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Inspiration für die Schüler. Inge Deutschkron erzählte ihnen aus ihrem Leben, um den Antisemitismus zu bekämpfen.

© dpa/Britta Pedersen

Inge Deutschkron wurde beigesetzt: Sangesfreudig, streitbar und links

Auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf nahmen mehr als 100 Trauergäste Abschied. Am Grab der Ehrenbürgerin Berlins spielte ein Trompeter die „Internationale“.

Ihr Leben lang hat Inge Deutschkron für gesellschaftliche Gerechtigkeit und gegen rechtes Gedankengut gekämpft. Das spiegelte sich auch bei ihrer Beisetzung am Mittwochnachmittag auf dem Südwestkirchhof in Stahnsdorf wider. So hat Berlins Ehrenbürgerin es sich immer gewünscht. Am 9. März ist sie im Alter von 99 Jahren gestorben. Der Vorstandsvorsitzende der Inge-Deutschkron-Stiftung, André Schmitz, hatte sich für die Beisetzung mit mehr als 100 Trauergästen einige Überraschungen einfallen lassen, die der Verstorbenen wohl gefallen hätten.

Dass sie Jüdin war, erfuhr sie erst im Alter von elf Jahren. Das war 1933, die Nationalsozialisten hatten die Macht übernommen. Religion hatte in der Familie nie eine Rolle gespielt. Und das sollte nach dem Wunsch der Verstorbenen auch bei ihrer Beerdigung so bleiben. Sie ist immer Atheistin geblieben. Erst Hitler habe sie zur Jüdin gemacht, hat sie öfter gesagt. Ihrem Vater gelang 1939 gerade noch die Flucht nach England. Seine Familie konnte er nicht mehr nachholen.

Während der Kriegsjahre musste sich Inge Deutschkron verstecken. Neben Otto Weidt, der sie in seiner Blindenwerkstatt beschäftigte, halfen ihr auch Mitglieder einer linkssozialistischen Widerstandsgruppe. Das vergaß sie ihr Leben lang nicht, auch nicht, als sie schon längst eine arrivierte Journalistin und Autorin war.

Die Partei war ihre Familie

Für die Trauerfeier hatte André Schmitz auch ein altes Arbeiterlied ausgesucht. Das, so erinnerte er sich, „haben wir am 1. Mai immer in ihrer Wohnung in der Düsseldorfer Straße gesungen“. Die Beisetzung der Ehrenbürgerin war noch einmal ein Anlass, daran zu erinnern, dass sie nach dem Krieg zusammen mit Klaus Schütz die SPD wieder mitgegründet hat und die Partei als ihre Familie betrachtete. Auch deshalb fiel die Wahl des Grabes auf den Stahnsdorfer Südwestkirchhof.

Flucht vor dem sowjetischen Geheimdienst

Inge Deutschkron mochte Heinrich Zille, der dort begraben liegt, ebenso wie den sozialdemokratischen Widerstandskämpfer Rudolf Breitscheid. Nach dem Krieg wäre sie beinahe vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet worden, weil sie gegen die Zwangsvereinigung von KPD und SPD war. Sie ging dann zu ihrem Vater nach London und arbeitete dort als Sekretärin für die internationalen Sozialisten. Einen Teil ihres Lebens verbrachte Inge Deutschkron später in Tel Aviv.

Rückkehr nach Berlin

Das Bundesverdienstkreuz hat sie wiederholt abgelehnt, weil es sie störte, dass auch alte Nazis dieses nach dem Krieg noch bekommen hätten. Den Berliner Landesorden nahm sie dagegen gerne an, weil sie sich ihr Leben lang immer als Berlinerin gefühlt hat, obwohl sie wegen ihrer persönlichen Lust am Singen auch den Sängern ihres Geburtsortes Finsterwalde verbunden war.

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Anlass für die Rückkehr nach Berlin war das Musical des Grips-Theaters „Ab heute heißt du Sarah“, das auf Inge Deutschkrons Autobiographie basierte. Natürlich gehörten auch zwei Songs aus diesem Stück zum Programm der Trauerfeier.

"Stimme gegen das Vergessen"

Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) würdigte bei der nicht-religiösen Trauerfeier Inge Deutschkrons rastlosen Einsatz für die Erinnerung an die NS-Verbrechen und die stillen Helden, die damals den Verfolgten geholfen haben. Sie sei eine starke Stimme gegen das Vergessen gewesen. Aus Anlass ihres 100. Geburtstags am 23. August soll es eine Gedenkstunde im Roten Rathaus geben.

Auch die 100-jährige KZ-Überlebende Margot Friedländer war zur Trauerfeier gekommen, außerdem die früheren Regierenden Bürgermeister Walter Momper und Klaus Wowereit, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke).

Der letzte Gruß an die couragierte Schriftstellerin und Journalistin war einem Trompeter übertragen worden. Er spielte an ihrem Grab die „Internationale“. (mit epd)

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