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Caroline Einhoff, Anuthida Ploypetch and Leslie Huhn (v.li.) beim Selfieknipsen am Rande der "E! Entertainment Influencer Suite".

© promo

Instagram und Co.: Berlins neue Promis aus dem Netz

Um bekannt zu sein, braucht es keine Schauspielkarriere mehr – die neuen Promis findet man in den sozialen Medien. Ein Blick auf Berlins Influencer-Szene.

Die 20-Jährige könnte Model oder Schauspielerin sein. Auf die Frage nach ihrem Namen zeigt sie jedenfalls ganz cool auf die Frau neben sich. „Da fragen Sie doch bitte meine Managerin.“ Die wiederum wirkt etwas unbeholfen. Eine Visitenkarte besitzt sie offenbar nicht. So etwas Altmodisches braucht man nicht in der Welt der Influencer.

Beim Musikfilmpreis „Grand Scores“ sollten, wie es üblich ist bei derlei Veranstaltungen, Prominente dem Anlass Glamour verleihen. Aber auf Wunsch der Kunden, zu denen auch das Champagnerhaus Moët & Chandon gehört, sollten es eben nicht die üblichen Verdächtigen aus Kino und Fernsehen sein, sondern Influencer und Blogger. Influencer, also Einflussnehmer, nennt man Leute, die viele Tausend Follower in sozialen Netzwerken wie Instagram und Snapchat haben und Trends vom Stapel laufen lassen.

Treffpunkt: Soho House

Für Christine Bücken und Kerstin Schilly von der Agentur „La Maison Victor Schilly & Friends“ bedeutete dieser Auftrag zunächst mal Recherche-Arbeit. Viele Jahre waren sie schon für Hardenberg Concept unterwegs und mit den etablierten Gästelisten bestens vertraut. Aber in der analogen Welt sind die ruhmreichen Einflussnehmer aus dem Netz oft kaum bekannt. Sind Influencer die neuen Prominenten? „Auf jeden Fall gibt es einen großen Hype darum“, sagt Christine Bücken. Wie nachhaltig der sei, müsse man beobachten. Richtig ist aber, dass Unternehmen, die großen Wert auf Nachwuchspflege bei der Kundschaft legen – also fast alle – derzeit besonders an Influencern interessiert sind und um sie werben.

Kerstin Schilly besucht regelmäßig das Soho House, denn dort ist die Blogger-Dichte hoch. Oft posten sie direkt aus dem exklusiven Club an der Torstraße – Fotos mit anderen Instagram-Promis, Fotos von Treffen, zu denen all die Otto-Normal-Follower auf diese Weise immerhin einen kleinen Zugang haben.

Die Reichweite kommt mit aufs Event

Colette Hering von der Agentur Fashion Royal Lifestyle (FRL) liebt das Wort „Reichweite“. Es ist die neue Währung im Geschäft mit dem Prominenten-Status. „Influencer“, sagt sie, „haben oft eine sehr hohe Reichweite, viel höher als Celebrities“. Und die Reichweite kommt mit aufs Event, denn von dort werden Posts an die staunende Internet-Gemeinde versandt.

Spannend für die Agentur und für die Kunden würden Influencer ab einer Follower-Anzahl von etwa 40.000 oder 50.000. Es sind aber nicht nur die ganz Jungen, die hohe Reichweiten generieren. Manchmal gelingt das auch den Mama-Bloggern, deren Kinderwagen immer etwas cooler und deren Wohnzimmer immer etwas aufgeräumter erscheinen als bei der Durchschnittsfrau.

"Für Fotos ist Berlin ideal"

Berlin ist für die Influencer-Szene vor allem als Veranstaltungsort wichtig. Egal ob Fashion Week, Galas oder Premieren, viele überregionale Events finden hier statt – dazu gehört auch die Inreach-Konferenz im November, wo sich Marken und Influencer treffen und die Branche ins Gespräch kommt. Außerdem spielt Berlin als Sehnsuchtskulisse eine Rolle, sagt Colette Hering. „Für Fotos ist Berlin ideal.“ Und die sind die Basis des Influencer-Geschäfts.

