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Berlins Juso-Chefin Annika Klose.

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Im Interview: Berlins Juso-Chefin Annika Klose: „Mut statt Deals im Hinterzimmer“

Juso-Landeschefin Annika Klose will ins EU-Parlament und ärgert sich über Berlins SPD-Spitze. Am Sonntag wird sie voraussichtlich von den Jusos als EU-Kandidatin vorgeschlagen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Landeschefin der Jungsozialisten, Annika Klose, soll am Sonntag vom 6 000 Mitglieder starken Jugendverband der Berliner SPD für die Kandidatur zum Europaparlament vorgeschlagen werden. Ein Landesparteitag entscheidet am 1. Juni, wer für die SPD-Bundesliste nominiert wird. Es gibt mehrere Bewerber. Annika Klose, 25, ist in Dortmund geboren, sie studiert seit 2011 Sozialwissenschaften an der Humboldt-Uni, ist im selben Jahr in die SPD eingetreten und seit 2015 Juso-Landeschefin. Das EU-Parlament wird im Mai 2019 neu gewählt.

Frau Klose, warum wollen Sie, gerade mal 25 Jahre alt, ins Europaparlament?
Meine Generation ist besonders pro-europäisch eingestellt. Gleichzeitig ist die Parteien- und Parlamentsverdrossenheit bei jungen Menschen besonders groß. Ich sehe es als meine Aufgabe an, junge Leute für eine Reform der Europäischen Union zu begeistern. Europa muss wegkommen vom Neoliberalismus und zu einer glaubwürdigen Politik der sozialen Gerechtigkeit finden. Die EU muss raus aus dem Krisenmodus, die junge Generation kann das Steuer herumreißen. Es mag ungewöhnlich sein, schon mit 25 Jahren für Straßburg zu kandidieren, der aktuell jüngste EU-Abgeordnete ist 29 Jahre alt und kommt aus Bulgarien. Aber wenn die SPD wieder Politik zum Anfassen machen will, dann braucht es diesen Mut.

Was haben Sie selbst mit Europa zu tun?
Ich setze mich besonders für eine humane Asylpolitik ein und befasse mich intensiv mit dem problematischen Umgang mit den Außengrenzen der EU. Im letzten Jahr habe ich mich freiwillig für eine Seenotrettungsaktion im Mittelmeer gemeldet. Das Thema bewegt mich sehr und ich möchte es auch im Europaparlament stärker auf die Agenda setzen.

Machen Sie sich nicht Illusionen? Die meisten EU-Abgeordneten sind wenig bekannt, werden gewählt und tauchen dann fünf Jahre in Straßburg und Brüssel unter.
Ich gebe Ihnen recht: Es gibt Abgeordnete, die in diesem Apparat mit seinen 42 Sitzungswochen im Jahr verschwinden. Für mich wäre das nichts. Ich will die Diskussionen Europas nach Berlin tragen. Nur so können wir Europa wieder greifbarer machen. Und das geht nur, wenn man persönlich vor Ort ist. Man darf dabei auch nicht bei klassischen Veranstaltungsformaten stehenbleiben. Ich stelle mir beispielsweise Online-Diskussionsforen oder den Blick hinter die Kulissen über Soziale Medien vor.

Die SPD kam bei der Europawahl 2014 bundesweit auf 27 Prozent. Wie sieht Ihre Prognose für 2019 aus?
Es wäre schön, das Ergebnis von 2014 wieder zu erreichen. Allerdings waren damals, mit dem prominenten Spitzenkandidaten Martin Schulz, die Voraussetzungen relativ gut. 2009 kamen die Sozialdemokraten nur auf 20 Prozent. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass die SPD jetzt Mut beweist – was das Programm und die Kandidaten angeht. Dann lässt sich im nächsten Jahr auch was rausholen.

Die SPD tritt bei der EU-Wahl mit einer Bundesliste an. Da müssten Sie weit vorn platziert sein, um Chancen zu haben.
Ich setze mich für eine Grundmandatsregelung ein, damit die Bewerber auch der kleinen Bundesländer auf aussichtsreiche Plätzen kommen.

Wer unterstützt Ihre Bewerbung? Die Konkurrenz ist auch in Berlin groß.
Erst einmal die Jusos. Es gibt aber quer durch die Partei viele positive Signale. Viele können sich im Zuge der Erneuerung der Partei vorstellen, einer jungen Frau die Chance zu geben. Es geht jetzt in der SPD erst langsam mit den Vorstellungsrunden los, offiziell positioniert hat sich außer den Jusos bisher mein Ortsverband „Brunnenviertel“ in Mitte. Noch ist die Bewerberlage unübersichtlich. Trotzdem – ich sehe eine Chance: Viele Parteimitglieder sind nicht mehr bereit, das Mandat im EU-Parlament als Versorgungsposten zu sehen.

Wer hat bei der Auswahl der Bewerber die Fäden in der Hand?
Wir Jusos haben uns geärgert, dass die Parteispitze sehr kurzfristig darüber informiert hat, dass die Berliner SPD ihre Europakandidaten schon auf dem Landesparteitag am 1. Juni nominiert. Vor Kurzem hieß es noch, dass unsere EU-Abgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann wieder antreten würde. Und als bekannt wurde, dass sie doch nicht kandidiert, kursierten schon Namen.

Welche Namen?
Es ist nicht meine Aufgabe, die Bewerberliste zu kommunizieren. Aber es ist ja bekannt, dass sich der ehemalige Kultur-Staatssekretär Tim Renner für Europa interessiert. Offenbar wurden im Hintergrund schon seit einer Weile Gespräche geführt. Ich finde das intransparent. Wer es ernst meint, sollte jetzt den Mut haben, nach vorne zu treten und nicht versuchen, alles im Hinterzimmer aus zu dealen.

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