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Rüdiger Weida alias Bruder Spaghettus (l.) übergab den Evolutionsweg an den Templiner Bürgermeister Detlef Tabbert.

© promo

Im brandenburgischen Templin: Spaghettimonsterkirche eröffnet Evolutionsweg

Die Anhänger des fliegenden Spaghettimonsters haben der Stadt Templin einen Evolutionsweg gestiftet. Auf einem Kilometer Länge kann man die Erdgeschichte erwandern.

Von Sandra Dassler

„Am Anfang war das Wort, und das Wort war Arrrgh!“ steht als Motto über der Homepage der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e. V.“. Doch so arg war es diesmal gar nicht, was Bruder Spaghettus in seinem jüngsten, allwöchentlich veröffentlichten „Wort zum Freitag“ verkündete. Die Pastafaris, wie sich die Anhänger der „Spaghettimonsterkirche“ nennen, stiften der Stadt Templin nämlich einen echten „Evolutionsweg“.

Der bestehe aus 20 Schautafeln, die auf ziemlich genau einem Kilometer Länge die mehr als vier Milliarden Jahre währende Entwicklung des Lebens auf der Erde dokumentieren, sagte Bruder Spaghettus am Sonntag dem Tagesspiegel: „Das Besondere daran ist, dass der räumliche Abstand der Tafeln ziemlich genau dem zeitlichen Abstand der Evolutionsetappen entspricht. Die letzten beiden Tafeln – vom Erscheinen der ersten Menschenartigen bis zum heutigen Menschen – sind nur 60 Zentimeter voneinander entfernt. Die ersten Tafeln hingegen mehrere hundert Meter.“

Der Evolutionsweg wurde am Freitag im Naherholungsgebiet Templiner Bürgergarten feierlich von Bruder Spaghettus und seinen „Schwestern“ Elli Spirelli und Tini Tortellini an die Stadt übergeben. Bürgermeister Detlef Tabbert (Linke) hatte natürlich keine Berührungsängste. Zum einen vermittele der Weg viele interessante Details zur Geologie, Biologie und Geschichte, meinte er.

Dass man sich auf einem Kilometer Länge die komplette Erdgeschichte erwandern und erlaufen könne, sei ein weiterer Grund, die Idee zu unterstützen. „Und schließlich ist die Evolutionstheorie wissenschaftlich erwiesen“, sagte Tabbert. Und hat sich damit fast schon als weiteres Mitglied der „Kirche des fliegenden Spaghettimonsters“ qualifiziert.

„Wir benutzen die Satire nur als Mittel“

Die entstand im Jahr 2005, als christliche Fundamentalisten im US-Bundesstaat Kansas forderten, im Biologieunterricht gleichberechtigt mit Darwins Evolutionstheorie auch die kreationistische Pseudowissenschaft „Intelligent Design“ zu lehren. Diese geht von einer wörtlichen Interpretation der Bibel und der Auffassung aus, dass das Universum und alles Leben durch den unmittelbaren Eingriff eines Schöpfergottes entstanden sind.

Auf einem Kilometer kann man sich die komplette Evolutionsgeschichte erwandern.
Auf einem Kilometer kann man sich die komplette Evolutionsgeschichte erwandern.

© promo

Daraufhin erschien dem „Propheten“ und Physiker Bobby Henderson prompt das fliegende Spaghettimonster. Folgerichtig forderte er die Schulbehörde in Kansas auf, dass auch seine neue Glaubenslehre im Unterricht behandelt werden müsse. Inzwischen fanden weltweit immer mehr Menschen Gefallen an der Religionsparodie vom „Flying Spaghetti Monster“ (FSM) – auch in Deutschland.

Ein Hinweisschild der „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ in Templin.
Ein Hinweisschild der „Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters“ in Templin.

© pastafari.eu

„Wir benutzen die Satire nur als Mittel“, sagt Bruder Spaghettus, der eigentlich Rüdiger Weida heißt: „Wir sind eine Weltanschauungsgemeinschaft, die den evolutionären Humanismus unter die Leute bringen will. Aber wir kämpfen dafür, dass wir den Religionsgemeinschaften gleichgesetzt werden, die immer noch sehr viele ungerechtfertigte Privilegien haben.“ Dazu gehören nach Weidas Auffassung unter anderem die Befreiung der Kirchen von Steuer- und Gerichtskosten, aber auch das Sonderrecht, Menschen entsprechend ihrer Weltanschauung einstellen oder ablehnen zu dürfen.

Erstmals sind die FSM-Jünger konstruktiv

Außerdem streiten Weida und seine Templiner Pastafaris seit Jahren bis zu den höchsten Gerichten darum, am Ortseingang von Templin neben den Tafeln der christlichen Kirche für ihre allwöchentliche „Nudelmesse“ zu werben. Bislang vergeblich. „Deshalb werden wir weitermachen, auch wenn wir bedauern, wenn sich Menschen durch uns in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen“, sagt Weida, „aber wir können auch nicht aufhören, Kritikwürdiges zu kritisieren, nur weil jemand davon betroffen ist.“

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Immerhin seien die FSM-Jünger nun endlich einmal konstruktiv und nicht nur durch Klagen vor Gericht in Erscheinung getreten, heißt es in Templin. Insofern sei der Evolutionsweg ein kleiner Schritt für die Menschheit. Aber ein großer für die Pastafaris.

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