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Leszek Nadolski, Chef der Berliner Taxi-Innung, fordert Hilfe von der Landespolitik – unter anderem bei der Umstellung auf E-Antriebe.

© Christian Latz

Innung fordert Unterstützung vom Land: Berliner Taxi-Branche will 4000 Fahrzeuge auf Elektroantrieb umstellen

Mit austauschbaren Akku-Systemen könnten 4000 Berliner Taxis auf Elektroantrieb umgestellt werden. Doch in der Gegenwart geht es der Branche schlecht.

Berlins Taxis sollen künftig sauberer unterwegs sein. Insgesamt 4000 Taxis könnten in den kommenden fünf Jahren in Berlin auf einen emissionsfreien Antrieb umgestellt werden, erklärte die Berliner Taxiinnung am Donnerstag auf ihrer Jahrespressekonferenz.

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Voraussetzung dafür sei, dass das Land Berlin die Branche beim Aufbau von Express-Batteriewechselstationen in der ganzen Stadt unterstütze. Pro Jahr müssten dazu sechs der Anlagen an gut erreichbaren Orten wie Tankstellen eingerichtet werden.

„Die ersten 60 E-Taxis sind schon auf der Straße“, sagte der Vorsitzende der Innung, Leszek Nadolski. Bei der Antriebswende wolle seine Branche vorangehen. Doch fehle es dazu massiv an E-Ladesäulen in Berlin. „Wenn die nächsten 100 E-Taxis kommen, wird es kritisch.“

Abhilfe schaffen sollen daher die Stationen zum Wechseln der Batterien. Dort lässt sich in kürzester Zeit der Akku austauschen, wie die Innung bei einer ersten Probeanlage am Westhafen demonstrierte. Ein weiterer Standort ist zudem bereits am Flughafen BER geplant. Daneben schlägt die Innung erste Wechselanlagen in der Altstadt Spandau, an der Messe Berlin, am Innsbrucker Platz und am Hermannplatz vor.

Neben dem Blick in die elektrische Zukunft beschäftigte die Innung auch die teilweise bittere Gegenwart der Branche. „Die Situation ist so prekär, wir werden bald die individuelle Mobilität der Berliner nicht mehr gewährleisten können.“ Für die Mitarbeiter der Unternehmen bedeute dies, dass ein Teil von ihnen „existenziell bedroht ist“.

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Auf rund 5900 Fahrzeuge ist die einst mehr als 10.000 Wagen starke, beige Flotte berlinweit mittlerweile gesunken. In den letzten zwölf Monaten sind knapp 900 Fahrzeuge abgemeldet worden. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie vor zwei Jahren liege der Schwund bei rund 2000 Taxen. Ein Ende ist dem Vorsitzenden zufolge nicht in Sicht. Aktuell verschwänden täglich ein bis zwei Fahrzeuge vom Markt. Sein Appell an das Land: „Helft uns, sonst wird es uns bald nicht mehr geben.“

Taxi-Branche fordert Hilfe vom Senat

Um sich aus der Notlage zu befreien, fordert das Berliner Taxigewerbe vom Land daher neue politische Regelungen. Retten sollen die darbende Branche demnach unter anderem Festpreise für bestimmte Strecken. „Wir wollen unseren Kunden vorher verbindlich sagen können, was der Spaß kostet“, sagte Michael Oppermann, Geschäftsführer des Bundesverbands Taxi und Mietwagen.

Zudem sollen Mindestpreise, die auch für die harte Konkurrenz aus der Mietwagenbranche gelten würden, verhindern, dass es zu Sozialdumping auf Kosten der Fahrer komme. Zwar stehe den Städten die Möglichkeit rechtlich bereits offen, genutzt wird sie aber fast nirgends, sagt Oppermann.

Daneben fordert die Branche auch eine direkte finanzielle Unterstützung vom Land Berlin. „Wir gelten als Teil des ÖPNV, aber anders als bei Bussen und Bahnen muss bei uns der Fahrgast den Fahrer komplett alleine bezahlen.“ Mit Zuschüssen solle daher auch das Taxigewerbe gestützt werden.

Mietwagen haben Taxi-Branche "sehr viel Umsatz und Geschäft weggenommen"

Die Gründe für den Niedergang des Taxigewerbes in Berlin bestehen zum Teil seit Jahren. Die größte Rolle spielt dabei der zeitgleiche Aufstieg der Mietwagenunternehmen. Vermittelt durch große, internationale Plattformen, wie Uber, Freenow oder Bolt fahren sie ihre Kunden auf Bestellung von A nach B – und machen den Taxibetrieben das Geschäft streitig. Die Zahl der Mietwagen ist in der Vergangenheit enorm gestiegen. Seit 2017 ist sie laut Taxiinnung um 2400 auf aktuell knapp 4000 Fahrzeuge gewachsen.

„Die Mietwagen haben dem Taxigewerbe sehr viel Umsatz und Geschäft weggenommen“, sagte Hermann Waldner, Vizepräsident des Bundesverbands Taxi- und Mietwagen und Geschäftsführer der Funkzentrale Taxi Berlin. Die Mietwagenfirmen seien rechtlich im Vorteil. „Wir haben eine Tarifpflicht, während die Mietwagenbetreiber völlig frei sind. Sie können uns zu jeder Tageszeit um 30 Cent unterbieten.“ Den Fahrgästen könne man da nicht verdenken, dass sie lieber die günstigeren Angebote nutzten, sagt Waldner.

Auch Zahl der Mietwagen in Berlin sinkt

Doch geschützt werde das Taxigewerbe von den Behörden nicht, obwohl es – anders als die Mietwagenfirmen – auch einen öffentlichen Beförderungsauftrag habe. So agierten die von Uber und ähnlichen Angeboten vermittelten Firmen im Alltag wie Taxis. „Man kann das in Berlin so frech und schadlos machen, weil das fast gar nicht kontrolliert wird.“

Mittlerweile ändere sich die Lage, die Kontrollen des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten nähmen zu – das zeigt sich auch in den Zahlen: In den vergangenen zwölf Monaten sank die Zahl der Mietwagen in Berlin um rund 500. Auch mehrere Dutzend Betriebe gaben auf. Für Waldner kommt der Einsatz jedoch zu spät. „Die Nachlässigkeit der letzten Jahre kann man nicht so schnell aufholen.“

Branche braucht höhere Umsätze - doch hat Angst vor Tariferhöhungen

Dringend müssten aus Sicht der Branche die Tarife erhöht werden. Bereits im Oktober hatte die Innung dem Senat dazu unter anderem eine Erhöhung um zwölf Prozent vorgeschlagen.

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Doch wann es zur Tarifanpassung komme, sei offen, so Nadolski. Dabei sei unklar, ob die damals geforderte Erhöhung überhaupt ausreichen würde, um die seither explodierten Kraftstoffpreise zu kompensieren. Zudem erhöht sich der Mindestlohn im Laufe des Jahres noch zweimal auf letztlich voraussichtlich zwölf Euro. "Wir liegen zurzeit bei zwölf bis 14 Euro Umsatz die Stunde. Das ist nicht finanzierbar", sagte Nadolski.

Doch auf zu starke Tarifsteigerungen drängt in der Branche auch niemand. "Die Tariferhöhung wird die Wettbewerbsposition noch schwieriger machen, da die Mietwagenbetreiber das nicht mitgehen werden", sagte Waldner. "Wenn wir Pech haben, haben wir am Ende trotzdem nicht mehr Umsatz."

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