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Berlin: Immer auf der Flucht

Vor 25 Jahren verließen die Strelzyks im Heißluftballon die DDR – seither müssen sie davon erzählen

So viel Trubel um seine Familie hat Peter Strelzyk dann doch nicht erwartet. „Ich dachte, 25 Jahre nach unserer Flucht würde das Thema ein wenig einschlafen.“ Nichts da. Alexandra Hildebrandt, Leiterin des Museums am Checkpoint Charlie weint fast vor Rührung, der kleine Raum im ersten Stock des Museums ist brechend voll. Touristen wollen die Familie sehen, der damals die „Flucht des Jahrzehnts“ aus der DDR gelungen ist. Am 16. September 1979 verließ Peter Strelzyk mit Frau Doris, den Söhnen Frank und Andreas und der vierköpfigen Familie Wetzel den thüringischen Ort Pößneck in Richtung BRD – in einem selbst gebauten Heißluftballon. Gestern kamen die Strelzyks zum ersten Mal seit damals wieder nach Berlin. Vor OriginalTeilen ihres Ballons erzählten sie ihre Geschichte noch einmal.

„Es gab in der DDR keine Literatur über Ballons, und auch keinen Ballonsport“, sagt Peter Strelzyk. Also zeichnete sich der gelernte Steuerungstechniker selbst einen Entwurf. Die beiden Ehepaare wechseln sich ab, um unauffällig Stoff für den 1250 Quadratmeter großen Ballon zu kaufen. Am 4. Juli 1979 misslingt der erste Fluchtversuch. Der Ballon bleibt zurück, wird 17 Tage später entdeckt. Von da an läuft eine offizielle Fahndung nach den Flüchtlingen. Doris Strelzyk hatte im Wald ein Rezept verloren. „Innerhalb von sechs Wochen haben die Behörden 800000 Rezepte überprüft“, sagt ihr Mann. Nach der Wende hat er die Stasi-Akte der Familie eingesehen. „Die war 25 Kilogramm schwer.“

In der Nacht zum 16. September 1979 drängen sich die acht Thüringer auf dem 1,40 mal 1,40 Meter großen Holzrost unter dem Ballon und steigen in 2500 Meter Höhe auf. 28 Minuten später endet der Flug – im oberfränkischen Naila. „Wir konnten überhaupt nichts sehen“, erinnert sich Frank Strelzyk, damals 15 Jahre alt. Doch der Wind stand richtig.

Die Presse stürzte sich auf die acht Flüchtlinge, 80000 Mark zahlte der „Stern“ für die Exklusivrechte an ihrer Geschichte. 1981 wurde die Flucht in Hollywood verfilmt, „zu 90 Prozent realistisch“, sagt Peter Strelzyk.

Die Familie lässt sich in Naila nieder, zieht später in die Schweiz. Zu den „Fluchtpartnern“ bricht der Kontakt ab. Nach der Wende kehren Peter und Doris Strelzyk zurück nach Pößneck. „Wir haben zuerst zur Miete gewohnt und dann in unserem alten Haus. Zu ihren alten Nachbarn haben sie ein gutes Verhältnis. „Der überwiegende Teil sagt: Das habt ihr toll gemacht“, sagt der Rentner.

1999 hat das Ehepaar seine Fluchtgeschichte im Buch „Schicksal Ballonflucht“ veröffentlicht. Derzeit arbeitet Peter Strelzyk an einem neuen Buch über einen thüringischen Fluchthelfer, der DDR-Bürger im Flugzeug über die Grenze geschafft hat.

Sohn Andreas Strelzyk lebt heute in Baden-Württemberg und arbeitet als Maler und Lackierer. Sein Bruder Frank ist in Bayern geblieben. Der Elektrotechniker besucht wie die anderen Familienmitglieder regelmäßig Schulen und andere Einrichtungen, um von der Flucht in den Westen zu erzählen. Und wenn er keine Zeit hat, schickt er seinen 18-jährigen Sohn Sebastian. „Der kennt die Geschichte schon genauso gut wie ich.“ cof

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