer beginnenden Depression und wollte sich etwas Gutes tun. Sie hatte die Pflanze bei einem Inneneinrichtungsblogger gesehen, fand sie schick, ging in den Baumarkt und kaufte sich ein Exemplar des In-Grüns.

Als die Pflanze kurz darauf ihre schicken Blätter hängen ließ und drohte einzugehen, packte Remsky der Ehrgeiz. Zu lieb hatte sie ihre Monstera schon gewonnen. Eine Freundin riet ihr, sie zu trimmen, Pflanzenlampen zu besorgen. „Probier’s doch mal mit einer Sansevieria, einem Gummibaum, mit Balsamäpfeln oder mit Glücksfedern“, riet ihr die Freundin. „Das sind Anfängerpflanzen, die kann man auch mal einen Monat vergessen.“ Damit begann Remskys Shoppingtour.

1500 Euro hat sie ihre neue Leidenschaft seit August gekostet. Und ein paar Stunden Arbeit pro Woche. „Es ist weniger als man denkt“. Remsky lacht. „Ich weiß, es ist ein etwas nerdiges Hobby“, sagt sie. „Aber die Pflanzen haben mir geholfen, meine Depression in den Griff zu bekommen.“ Ihre Calathea-Sammlung hat sie besonders in ihr Herz geschlossen – „auch wenn es sich immer so anfühlt, als würde ich die anderen betrügen“, sagt sie. „Oh, Du kriegst ja wieder ein neues Blatt!“, ruft sie freudig, als sie ihre Calathea Makoyana vom Regal holt. Noch so eine Designpflanze.

Sie tauscht Ableger mit anderen Instagrammern

Im Regal finden sich auch Buchtitel wie „How to raise a plant and make it love you back“ oder „Wild at Home“. Heute geht Remsky kaum noch in den Baumarkt, wenn sie eine Pflanze sucht. Die allermeisten findet sie online. Oder sie tauscht Ableger ihrer Pflanzen mit anderen Instagrammern. Einen „Swap“ nennt man das in der Community. Dort erstellen die User sogenannte „Wish Lists“.

Inzwischen gibt es in Berlin Anlaufpunkte für Menschen wie Remsky: das Pflanzencafé „The Greens“ in der Alten Münze in Mitte. Oder die Pflanzenläden „Botanical Room“ in Kreuzberg und den „Plant Circle“ in Neukölln. Bei Monika Kalinowska, der Inhaberin vom Plant Circle, hat Remsky diverse Kurse besucht.

Darunter einen Keramik-Workshop, schließlich brauchen die Pflanzen ja auch Töpfe, oder einen zum Thema „Wie mache ich meine eigene Erde?“. Alles auf Englisch, denn Kalinowska stammt aus Polen und wie viele Hipster-Hypes ist auch diese Szene in Berlin international.

„Workshop for Botanical Drawing“, steht in schlichten Lettern in Setzkasten-Optik an der Wand des Ladens. Außerdem kann man sich im Plant Circle Terrarien mit ganz eigenem Ökosystem zusammenstellen. Das ist der neueste Schrei und Remskys nächster großer Traum: ein riesiges Terrarium, in dem zwischen exotischen Pflanzen auch noch rote und blaue Laubfrösche hüpfen.

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