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In OMAS ZEITung (35): Gloria-Palast

Dorothea Spannagel war Lokalreporterin im Berlin der 50er Jahre. Ihr Enkel Lars entdeckt ihre Texte neu. Diesmal: Oma Thea berichtet von einer Kino-Eröffnung.

Keine Ahnung, warum wir ausgerechnet diesen Film sehen mussten. Unbedingt! In „Demolition Man“ spielt Sylvester Stallone einen knallharten Polizisten, der eingefroren und im Jahre 2032 wieder aufgetaut wird, um einen ebenfalls zu neuem Leben erwachten Bösewicht zur Strecke zu bringen. So weit, so beknackt. Im Jahre 1993 allerdings wollten meine Kumpel und ich den Film keinesfalls verpassen, auch wenn wir mit 15 Jahren noch zu jung für die Altersfreigabe FSK 16 waren. Also versuchten wir es nacheinander bei etlichen Kinos am Kurfürstendamm: in der Filmbühne Wien, im Royal-Palast, im Broadway, im Zoo-Palast. Wir überlegten uns Strategien, schickten den Größten vor, zogen uns die Mützen tief in die Milchgesichter. In den Gloria-Palast kamen wir schließlich rein. Der Kassierer hatte sich von unseren kunstvoll mit Tintenkiller gefälschten Schülerausweisen übertölpeln lassen.

Zur Eröffnung läuft "Im weißen Rössl"

Als meine Oma Thea 1953 für die „Neue Zeitung“ über den Gloria-Palast berichtet, ist Sylvester Stallone sieben Jahre alt und demoliert wahrscheinlich gerade seine Klassenkameraden in der Grundschule. Und der Gloria-Palast zeigt ganz andere Filme. Das im Krieg zerstörte Kino wird am 20. November 1953 neu eröffnet, zur Premiere läuft die „Erstaufführung des Farbfilms „Im weißen Rössl“. Hauptdarsteller: Johannes Heesters.

In ihrem Artikel befindet meine Oma, dass der neue, elegante Kinosaal kaum etwas mit der Vorkriegsversion zu tun habe. „Das frühere Barock ist modernen Linien gewichen“, schreibt sie. „Die Wände sind nussbaumgetäfelt, die Sessel halb rostrot, halb resedagrün, und der Rang scheint wie eine ,fliegende Untertasse‘ über dem letzten Drittel des Parketts zu schweben.“ Damit habe Berlin nicht nur sein „altberühmtes Uraufführungstheater“ neben der Gedächtniskirche wieder, auch der gesamte Kurfürstendamm sei in seinem Wiederaufbau ein Stück vorangekommen.

Trotz der modernen Einrichtung: Das Programm des Gloria-Palasts bleibt danach zunächst eher altbacken. Schon mit seinem Eröffnungsprogramm knüpft das Kino laut meiner Oma „an seine Tradition an, alle Willi-Forst-Filme in Berlin uraufzuführen“. Der Österreicher Forst ist als Darsteller, Sänger, Drehbuchautor und Regisseur für seichte musikalische Komödien mit Titeln wie „Serenade“, „Mazurka“, „Allotria“ oder „Bel ami“ bekannt. 40 Jahre später regiert Stallone statt Heesters im Gloria-Palast, 1998 dann rücken ganz andere Demolition Men an: Der Gloria-Palast muss schließen, Modefilialisten ziehen ein.

Vielen Ku’damm-Kinos davor und danach erging es ähnlich. Heute wäre es meinen Kumpels und mir hier völlig unmöglich, innerhalb einer Stunde ein halbes Dutzend Kinos abzuklappern, um uns irgendwo reinzumogeln. Inzwischen habe ich das Gefühl, es ging uns gar nicht so sehr um den Film.

Diese Kolumne ist gedruckt in der Tagesspiegel-Samstagsbeilage Mehr Berlin erschienen. Alle Folgen finden Sie unter diesem Link.

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