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Der ehemalige Berliner CDU-Politiker Heinrich Lummer

© picture-alliance / dpa Bildfunk

Im Alter von 86 Jahren: Berliner Ex-Innensenator Heinrich Lummer gestorben

Berlins ehemaliger Innensenator Heinrich Lummer ist tot. Er starb bereits am Samstagabend in einem Pflegeheim im Stadtteil Zehlendorf.

Am Ende war es wohl eine Erlösung. Seit 2003 litt Heinrich Lummer, der umstrittenste Innensenator, den Berlin je hatte, unter den Folgen eines Schlaganfalls und wurde in einem Pflegeheim betreut. Am vergangenen Sonnabend ist er dort, wie erst jetzt bekannt wurde, im Alter von 86 Jahren im Familienkreis gestorben. Gelebt hat er ein abwechslungsreiches Leben an den Schnittkanten der deutschen Trennung und darüber hinaus, immer einflussreich, immer bestens informiert, jovial und kontaktfreudig – und eine Galionsfigur des Berliner Konservatismus, der sich damals vor allem im strengen Antikommunismus zusammenfand.

Heinrich Jodokus Lummer, geboren in Essen 1932, kam nach dem Abitur nach Berlin, um an der FU Politologie zu studieren. Für den RCDS stieg er 1960 zum Asta-Vorsitzenden auf, arbeitete nach dem Diplom als Assistent, befragte wohl auch für den BND Übersiedler aus der DDR, wurde Leiter des Besucherdienstes im Berliner Bundeshaus und schließlich 1965 Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus.

Dann nahm die politische Karriere Fahrt auf: Mitglied des Abgeordnetenhauses 1967, ab 1969 Fraktionsvorsitzender – er hatte sich längst als schlagfertiger Rhetoriker bewährt, der den volkstümlichen Ton beherrschte und bei den Berlinern ankam.

Umstritten und unstatthaft

Zimperlich war er nie: 1986 wurde bekannt, dass er 1971 Rechtsradikale bezahlt haben soll, um Wahlplakate der SPD zu überkleben. Von 1974 bis 1981 ließ er sich von einer Stasi-Agentin abschöpfen, offenbarte sich erst, als daraus Erpressung mit kompromittierenden Fotos wurde. Auch seine verdeckten Kontakte zum BND noch als Abgeordneter galten als unstatthaft.

1980 wurde Lummer Präsident des Abgeordnetenhauses mit Drang nach Höherem – doch die CDU hatte schon den weltoffenen und hochangesehenen Liberalen Richard von Weizsäcker überredet, für das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu kandidieren. In der Machtbalance des 1981 aufgestellten Weizsäcker-Senats war Lummer, der vorher sogar die Gründung der „vierten Partei“, einer Art Berliner CSU, erwogen hatte, die Rolle des konservativen Gegengewichts zugedacht.

Die füllte er dann auch aus. Das zeigte sich besonders krass beim Umgang mit den Hausbesetzern, deren Treiben er scharf bekämpfte. Am 22.September 1981 kam der Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay unter einem BVG–Bus zu Tode; zeitgleich gab Lummer in einem soeben geräumten Haus in Siegerpose eine Pressekonferenz, die selbst auf dem rechten Flügel seiner Partei als unglücklich angesehen wurde. 1984 wechselte er in gleicher Funktion in den Diepgen-Senat, trat aber 1986 nach dem Bauskandal zurück und wechselte in den Bundestag, dem er bis 1998 angehörte, seit 1994 als direkt gewählter Spandauer Abgeordneter.

Der Drift ins rechte Abseits

Dann verließ er die politische Bühne und driftete langsam ins rechte politische Abseits, verbreitete Verschwörungstheorien und erregte Aufsehen mit seinem Buch „Deutschland soll deutsch bleiben“, warnte vor „Überfremdung“ und kritisierte die Asylpraxis – eine Art Vorwegnahme aktueller Rechtsaußen-Positionen. Sein Protest gegen die Aufnahme russischer Juden brachte ihm ein Einreiseverbot in Israel ein; nur noch Kopfschütteln erregte sein Satz in einem Interview mit der „Jungen Freiheit“, die „amerikanische Ostküste“ erzwinge den Bau des Holocaust-Mahnmals.

Eine späte Karriere als Moderator der Sendung „Auf den Punkt Berlin“ bei TV Berlin Ende der Neunziger endete schließlich ruhmlos, nachdem ihn Hape Kerkeling in der Tarnung eines angeblich von Wildschweinen terrorisierten Schrebergärtners hereingelegt hatte. Dann wurde es ruhig um ihn, und nach dem Schlaganfall geriet er weitgehend in Vergessenheit – ein West-Berliner Macher mit großen Verdiensten und allerhand Schattenseiten, eine wirklich farbige Persönlichkeit.

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