Was noch dazu gehört? Gute Chancen haben Menschen mit „Personality“, mit dem gewissen Etwas. Alle fangen klein an, aber bei manchen, die besonders viel von dem gewissen Etwas mitbringen, kommt irgendwann der Wendepunkt. Wie bei einem Dominoeffekt, erklärt Colette Hering, vermehre sich die Zahl der Follower dann rasend schnell.

Persönliche Einblicke für ein Gefühl von Nähe

Der Student Felix Fassbender hat 237.000 Follower. In letzter Zeit hat er auf Instagram etliche Berlin-Fotos gepostet, weil er sich hier von seinen Prüfungen erholt. Im Netz zeigt er sich in den Kreationen edler Mode-Labels. Was gut läuft? Er zuckt die Schultern. Selfies, Reisen, Essen auch, abwechslungsreiche Posts halt. Es klingt so, als müsse man einfach ein cooler Typ sein. Er glaubt, dass persönliche Einblicke wichtig sind, damit die Follower das Gefühl haben, an seinem Leben teilzunehmen.

Ohne Fleiß läuft hier nichts, regelmäßige Posts sind Pflicht. Felix schätzt „Instagram Story“, wo Videos und Fotos nur für 24 Stunden sichtbar sind – da müssen auch die Follower fleißig online sein. Bestenfalls entsteht so das Gefühl, mit dem Influencer befreundet zu sein, weil man so viel weiß über sein Leben.

Ein Post für mehr Kundschaft

Zusammen mit Nicole Gretscher organisierte Colette Hering kürzlich im Hotel Zoo am Kurfürstendamm die „E! Entertainment Influencer Suite“. Auf der Gästeliste tummelten sich prominente Blogger wie Sami Slimani, Farina Opoku, Louis Darcis, Riccardo Simonetti und Laura Noltemeyer. Analoges Kuscheln ist bei den Stars des Internets durchaus auch erwünscht – und natürlich auch gut fürs Geschäft: Beim Treffen im sogenannten Sample Room picken sich die Trendmacher Klamotten oder Lippenstifte heraus und können mit einem Post und zwei, drei Worten der Begeisterung dafür sorgen, dass das Produkt mehr Abnehmer findet.

„Es ist ja immer etwas Besonderes, wenn die beste Freundin einen Pullover empfiehlt“, beschreibt Agenturfrau Christine Bücken den Effekt. Und im Internet verstehen einige das Geschäft mit der Freundschaft eben so gut, dass sie einen Manager brauchen. Während sich die Manager von Schauspielern früher ausschließlich mit Rollenangeboten und Interviewanfragen befassten, kommt es bei den Netz-Promis zunächst mal darauf an, einfach mitzufeiern, erklären die Agentinnen von „La Maison“.

Star-Rummel statt Marketing

Das kann aber auch schiefgehen. Bei einem großen Event mit berühmten Bloggern kam die Sache, die den Veranstaltern am Herzen lag, gar nicht erst unter die Leute. Die vielen Fans, die sämtliche Zufahrtswege verstopften, posteten ausschließlich Fotos von ihren Helden. Star-Gäste wie Janina Uhse mit 573.000 Instagram-Followern und Lamiya Slimani mit 781.000 Followern erfreuen die Fans gerne mit Fotos von sich in verschiedenen Posen und Klamotten.

Colette Hering findet es wichtig, dass Influencer eine emotionale Beziehung haben zu den Dingen, die sie vermarkten. Christine Bücken sieht, dass das Prinzip sogar dann funktioniert, wenn es um Produkte geht, die so teuer sind, dass man sie sich im jungen Alter normalerweise nicht leisten kann. Junge Leute haben, so hat sie es beobachtet, sowieso eine andere Beziehung zum Geld. Vorbilder seien junge Internet-Millionäre, die von heute auf morgen reich werden, weil sie ein erfolgreiches Start-up gegründet und mit viel Gewinn verkauft haben. Und wenn die eigenen Ideen dafür nicht ausreichen, bleibt immer noch der Traum von der Versilberung des eigenen Marktwertes, von der großen Reichweite.

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