zum Hauptinhalt
3-D-Druck, Ingenieure sprechen auch von "Additiver Fertigung", löst derzeit viele traditionelle Fertigungsverfahren ab. In Deutschland und speziell in Berlin gibt es besonders viel Knowhow auf dem Gebiet.

© Getty Images

Industriestandort Berlin: Showroom für 3-D-Drucker in altem Gaswerk geplant

Firmen wollen die besten Teile aus dem 3-D-Drucker präsentieren. Das Projekt im ehemaligen Gaswerk Mariendorf soll den Industriestandort Berlin neu beleben.

Wer hätte das gedacht: „Deutschland ist das Mutterland des 3-D-Drucks“. Das sagt Stefanie Brickwede, die bei der Deutschen Bahn zur Expertin wurde für diese neue Fertigungstechnologie. Teilweise, so erzählt die Ökonomin, muss die Bahn zwei Jahre auf ein Ersatzteil warten. Mit einem 3-D-Drucker geht das ruckzuck. Zum Beispiel ein rund 15 Kilogramm schwerer Radersatzlagerdeckel, der von einer Maschine der Berliner Firma Gefertec aus Draht gedruckt wird.

Das geht schneller und kostet weniger als ein Gussteil. Oder Handläufe auf Bahnhöfen mit aufgedruckter Blindenschrift. Mit Hilfe des 3-D-Drucks werden die Herstellungskosten für solche Geländer halbiert.

Stefanie Brickwede arbeitet immer noch für die Bahn, aber nur 40 Prozent ihrer Arbeitszeit. Den Großteil verbringt sie in einer alten Fabrikhalle im Marienpark im Südwesten Berlins und kümmert sich hier um Aufbau und Pflege eines Netzwerks rund um die „Additive Fertigung“, wie die 3-D-Druck-Technologie auch genannt wird. Mehr als 100 Mitglieder hat der Verein mit dem Namen „Mobility goes Additive“.

Mit dabei sind Konzerne wie BASF, Siemens und VW, viele Mittelständler aus dem Maschinenbau und der Materialwirtschaft und Wissenschaftseinrichtungen wie die Fraunhofer Gesellschaft. Das Netzwerk will helfen beim Know-how-Transfer oder auch bei der Identifikation von 3-D-Druck-geeigneten Bauteilen.

"Additive Fertigung" reduziert bestenfalls Zeit und Kosten

„Wir verbinden Industrie 1.0 mit Industrie 4.0“, sagt Brickwede über den Standort des Netzwerks auf dem fast 40 Hektar großen Gelände rund um das ehemalige Gaswerk Mariendorf. Additive Fertigung hat sich zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt, und das nicht nur für die Deutsche Bahn. Die Markteinführung von Produkten kann sich erheblich verkürzen, und die maßgeschneiderten Prototypen lassen sich per Druck schneller und günstiger anfertigen.

Stefanie Brickwede arbeitet bei der Deutschen Bahn und leitet das Berliner Netzwerk "Mobile goes Additive".
Stefanie Brickwede arbeitet bei der Deutschen Bahn und leitet das Berliner Netzwerk "Mobile goes Additive".

© Promo

Seit September vergangenen Jahres netzwerkt Brickwede mit einer Handvoll Mitarbeiter vom Marienpark aus. Das erste große eigene Projekt ist eine Referenzfertigung in der Nachbarhalle, wo einige der rund 20 verschiedenen Additiven Fertigungsverfahren in einer Art Showroom vom kommenden Jahr an für Interessierte aus aller Welt gezeigt werden. Mit voraussichtlich 90.000 Euro aus dem Topf des Masterplans Industriestadt Berlin (hier der Plan als PDF zum Download , externer Link, 1,7 MB, 27 Seiten) ist der Senat bei „Mobility goes Additive“ dabei.

Der 2010 vom damaligen Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern und Gewerkschaftern aufgelegte Plan kommt nach einem gewissen Zeitverzug also in die realwirtschaftliche Umsetzung. „Berlins Wirtschaft wächst, mit dem Masterplan sichern wir eine zukunftsfähige Industriepolitik“, sagt Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne).

Der Plan umfasst vier Handlungsfelder (Fachkräfte und Innovation, Digitalisierung, Rahmenbedingung und Marketing), denen elf „Themencluster“ zugeordnet sind. Dazu gehören beispielsweise der Wissens- und Technologietransfer, die Vernetzung von Start-ups und ansässiger Industrie, die Bereitstellung von Flächen, Finanzierungsfragen, Verwaltungshandeln und digitale Infrastruktur.

In jedem Themencluster gibt es dann wiederum Aufgabenfelder. Für die Umsetzung der 102 Projekte zuständig sind diverse Senatsverwaltungen, die Bezirke und die Wirtschaftsförderer der Berlin Partner.

Externe Fachleute sollen das Thema voranbringen

Pop hat den Masterplan, der unter ihrer Vorgängerin Cornelia Yzer (CDU) in der Schublade verschwunden war, revitalisiert und vor allem eine sogenannte Geschäftsstelle in der Senatsverwaltung für Wirtschaft mit zwei externen Mitarbeitern eingerichtet. Eric Herbstreit von T-Base Consulting, der seinen „Master of Public Management, Policy and Administration“ an der Universität Potsdam abgelegt hat, leitet seit März die Geschäftsstelle und kann in diesem Jahr rund 400.000 Euro ausgeben.

Fünf Projekte sind derzeit in der Genehmigungsphase: Neben der additiven Fertigung gehören eine Talentplattform der Berliner Zukunftsorte dazu, ein Transferprojekt zur Verbesserung der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft, der Auftritt Berliner Firmen auf der Hannover-Messe sowie die „Junior1stein Akademie“.

Lehrkräfte des Oberstufenzentrums OSZ Lise-Meitner in Neukölln haben das Konzept entwickelt, mit dem die Akademie „ein Zentrum für MINT-Bildung in Berlin werden will“. Das Projekt setzt bei Kita-Kindern an und begleitet Schülerinnen und Schüler bis zur Oberschule durch die Unterstützung rund um die Gebiete Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Die Lehrkräfte werden geschult, und mit Hilfe von MINT-Bildungsmanagern soll die Unterrichtsqualität verbessert „und somit das Interesse der Kinder und Jugendlichen für MINT-Berufe geweckt werden“, heißt es in der Projektbeschreibung.

Am Mittwoch (31. Juli 2019) installierte der Druckerhersteller BigRep GmbH an der Humboldt-Universität sein "Genisis Eco Screen", dem "weltweit ersten, aus recycelten Plastikstoffen vollständig im 3D-Druck hergestellten Pflanzen- und Insektenhabitat für eine innovative, umweltfreundliche Stadtarchitektur", wie es hieß.
Am Mittwoch (31. Juli 2019) installierte der Druckerhersteller BigRep GmbH an der Humboldt-Universität sein "Genisis Eco Screen", dem "weltweit ersten, aus recycelten Plastikstoffen vollständig im 3D-Druck hergestellten Pflanzen- und Insektenhabitat für eine innovative, umweltfreundliche Stadtarchitektur", wie es hieß.

© Reuters/Fabrizio Bensch

Sinn und Zweck der vielen Pläne und Projekte ist die Revitalisierung der Berliner Industrie, die in den ersten zwei Jahrzehnten nach der Vereinigung 200.000 Arbeitsplätze verloren hat. Heute sind es knapp 120 000 Berlinerinnen und Berliner, die im verarbeitenden Gewerbe ihren Lebensunterhalt verdienen.

Viel Bewegung im Marienpark im Berliner Süden

Wegen der Digitalisierungseffekte spricht die Wissenschaft inzwischen von einer „Re-Urbanisierung der Industrie“, die nicht mehr laut und schmutzig und großflächig ist und deshalb auch gut in die Stadt passt. 3-D-Druck zum Beispiel „rückt die Ansiedlung von industriell-produzierenden Unternehmen wieder näher an dicht besiedelte Gebiete heran“, heißt es in der Beschreibung des Masterplan-Projekts. Der 3-D-Druck-Campus im Marienpark soll „Berlin und Deutschland im Bereich additiver Technologie global sichtbar machen“. Und dabei keineswegs nur Mobilitätsanwendungen abbilden. Auf dem Areal will E-Shelter, eine Tochter des japanischen Telekomkonzerns NTT, zudem ein riesiges Rechenzentrum samt Forschungscampus aufbauen. Auch eine schottische Brauerei hat Pläne auf dem Areal.

Geschäftsführerin Brickwede zeigt ein gedrucktes Teil aus Keramik, das zum „Aufforsten“ von Korallenbänken taugt. Ein potenziell riesiges Anwendungsfeld ist die Medizin, von Prothesen bis hin zu Organen. Dafür gibt es inzwischen das „Medical goes Additive“, die kleine Schwester des vor drei Jahren begonnenen Mobilitätsnetzwerks. Womöglich demnächst zu besichtigen in einer weiteren Halle im Marienpark, der mit knapp 40 Hektar noch reichlich Platz bietet für Industrie und Technologie.

Zur Startseite